Geheimdienstexperte zu Überwachung: „Die NSA ist kein Vorbild“

Der CDU-Polizei- und Geheimdienstexperte Clemens Binninger findet Massenüberwachung für deutsche Sicherheitsbehörden nicht interessant.

„Es kommt auf die Qualität der Informationen an“, meint Clemens Binninger. Polizeikamera zur Verkehrsüberwachung. Bild: imago / chromorange

taz: Herr Binninger, ist die Empörung über die NSA vielleicht nur ein Übergangsphänomen? Werden uns deutsche Sicherheitsbehörden bald erklären, dass die NSA doch recht hat mit ihrem Ansatz, möglichst viele Informationen möglichst lange zu speichern?

Clemens Binninger: Nein, da kann ich Sie beruhigen, dazu wird es in Deutschland nicht kommen. Die Arbeitsweise der NSA ist für uns kein Vorbild. Nicht nur aus datenschutz- und verfassungsrechtlichen Gründen. Vielmehr kann man die Strategie der NSA aus der Sicht von Sicherheitsbehörden auch kritisch hinterfragen.

Warum? Wollen Sie nicht wissen, wenn jemand dreimal in fünf Jahren in einem Flugzeug saß, in dem andere Passagiere ein Handy nutzten, das vorher jeweils in einem Krisengebiet gestohlen wurde? Ist es nicht verlockend, so viele Informationen zu haben, dass man jedes verdächtige Verhalten gleich erkennt?

Nein, das ist, wenn überhaupt, nur auf den ersten Blick verlockend. Wenn man mit Hochleistungsrechnern aus einem Yottabyte Daten hundert potenziell „Verdächtige“ herausfiltert, ist man dann auch gezwungen, mit hohem Personalaufwand die „Gefährlichkeit“ dieser Personen aufwändig zu überprüfen, mit völlig offenem Ausgang und möglicherweise ohne Ergebnis am Ende.

Mehr Verdächtige – mehr Erfolge. Wo sehen Sie da das Problem?

Ich störe mich daran, dass bei solch riesigen, zunächst undifferenzierten Datenmengen der Computer den Verdacht generiert, der sich am Ende dann als irrelevant erweist, seine Überprüfung aber Personal und Zeit gekostet hat. Datenmengen zu überprüfen, macht meines Erachtens nur Sinn, wenn man weiß, wen oder wonach man sucht, und dies auch rechtlich begründen kann.

Die Behörden würden mehr Personal fordern …

Auch Personalverstärkungen lösen dieses Problem nicht, denn auch die Datenmengen steigen. Sprich: Der Heuhaufen wird größer, aber man weiß nicht mal, ob überhaupt eine Nadel darin ist.

51, CDU-Politiker aus Böblingen (Baden-Württemberg), sitzt seit 2002 im Bundestag. Seit Jahresbeginn ist er dort Vorsitzender des Parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollgremiums. In der vorigen Legislatur saß er im NSU-Untersuchungsausschuss. Zuvor war Binninger fast zwanzig Jahre Streifenpolizist und Kommissar in Freibur.

Was ist Ihre Alternative?

Es kommt auf die Qualität der Informationen an und darauf, wie damit umgegangen wird, nicht auf die Menge. Dass Anschläge nicht verhindert werden konnten – 9/11 und Boston-Marathon – lag nicht daran, das es im Vorfeld keine Informationen über die Täter gegeben hätte, sondern dass sie nicht genutzt, übersehen oder falsch bewertet wurden. Für mich ist deshalb der personenbezogene Ansatz der richtige. Es gilt, Terrorverdächtige und ihr Umfeld im Blick zu haben. Auf deren Daten kommt es an: Mit wem telefonieren sie, wohin reisen sie, wohin fließt Geld. Wer sich auf die bekannten Gefährder und ihre Kontakte konzentriert, nutzt staatliche Ressourcen effizienter als derjenige, der die Nadel im Heuhaufen sucht.

Ist das nur Ihre Meinung oder ist es Common Sense in deutschen Sicherheitsbehörden, dass die NSA kein Vorbild ist?

Was uferlose Datensammlung betrifft, kenne ich niemand in Deutschland, der das als Vorbild möchte.

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