Geflüchteten-Aufnahme in Kommunen: Belastet, aber nicht überlastet
Eine Untersuchung zeigt, wo und warum die Aufnahme von Ukrainer*innen gut gelang. Behörden, die aus 2015 gelernt haben, hatten weniger Probleme.
Laut den Autoren der Untersuchung, dem Sozialwissenschaftler Boris Kühn und dem Tübinger Flüchtlingskoordinator Julian Schlicht, gelang die Aufnahme dort vergleichsweise gut, wo die Behörden aus den Erfahrungen von 2015 gelernt hatten, als zuletzt sehr viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. Eine Rolle spielte außerdem, ob die damals etablierten Strukturen in Verwaltung und Aufnahmeeinrichtungen zwischenzeitlich wieder abgebaut wurden, oder ob sie beibehalten wurden. Es ergebe Sinn, Notfallkapazitäten dauerhaft vorzuhalten.
Zu bewältigen war die Unterbringung der Ukrainegeflüchteten auch deshalb, weil die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung sehr groß gewesen sei und Behörden das an vielen Orten zu nutzen wussten. „Proaktives“ Vorgehen der Kommunen, habe hier oftmals zum Erfolg geführt, so Kühn. Er berichtete von einer Kommune, bei der die Verwaltungsbeamt*innen „ausgeschwärmt“ seien, um private Wohnungen ausfindig zu machen, die für die Unterbringung von Geflüchteten angemietet werden konnten.
Vergleichsweise wenig Vorurteile
Geholfen habe auch, dass die Ukrainer*innen sich im Gegensatz zu anderen Geflüchteten selbstständig ihren Wohnort innerhalb Deutschlands aussuchen konnten. Deutschlandweit sei so ein Großteil der Ukrainegeflüchteten direkt im freien Mietmarkt zu einer Wohnung gekommen oder zumindest in staatlich organisierten Privatwohnungen untergekommen. Nur rund 250.000 Ukrainer*innen seien in klassischen staatlichen Unterkünften eingezogen.
Kühn sagte aber auch: „Wir können nicht für alle künftigen Krisen- und Fluchtsituationen von einer ähnlichen Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ausgehen.“ Die große Aufnahmebereitschaft im Fall der Ukrainer*innen habe auch damit zu tun, dass viele Menschen die Ukraine als kulturell ähnlich zu Deutschland ansehen und deshalb vergleichsweise wenig Vorurteile bestünden. Außerdem seien vor allem Frauen gekommen, die von vielen Menschen als vertrauenswürdiger angesehen werden, als die Männer, die sonst oft große Teile von Fluchtbewegungen ausmachen.
Über den Winter hatten insbesondere CDU-regierte Kommunen immer wieder geklagt, mit der Aufnahme der Ukrainer*innen finanziell und organisatorisch überlastet zu sein. Die Bundesregierung hatte es zunächst abgelehnt, mehr Geld dafür bereitzustellen. Anfang Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz dann aber einmalig 1 Milliarde Euro extra zugesagt und auch Verschärfungen in der Asylpolitik in Aussicht gestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Unterbringung und Versorgung
Geflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich