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Geheimdienst in SüdkoreaZur Flucht aus Nordkorea gezwungen

Zwölf Kellnerinnen flohen 2016 aus Nordkorea. Jetzt enthüllt ein Ex-Agent Südkoreas, dass es eine Entführung war.

Flüchtlinge aus Nordkorea feiern im Süden das koreanische Neujahrsfest, 20. Februar 2018 Foto: ap

SEOUL taz | Für die heute in Haft sitzende Ex-Präsidentin Park Geun Hye war es ein Coup in ihrer sonst von innenpolitischen Skandalen und Krisen überschatteten Amtszeit: Im April 2016 verkündete ihre konservative Regierung in Seoul, dass zwölf Kellnerinnen und der Manager eines nordkoreanischen Restaurants aus dem chinesischen Ningbo nach Südkorea geflohen sind.

Die Flucht galt als politisch brisant, denn schließlich gehören Angestellte nordkoreanischer Staatsrestaurants im Ausland in der Regel der Elite an. Die meisten Medien deuteten denn auch die Flucht als Indiz, dass selbst unter Angehörigen hochrangiger Parteikader die Loyalität zu Kim Jong Un schwindet.

Heute nimmt die Geschichte nun eine thrillerartige Wendung: „Es war eine Entführung. Ich weiß das, weil ich sie selber ausgeführt habe“, sagte Ex-Restaurantmanager Huh Kang Il kürzlich Südkoreas TV-Sender JTBC.

Eine der Kellnerinnen, sagt anonym und verpixelt im gleichen Beitrag: „Ich möchte nach Hause. Das hier ist nicht das Leben, das ich mir vorgestellt habe.“ Als Beleg der Echtheit der Identitäten verweist der Sender auf die nordkoreanischen Reisepässe.

Wer glaubt schon Nordkorea?

Nordkorea behauptete schon 2016, seine Staatsbürgerinnen seien gegen ihren Willen ins Ausland gebracht worden. Von den meisten Beobachtern inklusive der internationalen Presse wurde dies als unhaltbarer Vorwurf abgetan: Wer wollte schon freiwillig nach Nordkorea zurück?

Dabei gibt es unter den 30.000 Nordkoreanern im Süden jedes Jahr ein Dutzend freiwilliger Rückkehrer. Oft spielen finanzielle Schulden eine Rolle oder der Wunsch, gegen Lebensende noch einmal die Heimat zu betreten.

Flüchtlinge werden in Nord- wie in Südkorea propagandistisch instrumentalisiert

Ältere Flüchtlinge haben auch Probleme, sich in Südkoreas äußerst kompetitiven Gesellschaft zu integrieren. Statistiken legen nahe, dass die Hälfte der Flüchtlinge unter Depressionen leidet. Oft hatten sie unrealistische Erwartungen an ihr Leben im Süden.

Rückkehrern drohen nicht wie im Süden angenommen grundsätzlich hohe Gefängnisstrafen in Nordkorea. Schließlich bieten sie dem Regime einen hohen Propagandawert.

Flüchtlinge dienen der Propaganda

In Fernsehbeiträgen werden sie gedrängt, „Reue“ zu zeigen und die „Überlegenheit“ des nordkoreanischen Systems zu bezeugen. Doch auch südlich des 38. Breitengrads, der die Koreas trennt, werden die Flüchtlinge oft politisch instrumentalisiert.

Im Fall der Kellnerinnen äußerten vor allem linksgerichtete südkoreanische Zeitungen leise Zweifel an Seouls offizieller Sichtweise.

Viele Fragen blieben schließlich offen: Wieso wurden Menschenrechtsanwälten der Zugang zu den Nordkoreanerinnen verweigert? Weshalb dauerte die gefährliche Flucht von China über Südostasien nur zwei Tage statt wie sonst mehrere Wochen? Wieso machten die Behörden den Fall umgehend öffentlich, wo sonst mit Verweis auf die Sicherheit der Angehörigen in Nordkorea Stillschweigen vereinbart wird?

Vor allem der Zeitpunkt kam verdächtig vor: Nur wenige Tage später fanden in Südkorea Parlamentswahlen statt. Die konservative Partei war intern zerstritten und brauchte einen Erfolg. Früher hatte sie immer die Nordkorea-Karte ausgespielt, um ihre Kernwählerschaft zu mobilisieren.

