Geflüchtete über Camp in Samos: „Wir wurden von Ratten gebissen“
Eine schwangere Geflüchtete aus Ghana wirft den Behörden komplette Ignoranz vor. Sie hat jetzt erfolgreich in Straßburg geklagt.
taz: Sie leben seit zwei Monaten in dem überfüllten Flüchtlingscamp auf Samos und haben beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit Erfolg eine Beschwerde wegen Ihrer Lebensbedingungen eingereicht. Warum?*
T. M. H.: Weil ich nicht verstanden habe, wie das möglich ist, was hier mit uns passiert. Wir sind gekommen, weil wir Hilfe brauchten. Aber wir wurden von den Behörden ignoriert. Wir haben nach der Registrierung keinen Schlafplatz bekommen, nicht einmal eine Decke. Wir mussten mit unserem letzten Geld von anderen Flüchtlingen ein Zelt mit Löchern kaufen und neben dem überfüllten Lager schlafen. Mein Mann, mein Bruder und ich, auf einer Matratze. Es hat reingeregnet, wir wurden von Moskitos und Ratten gebissen. Ich konnte nächtelang nicht schlafen, und das als Schwangere.
25, stammt aus Ghana und ist nach Griechenland geflüchtet. Sie möchte anonym bleiben, da sie Nachteile für sich und ihre Familie befürchtet.
Ist es Ihr erstes Kind?
Ja, ich bin im neunten Monat. Was für ein Leben ist das? Wir haben uns im Lager beschwert. Sie haben gesagt, sie schauen sich das an, aber sie sind nie gekommen. Denken sie, sie können uns so behandeln, weil wir schwarz oder Flüchtlinge sind? Das dürfen sie nicht.
Ihre Beschwerde richtete sich unter anderem gegen „erniedrigende Behandlung“ und „unangemessene Verpflegung“. Was bedeutet das?
Ich bin eine Christin, ich darf nicht lügen, ich sage die Wahrheit. Für das Essen musste man sich stundenlang anstellen, was ich nicht kann, und das Essen war wirklich schlecht. Wir haben für den ganzen Tag eine kleine Flasche Wasser pro Person bekommen. Ich muss als Schwangere viel trinken, ich hätte fünf oder sechs kleine Flaschen gebraucht. Ich wünschte, die Richter würden ohne Vorankündigung nach Samos kommen und sehen, wie wir behandelt werden und wie die Menschen hier leben. Manche werden hier verrückt, andere sterben.
Kaum ein Flüchtling wehrt sich gegen die Bedingungen auf den Ägäis-Inseln. Sie haben es getan. Wie kam es dazu?
Nach unserer Ankunft im August haben Freiwillige einen Workshop gemacht und uns auf das Asylverfahren vorbereitet. Unter ihnen war ein deutscher Jurist. Ich habe mir eine Nummer von der Gruppe eingeben lassen und sie per WhatsApp gefragt, ob es eine Möglichkeit der Klage gibt. Wir haben diese im September vorbereitet und im Oktober eingereicht.
Was haben Sie in Ghana getan?
Ich war Lehrerin an einer Grundschule in Kumasi.
Das Flüchtlingscamp auf Samos ist der dritte von sechs sogenannten Hotspots, die die EU zwischen Oktober 2015 und Juni 2016 eröffnet hat. In dem Lager auf Samos leben derzeit rund 5.700 Menschen – rund die Hälfte davon sind Frauen und Kinder. Plätze hat es nur für 648. Die meisten Menschen wohnen derzeit auf den Feldern rund um das Camp, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kleinstadt Vathy. (taz)
Warum haben Sie das Land verlassen?
Mein Mann und mein Bruder haben Schwierigkeiten bekommen, Menschen wollten ihnen etwas antun. Wir sind im Juni aufgebrochen und über Togo und Niger in die Türkei gekommen. Dort haben wir ein Boot bestiegen und sind am 19. August auf Samos angekommen.
Wie leben Sie jetzt?
Der Bescheid des EUGMR ist am Dienstag vergangener Woche ergangen. Am Freitag konnten wir in ein Ein-Zimmer-Appartement in Vathy auf Samos umziehen. Dort wohne ich jetzt mit meinem Mann.
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