Geheime Abstimmung in AfD-Delegation: Maximilian Krah fliegt raus
Die AfD-Delegation hat Krah nicht aufgenommen und will nun wieder Teil der ID-Fraktion werden. Im Osten ist die AfD stärkste Kraft, auch im Westen stark.
Nach geschichtsrevisionistischen Aussagen Krahs ist die AfD kurz vor der Wahl aus der extrem rechten ID-Fraktion geflogen – ein Schritt, mit dem sich Marine Le Pen von den französischen Rechtsextremen des Rassemblement National (RN) innenpolitisch verharmlosen will mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen. Die Begründung aus der AfD für den nun erfolgten De-facto-Rausschmiss von Krah: Man wolle mit dem Schritt dem RN entgegenkommen.
Krah ging nicht ohne Kampfansage und kritisierte die Entscheidung, die unter dem Einfluss des Bundesvorstands getroffen wurde und die auch an der Basis umstritten sein dürfte, noch vor der Tür: „Ich halte es für das falsche Signal“, so Krah. Eine „Partei, die deutsche Interessen in Brüssel auch gegen die EU vertreten will, sollte sich nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antritt“, sagte er in die Kameras von Journalist*innen. Er werde mit „großem Interesse“ verfolgen, wie Verhandlungen mit dem RN geführt würden – „meine Meinung kennen Sie: sie werden scheitern“, so Krah grinsend.
Interessant ist: Der Zweitplatzierte Petr Bystron, gegen den es Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche gibt aufgrund seiner Beteiligung an einem prorussischen Desinformationsnetzwerk und mutmaßlichen Geldzahlungen aus dem Umfeld von Putin, darf Teil der AfD-Delegation werden. Zum Leiter der Delegation wurde René Aust gewählt, Höckes rechte Hand in Brüssel.
Stimmen von CDU, FDP und SPD
Bei der Europawahl ist die AfD bundesweit auf 15,9 Prozent gekommen und erhält damit 15 Sitze im EU-Parlament, ein Zuwachs um 4,9 Prozentpunkte. Sie ist zweitstärkste Kraft, im Osten, wo in diesem Jahr noch drei Landtagswahlen anstehen, ist die AfD sogar flächendeckend stärkste Kraft geworden: Hier kam die AfD in Brandenburg auf 27,5 Prozent, in Sachsen auf 31,8 Prozent in Thüringen auf 30,7 Prozent.
Eine interessante Erkenntnis aus Nachwahlbefragungen ist die Sicht der AfD-Wähler*innen auf die von ihnen gewählte Partei. 82 Prozent der AfD-Wähler sagen, dass es ihnen egal sei, dass die Partei „in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. Und auch die Selbstberuhigungsformel der Protestwahlthese geht nicht auf: Laut der Forschungsgruppe Wahlen wählen Anhänger der AfD diese nach eigenen Angaben zu 70 Prozent wegen ihrer „politischen Forderungen“ – nur 28 Prozent als „Denkzettel für andere Parteien“.
Hinzu gewonnen hat die AfD vor allem von CDU, SPD und FDP, also jenen Parteien, die sich zuletzt mit rechten Forderungen profilieren wollten. Erneut auch zeigte sich, dass hohe Zustimmung für die AfD kein Ostphänomen ist: Auch in Baden-Württemberg kam die Partei auf 14,7 Prozent, ebenso in Rheinland-Pfalz. Selbst in Schleswig-Holstein, wo die AfD bei der Landtagswahl 2022 noch rausflog, kam sie nun auf 12,2 Prozent.
David Begrich, Rechtsextremismusexperte aus Sachsen-Anhalt, sagte der taz: „Was mich am meisten schockiert, ist, dass es Leute gibt, die den Schuss noch immer nicht gehört haben oder nun mit den üblichen Reaktionsmustern um die Ecke kommen, wie: Baut die Mauer wieder auf.“ Das sei eine Ostdeutschlandprojektion, die das Problem der extremen Rechten in einen bestimmten Postleitzahlenbereich entsorge, so Begrich: „Das ist eine Entlastungs- und Distinktionsstrategie, die den Blick auf schmerzhafte Wahrheiten verstellt.“
Verfassungsschutz schreckt Wähler nicht ab
Die extreme Rechte erprobe Strategien im Osten, die sie letztlich auch im Westen anwenden werde. Und die westdeutschen Mechanismen zur Zurückdrängung der AfD seien gescheitert: Der Verfassungsschutz schrecke nicht ab, ebenso wenig die Skandalisierung.
Begrich benennt fünf konkrete Lehren, die daraus folgen müssen: Die AfD und ihre politische Kommunikation dürften nicht länger den politischen Diskurs dominieren, demokratische Kräfte müssten sich radikal abgrenzen. Der „Fatalismus des verlorenen Ostens“ müsse aufgegeben werden, stattdessen Sichtbarkeit für die unterschiedlichen Aspekte der Zivilgesellschaft im Osten hergestellt werden. Demokratisches Engagement im Osten funktioniere über die Klein- und Mittelstädte und müsse von den ländlichen Räumen, Einzelpersonen und ihren Netzwerken her gedacht werden.
Weiter müsse man die politische Bildung stärken, aber diese müsse auf dem Horizont ostdeutscher Erfahrungen und Demokratiegeschichte fokussieren. „Die Grundgesetzparty in Berlin hilft dabei nicht weiter, solange die ostdeutsche Demokratiegeschichte irgendwo in der Besenkammer verschlossen ist“, so Begrich.
Mit das Wichtigste sei nun aber, konkret Solidarität zu organisieren, sagt er: „Seit 1990 haben 1,3 Millionen Menschen Ostdeutschland in Richtung Westen verlassen, die dort Zivilgesellschaft, Demokratie und Wirtschaftswachstum stärken. Deren Solidarität brauchen wir jetzt.“
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