Laut Restaurantmanager Huh steckte Südkoreas Geheimdienst hinter der erzwungenen Flucht: 2014 heuerte Huh dort als verdeckter Spion an, nachdem Kim Jong Un bei einer Säuberungswelle fünf seiner Ex-Klassenkameraden hingerichtet habe.

Geheimdienst besteht auf „Flucht“ der Kellnerinnen

Zwei Jahre später jedoch drohte Huhs Informantentätigkeit aufzufliegen. Mithilfe seines Kontaktmanns wollte er nach Südkorea fliehen. Der jedoch bestand darauf, dass er sein Personal mitnimmt.

„Er hat mir gedroht, mich an Nordkoreas Botschaft zu verraten“, behauptet der Ex-Spion. Die Kellnerinnen hätten bis zur Einfahrt von Südkoreas Botschaft im malaysischen Kuala Lumpur gedacht, sie würden zu einem neuen Restaurant versetzt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Südkoreas Geheimdienst politisch manipuliert. Im Wahlkampf 2013 ordnete der Geheimdienstchef an, mit gefälschten Twitter-Profilen die spätere Präsidentin Park Geun Hye zu unterstützen.

Ihr Vater, Park Chung Hee, hatte in den 1960er Jahren den Geheimdienst zum brutalen Überwachungsapparat aufgebaut. Kritiker sagen, der habe sich bis heute nicht ausreichend reformiert.

Ein Deutscher, der in den 1990er Jahren eine parteipolitische Stiftung in Seoul geleitet hat, sagt mit Verweis auf Anonymität: „Wann immer wir von einer Delegationsreise aus dem Norden in den Süden zurückkamen, verfolgten uns Geheimdienstmitarbeiter die nächsten Wochen auf Schritt und Tritt. Teilweise fühlten wir uns stärker überwacht als in Nordkorea“.

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1 Kommentar

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  • Zitat: "Es wäre nicht das erste Mal, dass Südkoreas Geheimdienst politisch manipuliert."

     

    Um so erstaunlicher, dass auch die "internationale[] Presse" (who the fuck...?) den Vorwurf, die 12 Kellnerinnen seien gegen ihren Willen ins Ausland gebracht worden, "als unhaltbarer Vorwurf abgetan" hat. Hatten die alle keine Lust, keine Zeit oder kein Geld, ernsthaft zu recherchieren?

     

    Ich schätze mal, man muss von Kindesbeinen an in einer "äußerst kompetitiven Gesellschaft" sozialisiert worden sein, um sich zu fragen, "wer schon […] freiwillig nach Nordkorea zurück[wollen sollte]". Vor allem, wenn man nicht in Nordkorea aufgewachsen ist. Für jeden anderen muss eigentlich schon länger klar sein, dass nichts unmöglich ist. Menschen können alles wollen. Auch solche Sachen, die nicht sofort für jeden nachvollziehbar sind.

     

    Ich persönlich beispielsweise ärgere mich bis heute über meine "Entführung" in die Bundesrepublik. Nicht, dass ich die DDR nicht auch satt gehabt hätte bis OK Unterlippe. Aber mit der Scheinheiligkeit und dem allgemeinen Säbelwetzen in der angeblich besonders freiheitlichen westlichen Konkurrenz- und Konsumgesellschaft werde ich vermutlich bis an mein Lebensende ein Problem haben.

     

    Eigentlich will ich gar nicht konkurrieren. Schon gar nicht um den maximal möglichen Konsum. Vor allem nicht mit unfairen oder solchen Leuten, die im Grunde keine Chance haben gegen mich. Es hat mich nie jemand gefragt. Ich musste einfach mit. Wenn man dem Manager denn glaubt, ist es Huh Kang Ils Kellnerinnen ebenso ergangen.

     

    Übrigens: Man hat mehrfach versucht, mich davon zu überzeugen, dass ich unter Depressionen leide. Erfolglos. Ich gebe zu: Meine Stimmung ist manchmal etwas gedrückt, mein Antrieb punktuell gehemmt, was meiner Leistungsfähigkeit nicht sonderlich bekommt. Allerdings kann wohl kaum jemand behaupten, ich hätte das Interesse am Leben, mein Selbstwertgefühl oder mein Einfühlungsvermögen eingebüßt. Genau deswegen hadere ich ja mit dem Da-Sein hier im Westen.