piwik no script img

Geflüchtete in HamburgNur Ukrai­ne­r:in­nen erwünscht

Hamburg will in den Geflüchtetenunterkünften Platz für Ukrai­ne­r:in­nen schaffen. Aus einer Unterkunft müssen dafür andere Schutzsuchende ausziehen.

Um Ukrai­ne­r:in­nen zu helfen, müssen andere Geflüchtete weichen Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | In einer Geflüchtetenunterkunft im Norden Hamburgs dürfen in Zukunft nur noch ukrainische Geflüchtete wohnen – alle anderen müssen ausziehen. Das geht aus einem Offenen Brief des „Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen“ (BHFI) hervor, mit dem es sich vergangene Woche an die Hamburgische Bürgerschaft gewandt hatte.

Es beruft sich auf die Neuverhandlungen der sogenannten „Bürgerverträge“ zwischen der Stadt und der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“. In dieser ist die ausschließliche Unterbringung von Ukrai­ne­r:in­nen ab Mitte des Jahres in der Unterkunft Große Horst vertraglich festgehalten – zulasten von BIPoC-Geflüchteten (Black, Indigenous, People of Color).

Die „Bürgerverträge“ wurden 2016 zwischen der Stadt und der Volksinitiative beschlossen. Damals setzte die Initiative einen Verteilungsschlüssel für die Unterbringung von Geflüchteten in den Stadtteilen durch und forderte langfristig einen Abbau der Unterkünfte. Von Seiten der Stadt hieß es zu der Zeit, dass es „keinen Umzugsmarathon“ geben würde.

Doch nun sind die Verträge anlässlich der hohen Anzahl an Geflüchteten aus der Ukraine zunächst für ein Jahr ausgesetzt. Damit kann die Stadt neue Unterkünfte für Schutzsuchende bauen und vorhandene erweitern. Insgesamt will die Stadt 1.300 neue Plätze realisieren, wie sie Anfang April bekannt gab.

Andere Schutzbedürftige anderswo unterbringen

Durch die Anpassung bleibt auch die Unterkunft Große Horst in Klein Borstel vorerst von den Abbauplanungen verschont. Für Mitte Februar war ursprünglich die Schließung angesetzt, damit ab Juni neue Wohnanlagen auf dem Gelände gebaut werden können. Bereits Mitte letzten Jahres war nach Angaben der Stadt abzusehen, dass sich der Baubeginn verzögern würde.

Seitdem stand sie mit der Volksinitiative über eine Verlängerung des Standorts im Dialog, damit genügend Zeit bleibt, die Schutzsuchenden anderweitig unterzubringen. Angesichts der hohen Anzahl an ukrainischen Geflüchteten einigten sich die Stadt und die Initiative nun darauf, den Betrieb um noch ein weiteres Jahr zu verlängern.

Die BHFI wirft der Volksinitiative deshalb rassistische Handlungsmotive vor, da dort momentan vor allem BIPoC-Schutzsuchende untergebracht sind, für die es keine Verlängerung gegeben hätte. Von der Stadt fordert sie, von der diskriminierenden Vereinbarung zurückzutreten.

Bereits vor der Veröffentlichung der Forderung stand die BHFI im Austausch mit ihr: „Als die Stadt das Vorhaben bestätigte, war ihr das schlechte Gewissen anzumerken“, sagt Manfred Ossenbeck, Sprecher der BHFI. Die Stadt habe sich von der Volksinitiative erpressen lassen, die die Situation des Platzmangels in den Unterkünften für sich ausgenutzt hätten.

Vorwurf von rassistischen Handlungsmotiven

Die Stadt äußert sich zu dem Brief auf Nachfrage der taz ausweichend. Da der Standort eigentlich Mitte des Jahres geschlossen worden wäre, würden die Vermittlungen der dort lebenden Geflüchteten in Wohnraum oder andere Unterkünfte bereits laufen. Daraus ergebe sich, dass folgend Familien aus der Ukraine in der Unterkunft Große Horst aufgenommen werden.

Klaus Schomacker, Sprecher von „Hamburg für Gute Integration“, begrüßt es, Plätze für u­krainische Geflüchtete geschaffen zu haben. Er empfiehlt dem BHFI, es der Initiative gleichzumachen und ebenfalls politische Verträge mit der Stadt abzuschließen, um Interessen für Schutzsuchende durchzusetzen.

Für Ossenbeck ist klar, dass Schomacker nicht auf den Kern der Vorwürfe zu sprechen kommt. Denn im Wesentlichen ginge es darum, dass die weitere Nutzung der Unterkunft nur wegen der ukrainischen Geflüchteten verlängert wird und für andere geschlossen worden wäre. Zudem würde die BHFI nie eine vertragliche Einigung anstreben, da sie „allen Geflüchteten hilft und niemals eine Beschränkung auferlegen würde.“

Die Sozialbehörde hat bisher keine Angaben dazu gemacht, ob die Forderung der BHFI berücksichtigt wird. Zudem sticht der unterschiedliche Umgang mit Geflüchteten auch im vereinbarten „Lagebild Flüchtlinge“ hervor. Das ist die monatliche Berichterstattung über die Situation der Unterkünfte durch die Stadt gegenüber der Volksinitiative, bei der es in der Vergangenheit zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, so Schomacker. In der neuen Übereinkunft der Vertragsparteien heißt es, dass besonders die Unterbringung geflüchteter Menschen aus der Ukraine Erwähnung findet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Anstatt zu sagen, dass es gut für die teilweise stark traumatisierten Frauen und Kinder aus der Ukraine ist, wenn sie in die Große Horst kommen, wird hier die These aufgestellt, dass die dort bisher lebenden Menschen weniger Wert sind, jedenfalls ab dem Zeitpunkt, wo dort die andere Gruppe untergebracht wird. Damit nicht genug, dem Autor geht es auch explizit, um zwei Hautfarben, einmal hell, so ähnlich wie bei Hamburger Echt?) und dann dunkel, schwarz, gelb, olive, die wohl dem Senat weniger wert sein soll?

    Werden Ukrainer in eine andere Unterkunft gebracht, dann heißt es, in Hamburg sind die traumatisierten Frauen und Kinder aus der Ukraine egal, oder die werden jetzt entwertet, um Menschen aus dem Orient aufzuwerten.

    Ich bin ein wenig überrascht, wie stark das Misstrauen gegenüber der Stadt oder vielleich gegenüber dem Staat schon ist.

    Immerhin reagieren SPD und Grüne zusammen, besonders ignorant oder durchgebrannt waren die in meiner Sicht bisher nicht. Die frühere CDU hätte vielleicht die Unterkünfte privatisierte und an einen ihrer Unterstützer verhökert, hier wird aber immer jede Entscheidung in Frage gestellt.

    Und wir werden noch eine ganze Weile Unterkünfte benötigen, außerdem geht die Durchschnittsbevölkerung nicht unbedingt mit, wenn in diesem Bereich chicke Neubauten errichtet werden.

    Ich würde sagen, der Senat muss dem sozialen Wohnungsbau Priorität geben und vielleicht direkter kommunizieren, aber dass der rot-grüne Senat hier rassistisch, kulturell-anti-asiatisch oder anti-afrikanisch vorgeht, ist in meinen Augen eine steile und nicht fundierte These, die auch gefährlich ist, weil solche Bilder manchmal ein eigenes Leben beginnen.

    Oder mal anders sind Fegebank und Tschentscher Rassisten, die first-class Behandlung für weiße Flüchtlinge umsetzen zu Lasten von anderen? Stimmt das wirklich?

  • wer bekommt das bett ... ?

    justitia würde mit einer augenbinde entscheiden.



    nicht so in hamburg.

    • @adagiobarber:

      Naja das bett ist ja eigentlich schon belegt. Justitia würde sagen, die "neue Unterkünfte" sind doch genauso gut auch für die "Neuankömmlinge" oder? Also warum Umzüge, Kosten und vieles mehr auf sich ziehen wollen.

      Naja außer man verdient vielleicht mehr dran...

