Geheimnisverrat: Sinnlose Verfahren gegen freie Presse
Manche Veröffentlichungen aus dem BND-Ausschuss waren peinlich für die Regierung. Nun wird gegen 17 Journalisten ermittelt wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat. Doch es geht darum, die Informanten zu kriegen.
BERLIN taz In bisher unbekannter Breite ermittelt die Justiz derzeit gegen renommierte Journalisten, die über den BND-Untersuchungsausschuss berichtet haben. Nicht weniger als 17 Ermittlungsverfahren wurden gegen Berichterstatter der taz sowie von Spiegel, Süddeutscher Zeitung, Welt, Frankfurter Rundschau, Tagesspiegel und Zeit eingeleitet.
Allen wird Beihilfe zum Geheimnisverrat vorgeworfen, weil sie aus geheimen Akten des Ausschusses zitiert haben. Mitbetroffen ist Jens König, Chef des Parlamentsbüros der taz.
Er erfuhr erst aus dem ARD-Fernsehen, dass gegen ihn ermittelt wird. Offiziell wurde er noch nicht benachrichtigt. König hatte am 17. Februar einen Artikel über die Aussage von drei Geheimdienstbeamten im Ausschuss geschrieben. Es ging darum, ob die CIA Ende 2002 ein Angebot zur Freilassung des nach Guantánamo verschleppten Bremer Türken Murat Kurnaz gemacht habe. Die Vernehmung fand hinter verschlossenen Türen statt, das 139-seitige Wortprotokoll war geheim, lag König aber vor - und er referierte ausgiebig daraus.
"Die Arbeit von Journalisten darf nicht auf diese Art kriminalisiert werden." (Max Stadler, FDP, Mitglied im BND-Ausschuss des Bundestages)
"Ein grenzwertiger Vorgang." (Dieter Wiefelspütz, SPD-Bundestagsfraktion)
"Ein ungezielter Angriff auf die Pressefreiheit mit der Schrotflinte." (Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust)
"Ein breit angelegter Angriff auf die Pressefreiheit." (Michael Konken, Deutscher Journalisten-Verband)
"Offenbar sollen wieder Journalisten kriminalisiert werden, um den Informanten im staatlichen Bereich ausfindig zu machen." (Wolfgang Fürstner, Verband der Zeitschriftenverleger)
"Ein grober Rechtsbruch." (Deutsche Journalisten-Union) EPD, RTR
Wegen derartiger Berichte ermitteln jetzt die Staatsanwaltschaften in Berlin, Hamburg, Frankfurt Main und München. Die Ermittlungen richten sich in erster Linie gegen noch unbekannte Abgeordnete und Mitarbeiter des Bundestags, denn nur Amtspersonen können sich des Geheimnisverrats schuldig machen. Journalisten können dazu nur Beihilfe oder Anstiftung leisten - wenn sie dem Abgeordneten bei der Veröffentlichung eines Geheimnisses helfen oder ihn zum Geheimnisverrat sogar erst überreden. Die bloße Veröffentlichung eines geheimen Dokuments ohne Zusammenarbeit mit einem Amtsträger ist jedenfalls nicht strafbar.
Manche Veröffentlichungen aus den Akten waren für die Regierung peinlich. Klar wurde: Sie wollte Kurnaz nicht helfen, sondern alles tat, um seine Rückkehr nach Hause zu verhindern. Aber nicht jede Weitergabe geheimer Akten diente der Aufdeckung von Skandalen. "Es sind vor allem vonseiten der SPD-Fraktion Interna an die Presse gegeben worden, damit das Verhalten von Außenminister Steinmeier in einem besseren Licht erscheinen soll", sagt etwa Max Stadler, FDP-Mitglied im Ausschuss.
Die Strafverfahren konnten nur eingeleitet werden, weil Bundestagspräsident Norbert Lammert im April dazu die gesetzlich vorgeschriebenen "Ermächtigung" gab. Dazu war er Ende März vom Untersuchungsausschuss aufgefordert worden. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) hatte den Beschluss initiiert, weil er das Gefühl hatte, der Ausschuss sei "löchrig wie ein Schweizer Käse". Gegen den Beschluss stimmten Grüne und Linke. FDP-Mann Stadler gab nur eine bedingte Zustimmung: Die Ermächtigung sollte sich nicht auf die Strafverfolgung von Journalisten beziehen. Nach Ansicht der Bundestagsverwaltung ist eine derartige Einschränkung aber nicht möglich. Lammert gab die Ermächtigung zur Strafverfolgung deshalb unbeschränkt.
Die jetzt bekannt gewordenen Verfahren sind nicht die ersten, die der Ausschuss veranlasst hat. Bereits im Januar wurden mehrere Verfahren eingeleitet, etwa gegen den Stern-Journalisten Hans-Martin Tillack. Tillack hatte anhand geheimer Dokumente die Frage aufgeworfen, ob die Bundesregierung in die Verschleppung Khaled El Masris durch die CIA verwickelt war. Das Ermittlungsverfahren läuft noch. Durchsuchungen gab es keine, Tillack wurde nicht einmal von der Polizei befragt.
Ziel solcher Ermittlungsverfahren ist meist nicht die Bestrafung der Journalisten, sondern das Leck im Staatsapparat zu finden. Der Zugriff auf die Presse ist bequem. Bei der Durchsuchung von Redaktionsräumen hofft die Polizei dann Hinweise auf den Informanten zu finden. Eine Redaktionsdurchsuchung ist aber nur möglich, wenn der Journalist nicht Zeuge, sondern Beschuldigter ist. Vor allem deshalb wurden bisher Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat eingeleitet.
Seit dem 27. Februar dieses Jahres ist dieser Weg aber versperrt. Denn das Bundesverfassungsgericht hat auf Klage der Zeitschrift Cicero die Hürden für solche Redaktionsdurchsuchungen deutlich erhöht. Sie sind nur möglich, wenn es konkrete Anzeichen gibt, dass der Journalist mit dem Amtsträger beim Geheimnisverrat zusammengearbeitet hat. Die bloße Veröffentlichung eines geheimen Dokuments genügt nicht.
Ohne Möglichkeit zur Redaktionsdurchsuchung sind die Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten für die Staatsanwaltschaft uninteressant. "Nach dem Cicero-Urteil ist ein solches Verfahren Quatsch", sagte gestern der Hamburger Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger. Fragt sich nur, warum er die Verfahren dann nicht sofort eingestellt hat.
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