Geflüchtete des Schiffs „Ocean Viking“: Mit gutem Beispiel voran, bitte
Die Zukunft der 180 Flüchtlinge ist weiter unklar. Deutschland muss seine Ratspräsidentschaft nutzen, um ein Aufnahmesystem durchzusetzen.

B is zu 11 Tage hatten die 180 Flüchtlinge an Bord der „Ocean Viking“ gewartet, bevor sie am Montag das Rettungsschiff der deutschen NGO „SOS Méditerranée“ verlassen durften. Vorbei ist ihre Odyssee nicht: Italien gestattete ihnen vorerst nur, für mindestens zwei Wochen auf ein Quarantäneschiff zu wechseln. Wie lange sie letztlich dort bleiben müssen, weiß niemand. Malta hatte Hunderte Flüchtlinge zuletzt über einen Monat lang auf einem Quarantäneschiff festgehalten.
Eigentlich sollte es so etwas gar nicht mehr geben: dass Gerettete, oft völlig am Ende ihrer geistigen und körperlichen Kräfte, auf unbestimmte Zeit darauf warten müssen, bevor sie an Land gehen und angemessen versorgt werden können. Diesem Ziel hatte sich eine Reihe von EU-Staaten im November 2019 verpflichtet – und Deutschland hatte sich in diesem Prozess einer Führungsrolle gerühmt.
Tatsächlich aber können Flüchtlinge heute froh sein, wenn sie im Mittelmeer überhaupt gerettet werden – oft kommt kein Schiff, und das hat damit zu tun, dass den NGOs ihre Arbeit immer schwerer gemacht wird. Ein wachsender Anteil der Flüchtenden wird wieder nach Libyen zurückgebracht. Und der Rest muss meist warten, wie nun die 180 Menschen auf der „Ocean Viking“.
Deutschland hat sich in dieser Frage zwar mit allerlei Initiativen hervorgetan, hat aber selber nur höchst schleppend aufgenommen, trotz umfangreicher Aufnahmeangebote durch Bundesländer und Kommunen. Und das war schon vor Ausbruch der Coronakrise so. Da ist es kein Wunder, dass andere EU-Staaten genauso schleppend und unwillig mitziehen. Und dass Italien und Malta fürchten, mit den Flüchtlingen allein gelassen zu werden.
Bis Ende des Jahres steht Deutschland nun dem EU-Rat vor. So hat es entscheidenden Einfluss darauf, ob die im vergangenen Jahr getroffenen Beschlüsse in ein funktionierendes System umgesetzt werden. Das heißt aber zuallererst: mit gutem Beispiel vorangehen und selbst eine effiziente und humanitäre Aufnahme sicherstellen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links