  • Wenn ich das richtig verstehe, sollen die bisherigen Bewohner in andere Unterkünfte oder Wohnungen ziehen. Die Leute scheinen also nicht von Obdachlosigkeit oder dergleichen bedroht zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass es Sinn macht, ukrainische Flüchtlinge, die frisch in Deutschland angekommen sind, gemeinsam unterzubringen. Daraus lässt sich eigentlich keine rassistische Motivation ableiten. Solche Unterkünfte sind ja sowieso Provisorien für die Menschen, die dort leben, ich halte es für zumutbar, dass sie mal innerhalb Hamburgs umziehen müssen, die haben bestimmt schon Schlimmeres erlebt.

    Dass man auf Druck irgendwelcher Bürgerinitiativen den Abbau von solchen Unterkünften versprochen hat, war natürlich trotzdem naiv. Wir müssen leider damit rechnen, dass es auch in Zukunft immer wieder notwendig sein wird, kurzfristig größere Mengen Flüchtlinge aufzunehmen, daher sollten wir auch dauerhaft die Strukturen dafür behalten.

    • @Ruediger:

      Was hindert die Politik oder die Verantwortlichen daran, nicht nur die jetzigen Bewohner da wohnen zu lassen und dafür neue Areale für die ukr. Geflüchteten zu suchen? Warum den Umzug auch noch in Kosten stellen, wenn die ukr. Geflüchteten doch eh in neue Unterkünfte müssen?

      Also das macht mal so gar keinen Sinn, außer natürlich die "Trägerschaft" verdient ein wenig mehr jetzt.

  • Während syrische Kriegsflüchtlinge irgendwo zusammengepfercht werden, bekommen ukrainische eine 5-Sterne Behandlung!



    Mit Rassismus hat das wohl nichts zu tun?

    • @amigo:

      Leider ist der Artikel an entscheidenden Stellen etwas dürftig, aber sie scheinen über weitergehende Informationen zu verfügen. Vielleicht können Sie diese mit uns teilen und ein paar Fragen beantworten, die der Artikel und ihr Kommentar aufwerfen:

      Inwiefern ist die Unterkunft in Klein Borstel eine "5-Sterne"-Unterkunft? Wo werden die Menschen, die dort derzeit leben "zusammengepfercht", wie unterscheidet sich deren neue Unterkunft von der in Klein Borstel?

      Was für Menschen leben derzeit in der Unterkunft, woher kommen die, wie lang sind die in Deutschland, sind das wirklich überwiegend oder ausschließlich Syrer? Warum haben sie nicht die Möglichkeit zu arbeiten und in eine richtige Wohnung zu ziehen?

      Offenbar wurde die Unterkunft gebaut, als viele Menschen aus Syrien nach Deutschland kamen. Das heißt, genau wie heute Ukrainer, wurden damals Syrer untergebracht. Wo ist dann da ein Unterschied in der Behandlung? Wie begründen Sie den Rassismus-Vorwurf, wenn doch beide Gruppen die Unterkunft nutzen könnten bzw. können?

      • @Ruediger:

        Derzeit leben dort Menschen, die einen Asyl-Antrag gestellt haben und mehr als 4 oder 5 Monate in einer Erstaufnahme waren. Das sind alle Querbeet, von Armeniern, Russen, Türken bis zu Afghanen, Kurden, Syrern, Iranern. Es geht aber um den Asylantrag, nicht um die Hautfarbe. Es könnten auch zufällig eher helle Menschen sein. Theoretisch könnten auch ehemalige Obdachlose oder Wohnungslose darunter sein, die vielleicht aus Hamburg oder Umgebung sind, auch das wäre möglich. Die Unterbringung dient zu Verhinderung von Obdachlosigkeit in der Stadt. Das ist die primäre Zielsetzung.

        • @Andreas_2020:

          Danke für diese Information. Wenn ich den Artikel richtig verstehe, werden diese Menschen jetzt woanders untergebracht. Haben Sie Informationen dazu auch Informationen?

  • Ach was an der Grenze zu Polen-Ukraine schon passiert, sollte auch in Rest-Europa doch völlig legitim sein, oder?

    *kannSpurenvonZynismusenthalten*

    Solche Meldungen gehen aktuell unter. Darüber sollte aber viel häufiger geredet werden. Damit schafft man Momente, Erlebnisse, Denkweisen...die genau das bewirken was man verhindern will. Das die EU sich teilweise selbst rassistisch verhält. während sie es anderen zum Vorwurf macht.