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Geflüchteten in Bulgarien droht ArmutAbschiebungen ins Elend gestoppt

Niedersachsen wird Menschen nicht mehr in eine drohende Obdachlosigkeit nach Bulgarien abschieben. Das gilt so lange, bis die Zustände besser sind.

Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit: Geflüchtete in Bulgarien 2013 Foto: dpa

Hannover taz | Menschen, die in Bulgarien bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden, schiebt das Land Niedersachsen nicht mehr dorthin ab. Der Grund ist, dass den Menschen, die in das südosteuropäische Land zurückkehren müssen, Obdachlosigkeit und Verelendung droht. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hatte schon im Januar geurteilt, dass die Abschiebungen rechtswidrig seien.

Nun hat das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgewiesen. Das Abschiebungsverbot ist damit rechtskräftig und wird erst aufgehoben, wenn sich die Zustände verbessern.

Asylanträge von Menschen, die bereits in einem sicheren Drittland Asyl bekommen haben, sind in Deutschland unzulässig. Die Betroffenen werden in der Regel zurückgeschickt. Bei dem Prozess im Januar hatte ein Syrer gegen seine drohende Abschiebung nach Bulgarien geklagt. Er war 2014 nach Europa geflohen und wurde von den bulgarischen Behörden im Oktober 2014 als Flüchtling anerkannt. Er reiste jedoch weiter und stellte in Deutschland erneut einen Asylantrag, der abgelehnt wurde.

Das Oberverwaltungsgericht sah in Bulgarien jedoch so „grundlegende Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen“, dass die Annahme berechtigt sei, „dass dem Kläger bei seiner Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“ drohe.

Gefahr der Verelendung

Anerkannte Flüchtlinge hätten in der Regel keinen Zugang zu Wohnraum, heißt es in der Urteilsbegründung – insbesondere, wenn sie die staatlichen Unterkünfte schon einmal verlassen hätten. Auch auf dem freien Wohnungsmarkt hätten die Menschen kaum eine Chance.

Das Ganze ist ein Teufelskreis. Ohne Unterkunft könnten sich die Geflüchteten nicht arbeitslos melden und über das Jobcenter Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Das berge „zugleich die Gefahr der Verelendung, da auch kein Zugang zu Sozialhilfe besteht“, schreibt das Gericht. Es sprach daraufhin ein grundsätzliches Abschiebungsverbot aus. Die Oberverwaltungsgerichte anderer Bundesländer haben die Situation in Bulgarien anders bewertet. Das Bamf prüft nun die Beschlüsse.

Bemerkenswert: Es waren eben solche, durch Interventionen der Bremer Bamf-Leiterin Ulrike B. verhinderte Abschiebungen von jesidischen Familien nach Bulgarien, die zunächst den Präsidenten der Region Hannover, Hauke Jagau (SPD), und dann den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) selbst veranlasst hatten, sich über die Bremer Außenstelle des Bamf in der Nürnberger Zentrale zu beschweren.

Seehofer in der Pflicht

Ulrike B. hatte mit ihrem Eingreifen Negativbescheide der Bamf-Außenstellen Friedland und Oldenburg, die diese Abschiebungen androhten, überschrieben. Im dramatischsten Fall wurde damit die Ab­schiebung einer sechsköpfigen irakisch-jesidischen Familie nach Bulgarien erst auf dem Flughafen kurzfristig gestoppt. Die Beschwerden von Regionspräsident Jagau und Pistorius hatten erheblich zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen B. und mehrere niedersächsische Anwälte beigetragen.

Niedersachsen will das aktuelle Abschiebungsverbot achten. Es seien sechs Menschen bekannt, bei denen eine Abschiebung nach Bulgarien bevor gestanden habe, heißt es aus dem Innenministerium. Wie viele Menschen darüber hinaus betroffen sind, ist unklar. Sie alle würden nun vorerst geduldet. „Nach längerer Aufenthaltsdauer“ könne sich für sie auch eine Bleibeperspektive entwickeln, sagt Ministeriumssprecherin Svenja Mischel.

Die Situation verdeutliche, dass Bulgarien verpflichtet werden müsse, anerkannten Flüchtlingen eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Pistorius nimmt dafür seinen Berliner Amtskollegen Horst Seehofer (CSU) in die Pflicht: „Ich fordere den Bundesinnenminister auf, auf allen Ebenen darauf hinzuwirken dass sich etwas in Bulgarien ändert.“

Dauerhafte Bleibeperspektive gefordert

Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hält das für richtig. „Es wäre fatal, wenn es über diesen Weg eine Sogwirkung geben würde“, sagt er. Wenn die Geflüchteten wüssten, dass sie nur nach Deutschland kommen müssten und dann nicht mehr in andere europäische Länder zurück geschickt werden könnten, würde die Dublin-Regelung ausgehebelt. „Alle müssen die Standards einhalten.“

Der niedersächsische Flüchtlingsrat sieht Probleme in weiteren EU-Staaten. „Zumindest für Ungarn muss das Innenministerium ebenfalls ein offizielles Abschiebeverbot prüfen“, sagt Sigmar Walbrecht. „Auch von dort haben wir haarsträubende Berichte gehört.“ Geflüchtete landeten nicht nur auf der Straße, sie seien auch von rassistischen Angriffen bedroht.

Für die Menschen, die von dem Abschiebungsverbot nach Bulgarien betroffen sind, fordert Walbrecht, dass sie eine dauerhafte Perspektive in Deutschland bekämen. „Sie müssen sich hier ein Leben aufbauen können.“

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7 Kommentare

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  • Sicher klingt das jetzt zynisch.



    Doch die Frage sei erlaubt. Bei der grundsätzlich ablehnenden Haltung der bulgarischen Regierung, welchen Grund hätten sie denn, die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge ins Positive zu ändern, wenn doch das herrschende Niveau garantiert, dass keine Abgeschobenen mehr aus Deutschland kommen?

    • @Trabantus:

      Gegenfrage.

      Sie leben sicherlich nicht grundlos in einem Rechtsstaat?

      unterm------



      btw - es wäre gut - wenn die Exekutive in Bund&Ländern verfassungskonform



      Die in Wahrheit von Karlsruhe & folgend die Fachgerichte - die aus dem Grundgesetz zwingend abgeleiteten Standards zur rechtsstaatlich zwingenden Grundlage ihrer Entscheidungen machen würden.

      Statt immer wieder - rechtsblind - mit eben diesen Standards - "Fußball zu spielen."

      kurz - “Politiker sind keine Juristen.



      Auch wenn sie zwei juristische Staatsexamen haben!"



      Bernhard Schlink.



      (Der sicher einst nicht angenommen hat - wie brutal richtig er damit noch liegen würde!



      Normal.)

      &



      Ganz banal gesprochen - Ist es in dieser grundgesetzverfaßten Republik Deutschland - der staatlichen Gewalt qua Grundgesetz verboten - Menschen sehenden Auges in menschunwürdige Zustände - wo auch immer - hin abzuschieben. Punkt.



      &



      EndeGelände

      • @Lowandorder:

        Heben Sie meine Frage überhaupt gelesen?



        Mit welcher Formulierung stelle ich denn den deutschen Rechtsstaat und seine Entscheidung in Frage?



        Calm down.

        • @Trabantus:

          Lesen hilft.

          Hab ich doch gar nicht behauptet.



          Nur - Ihre Frage stellt sich halt nicht.



          bzw - liegt neben der Sache.



          Zäumt - absichtsvoll - das Pferd von hinten auf. Newahr. Normal.



          &



          Ist - mit Verlaub populistisch.

          • @Lowandorder:

            Wozu dann die Belehrung im letzten Absatz zu Banalem?



            Und wie sind denn bei Ihnen die anderen Klatschen beschriftet außer der, auf welcher "populistisch" steht? ;-)

            • @Trabantus:

              Ja wie?

              “Wozu dann die Belehrung im letzten Absatz zu Banalem?“

              Nich zu Banalem!



              “Einfach gesprochen/gesagt - bedeutet‘s!“ Gellewelle.



              &



              “Klatschen“ - vulgo 'einfach gestrickte Übersetzungen' - ;) - benutz ich nie.



              Das überlass ich gern Populisten!



              Deswegen heißen die ja auch so. Woll.



              Normal. …servíce!;)

  • Bitte beim Zitat von Gerichtsentscheidungen das Datum und das Aktenzeichen angeben.

    Im vorliegenden Fall ist wohl der Beschluss vom 08.08.2018 - BVerwG 1 B 25.18 - über die Abweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde des BAMF gegen das Urteil des OVG Lüneburg vom 31.01.2018 - AZ: OVG 10 LB 87/17 - gemeint.

    In dieser Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht zur Situation in Bulgarien geäußert, sondern dargelegt, dass der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliege. Tatsachenfragen - mögen sie auch von grundsätzlicher Bedeutung sein - reichen nach geltender Rechtslage für die Zulassung einer Revision nicht aus.

    Das BVerwG hat (Randziffer 10) betont, dass Art. 3 EMRK weder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen enthalte noch begründe Art. 3 EMRK eine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (unter Hinweis auf EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 249).

    Interessant ist bzgl. des BAMF die Feststellung des Gerichts: "Die Behörde muss kraft Unionsrechts angemessen ausgestattet sein und über kompetentes Personal in ausreichender Zahl verfügen." (Rz. 21). Daran scheint es zu mangeln. Und nun? Stellen schaffen und ausbilden, Haushaltsgesetzgeber!