Geiselnahme-Gedenken in Iran: Die Botschaft des Satans

Symbolträchtig ist der Ort noch immer. Vor über 34 Jahren stürmten iranische Studenten die damalige US-Botschaft in Teheran. Ein Besuch.

November 1979: Iranische Studenten klettern über die Mauern der US-Botschaft. Bild: dpa

TEHERAN taz | Das Gelände der ehemaligen US-Botschaft in Teheran ist umringt von einer vier Meter hohen Mauer. Der graue Putz ist großflächig bemalt. Eines der Wandbilder zeigt einen Revolver in den Farben des amerikanischen Sternenbanners, der ein traditionelles iranisches Muster stört. Ein paar Meter weiter grinst eine satanische Interpretation der Freiheitsstatue auf die Straße hinab. Gleich daneben läuft der iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini erhaben durch eine Wolke kleiner Blüten.

Hinter der Mauer stehen Wachtürme, auf denen mit Sturmgewehren bewaffnete bärtige Männer die vorbeilaufenden Passanten beobachten. Das Gebäude beherbergt heute die iranischen Revolutionsgarden.

Normalerweise ist die ehemalige Botschaft des „Großen Satans“ USA für Besucher geschlossen. Doch an diesem Tag im November öffnet die Anlage ausnahmsweise ihre Pforten. Schließlich steht der jährliche Feiertag bevor, an dem die Konservativen der Stürmung der Botschaft durch Studenten vor 34 Jahren gedenken. Wieder einmal werden Zehntausende Konservative an der Botschaft vorbeiziehen und „Tod den USA!“, „Tod Israel!“ skandieren – denn dieses Gebäude ist ein symbolischer Ort.

Genau hier hat die CIA im Jahr 1953 einen Staatsstreich gegen den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh orchestriert, um westlichen Konzernen die Kontrolle über das iranische Öl zu sichern. Genau hier haben religiöse Studenten 26 Jahre darauf 52 US-Diplomaten als Geiseln genommen und 444 Tage lang festgehalten, um von den USA die Auslieferung des Schahs in den Iran zu erzwingen.

Brennende Türme

Als wir das rote Backsteingebäude betreten, empfängt uns eine Freiheitsstatue aus Gips. Dort wo ihr Bauch sein müsste, sitzen zwei traurige Gipstauben hinter Gitterstäben. Gleich dahinter eine Fußmatte, auf der in Farsi und Englisch „Nieder mit den USA!“ zu lesen ist. Auf dem Weg in den ersten Stock kommen wir in ein Treppenhaus, das mit einem riesigen Graffiti dekoriert ist: die brennenden Zwillingstürme, ein aggressiv schauender GI und sehr viele Bomben.

So stellen sich also iranische Hardliner die jüngere Geschichte der USA vor. Am Ende der Treppe treten wir durch eine Stahltür in den ehemaligen geheimen Trakt des US-Auslandsgeheimdienstes CIA.

Schnell stoßen wir auf eine junge Frau im schwarzen Tschador, die bereits ein paar andere Touristen auf Englisch durch die Botschaft führt. Wir schließen uns an. Die Tour beginnt an einem Raum, der von oben bis unten mit Aluminiumfolie ausgekleidet ist. Darin befindet sich ein weitere Raum aus Glas, in der Mitte ein Tisch, an denen drei struppige Schaufensterpuppen mit Anzügen sitzen. „Hier hat sich der Botschafter mit seinen Geheimagenten getroffen“, erklärt die freundliche Tourleiterin und deutet auf den Plastikbotschafter. „Die Glaswände bestehen aus zwei Schichten, die mit Argon-Gas gefüllt waren, um ihn abhörsicher zu machen.“ Die Aluminiumfolie sei allerdings erst nachträglich angebracht worden, sagt sie.

Fälscherwerkstatt und Geheimdepeschen

Wir betreten eines der Büros. Auf einem großen Schreibtisch stehen alte Schreibmaschinen, Stempelhalter und Spraydosen, daneben Porträtfotos von freundlichen Amerikanern in senffarbenen Hemden mit riesigen Kragen. Was aussieht wie eine Lackiererei, ist eine Fälscherwerkstatt. „Hier wurden die Pässe für die Agenten gefertigt“, erläutert uns die Tourleiterin. Alles sieht so unberührt aus, als ob die Botschaftsmitarbeiter nur mal eben einen Kaffee in der Küche holen.

Der nächste Raum ist eher ein Safe mit einer massiven Stahltür. Ein darauf angebrachtes Schild erklärt, dass hier Geheimdepeschen gesendet und entschlüsselt wurden. „Die Tür konnte man nur mit einem Irisscanner öffnen“, sagt die junge Frau und deutet auf eine merkwürdige Apparatur, die in der Wand eingelassen ist. Wir sind erstaunt. Ist das wirklich alles aus dem Jahr 1979? „Ja. Schon damals hatten sie hier Computer und digitale Fotos. Und wer weiß, was sie heute alles haben. Vielleicht Tarnkappen, die unsichtbar machen. Vielleicht sind sie jetzt gerade hier.“ Wir lachen.

Unsere Tourleiterin macht die Führung sichtbar Spaß. Sie hat einen Abschluss in englischer Literatur, wo sonst kann sie ihre Sprachkenntnisse anwenden? Vor einer großen grauen Maschine halten wir inne: eine Abhöranlage. Sie haben die Telefongespräche der Leute belauscht, auch die vom Schah, obwohl der ja eigentlich proamerikanisch war“, erklärt sie. „Aber der Schah bemerkte es und forderte sie auf, das Abhören einzustellen. Die USA haben das zwar akzeptiert, aber trotzdem weitergemacht.“ Sie zuckt mit den Schultern.

Fernsehteams und Journalisten

Ob sie wohl weiß, dass die USA von der US-Botschaft in Berlin aus auch Angela Merkels Handy belauschen? Sie bejaht. „Es kommt jeden Tag in unseren Nachrichten.“ Geschichte wiederholt sich eben doch, denken wir. Erst jetzt bemerken wir, dass um uns herum mehrere Fernsehteams stehen, die Aufnahmen machen für den Jahrestag der Botschaftsstürmung. Ein Journalist interviewt eine etwa fünfzigjährige Frau, die ihren schwarzen Tschador mit beiden Händen festhält.

Nach dem Interview spricht sie uns an und erzählt uns ihre Geschichte. Nein, am Tag der Botschaftsstürmung sei sie nicht dabei gewesen, aber am Tag darauf zu den Studenten gestoßen, sagt sie. „Ich sollte die Geiseln bewachen. Ich weiß noch: An diesem Tag schneite es in Teheran und ich hatte ein Sturmgewehr.“ In ihrer Stimme liegt Stolz. Was haben denn ihre Eltern dazu gesagt, fragen wir. Schließlich war sie damals erst Anfang zwanzig. „Sie sind wütend geworden“, sagt sie.

„Aber wenn jemand dein Haus angreift, dann musst du dich doch verteidigen, oder?“ Wir fragen sie, was sie von den Amerikanern hält. „Ich hatte amerikanische Freunde, auch nach der Geiselnahme“, sagt sie. „Aber die US-Regierung? Das sind alles Terroristen. Sie unterstützen immer noch die Israelis dabei, die Palästinenser von ihrem Land zu vertreiben.“

Aufgespießte Köpfe

Nachdem wir uns von ihr verabschiedet haben, betreten wir einen „Propaganda-Raum“. Vor den Fenstern stürzt ein Hubschrauber aus Pappmaché in ein Flugzeug und explodiert in einem Meer aus Pappmachéflammen. Das soll die gescheiterte Rettungsmission der USA für die Geiseln im April 1980 darstellen.

Gleich daneben eine Lanze, auf die wie auf einer Kette vier abgetrennte Köpfe gespießt sind – ebenfalls aus Pappmaché. „Iranische Märtyrer.“ Unsere Tourleiterin verzieht keine Miene. Die Tour ist fast beendet. In einer Viertelstunde wird die ehemalige US-Botschaft ihre Türen wieder schließen, für eine lange Zeit. Eine letzte Frage wollen wir unserer Tourleiterin noch stellen, bevor wir uns verabschieden.

Wird es jemals wieder eine US-Botschaft im Iran geben? „Ich glaube nicht“, sagt sie in fließendem Englisch und lächelt. Sie weiß noch nicht, dass Präsident Hassan Rohani in wenigen Wochen anbieten wird, den USA die Botschaft zurückzugeben. Es wäre eine Geste mit Symbolkraft. Wo soll die Freundschaft beginnen, wenn nicht an dem Ort, an dem die Feindschaft angefangen hat?

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