Geheimdienstaffäre in Luxemburg: Juncker tritt zurück
Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker hat seinen Rücktritt angekündigt und Neuwahlen vorgeschlagen. Unklar ist, ob er noch einmal antritt.
BRÜSSEL rtr | In Luxemburg tritt die Regierung von Ministerpräsident Jean-Claude Juncker zurück. Er wolle der Forderung seines Koalitionspartners nachkommen und vorgezogene Parlamentswahlen ansetzen, sagte Juncker am Mittwochabend nach einer hitzigen Debatte im Parlament. Er werde das Kabinett am Donnerstag um 10.00 Uhr einberufen und danach dem Staatsoberhaupt Neuwahlen vorschlagen.
Damit zog der 58-Jährige die Konsequenz aus einem Geheimdienstskandal. Der sozialdemokratische Koalitionspartner hatte Juncker wegen der Affäre zu dem Schritt gedrängt. Nun steuert das Großherzogtum auf Neuwahlen binnen drei Monaten zu. Regulär wäre das Parlament erst im Mai 2014 neu gewählt worden. Unklar blieb, ob Juncker bei der Wahl erneut antreten wird.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hatte dem seit 18 Jahren regierenden Juncker mangelnde Aufsicht über den Nachrichtendienst vorgeworfen. Dem werden unter anderem illegale Abhöraktionen gegen Politiker und Schmiergeldzahlungen zur Last gelegt.
Auch der sozialdemokratische Koalitionspartner stimmte im Ausschuss gegen Juncker, der dienstältester Ministerpräsident in der Europäischen Union ist. Damit war das vorzeitige Ende der Koalition aus Junckers Christlich-Sozialer Volkspartei (CSV) und den Sozialdemokraten programmiert.
Politische Verantwortung
Das Plenum des luxemburgischen Parlaments erörterte die Affäre in einer Marathondebatte. Dabei forderte der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Alex Bodry, Juncker auf, die politische Verantwortung für die Missstände im Geheimdienstapparat zu übernehmen und dem Staatsoberhaupt vorgezogene Parlamentswahlen vorzuschlagen. Juncker lehnte in seiner ausgedehnten Rede einen Rücktritt zunächst ab und bezeichnete sich als unschuldig.
Junckers Partei ist in dem kleinen, aber wohlhabenden Land die dominierende politische Kraft: Mit einer Ausnahme hat die CSV seit dem Zweiten Weltkrieg jeden Ministerpräsidenten gestellt. Der 58 Jahre alte Juncker war auch lange Jahre Chef der einflussreichen Euro-Gruppe, also so etwas wie der Vorsitzende der Finanzminister der Länder aus der Euro-Zone.
Juncker war 2007 selbst Opfer der Machenschaften des von ihm kontrollierten Nachrichtendienstes geworden: Der damalige Geheimdienstchef Marco Mille zeichnete mit einer verwanzten Uhr ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind