Geld und Schuld: Träumen Sie schlecht, Frau Klatten?
BMW-Großaktionärin Susanne Klatten fällt mit einem befremdlichen Interview auf. Und Claus Weselsky dreht wieder auf – zum letzten Mal.
D iese Woche hat mich das Interview mit Susanne Klatten in der Süddeutschen so richtig deprimiert. Sie wissen schon, Susanne Klatten ist die Enkelin des Kriegsverbrechers Günther Quandt. Er beutete im Zweiten Weltkrieg für seine Batteriefabrik, die die U-Boot-Flotte des Marine-Chefs und kurzzeitigen Führer-Nachfolgers Karl Dönitz belieferte, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus. Für diese ließ er ein eigenes KZ-Außenlager in Hannover errichten, das die SS für ihn betrieb. Hunderte starben.
Die Fabrik hieß nach dem Krieg Varta, deren Batterien wohl in jedem bundesdeutschen Haushalt herumlagen. Klattens Vater Herbert nutzte später die Gewinne, an denen ziemlich viel Blut klebte, um BMW zu kaufen. Das hat Susanne Klatten und ihren Bruder wiederum zu Multimilliardären gemacht; in guten Jahren fließt ihnen jeweils pro Tag mehr als eine Million Euro Dividende zu. Susanne Klatten ist neben BMW noch Anteilseignerin von zahlreichen anderen Unternehmen.
Und was sagt sie im ersten Satz? „Ich bin Unternehmerin.“ Nein, sie ist Investorin, weil es auf Dauer ein bisschen langweilig ist, herumzusitzen und das anstrengungslos verdiente Geld zu zählen. Es folgen Floskeln in der Art, wie sie auch von Friedrich Merz stammen könnten: „Deutschland muss sein Geschäftsmodell neu denken.“ Dem sehr kontrollierten Interview ist anzumerken, dass es vorab sorgfältig abgesteckt und gründlich autorisiert wurde.
Ich frage mich, ob Susanne Klatten mal heimlich darüber nachgedacht hat, alles einfach hinzuschmeißen. Und ihr Geld den Gedenkstätten, auf denen die Opfer ihres Großvaters begraben liegen, und den Nachkommen der Überlebenden zu geben (schon klar, die Quandt-Firmen haben sich am Zwangsarbeiterfonds vor über 20 Jahren beteiligt, aber man kann ja nachlegen). Oder im Christoph-Schlingensief-Style auf dem Berliner Alexanderplatz niederzuknien, ihr Geld anzuzünden und ins Megafon zu schreien: „Ich befreie mich von meinem Blutgeld. Befreit mich von dem Blutgeld!“
Kann man Schuld erben?
Sie könnte für sich ein bisschen Handgeld von, sagen wir, 5 Millionen Euro behalten und ein Fischrestaurant an der Côte d’Azur eröffnen – und die besten Philosophinnen und Psychologen engagieren, die mit ihr die Frage diskutieren, ob man nicht nur Geld, sondern auch Schuld erben kann. Man weiß nicht, wie Susanne Klatten denkt, sie ist eine erschreckend gepanzerte Frau.
Ihr Bruder im Geiste in dieser Hinsicht ist Claus Weselsky, die wohl größte Nervensäge Deutschlands, die derzeit wieder groß aufdreht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde Gewerkschaften wichtig, das habe ich wohl mit der, äh, Vatermilch mitbekommen. Als mein Vater seine Heuer, also den Seemannslohn, mal nicht bekam, trat er in die Gewerkschaft ein, und schwups, war das Geld da.
Aber was Claus Weselsky, der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, derzeit von sich gibt, ist parolenhafter, simulierter Klassenkampf: „Die Beschäftigten haben die Messer schon gewetzt.“ Vor zwei Jahren, beim letzten GDL-Streik, meinte er einen „Vernichtungsfeldzug“ der Bahn gegen seine Gewerkschaft auszumachen.
Weselsky spielt seine Rolle
Am Ende wird es irgendeinen Kompromiss geben, und dann wird es wieder sehr still werden um Claus Weselsky: Nichts, aber auch nichts hört man abseits von Tarifrunden von ihm – gesellschaftliche Fragen wie Verteilungskonflikte über seine Lokführerschaft hinaus oder die Zukunft der Arbeit sind nicht so sein Ding. Andere Gewerkschaftschefs und -chefinnen sind da breiter aufgestellt. Claus Weselsky muss seine Rolle spielen, bis zuletzt – er geht nächstes Jahr in Rente.
Es müsste mal ein Doppelinterview mit Susanne Klatten und Claus Weselsky geben. No limits, keine Tabus. „Glauben Sie eigentlich das, was Sie sagen, Herr Weselsky?“ „Sehen Sie in Ihren Träumen die Toten, die Ihr Großvater auf dem Gewissen hat, Frau Klatten?“ Der Journalist, der wahrhaftige Antworten auf diese Fragen bekommt, hätte einen schönen Journalistenpreis verdient, aber bitte nicht den „Herbert-Quandt-Medienpreis“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche