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Geflüchtete demonstrieren für BleiberechtEs droht die Straße

Seit Monaten protestiert eine Gruppe junger Geflüchteter für ihr Bleiberecht in Bremen. Einige sollen umverteilt werden. Hat der Protest Aussicht auf Erfolg?

Mit einem „Sit-In“ demonstrierte das Bündnis am Donnerstag vor der Bremer Innenbehörde. Foto: Allegra Schneider

Bremen taz | Es erinnert ein bisschen an Asterix: Eine Gruppe junger Geflüchteter hört nicht auf, Widerstand zu leisten – gegen ihre drohende Abschiebung, gegen die aus Ihrer Sicht unrechtmäßige Behandlung in Bremen, gegen den „Transfer“ in andere Städte, gegen eine unwissenschaftliche und entwürdigende Altersfeststellung. Seit Ende vergangenen Jahres demonstriert das Protest-Bündnis „Shut Down Gottlieb-Daimler-Straße“ (taz berichtete) gegen menschenunwürdige Bedingungen und für eine Perspektive in Bremen.

Nur, lustig ist ihr Protest keineswegs: „Die Jugendlichen sind an ihrer Grenze“, sagt Anna Schroeder vom Aktionsbündnis. Fast alle der 50 Jugendlichen seien mittlerweile in psychiatrischer Behandlung – viele seien suizidal, zwei psychotisch. Die Jugendlichen berichteten von Folter und Misshandlungen in Libyen und von ertrunkenen Freunden im Mittelmeer. In Bremen ankommen aber dürfen sie noch immer nicht.

Zunächst hatte sich der Protest um die unwürdige Unterbringung in provisorischen „Leichtbauhallen“ gedreht. Dorthin hatte man sie verfrachtet, weil sie gegen ihr vom Amt festgesetztes Alter geklagt hatten und darauf bestanden, minderjährig zu sein. Dort sollten sie ihre Klageverfahren gegen diese umstrittene Praxis absitzen – ohne Schule oder Zugang zur Jugendhilfe.

Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) empfing sie nach wiederholten Protesten und machte Zugeständnisse: Die unwürdige Unterkunft soll nun vor dem Winter geschlossen werden. Die Sozialbehörde verteilt die Bewohner*innen nach und nach in andere Einrichtungen. Von ehemals über 90 sind derzeit noch 44 in der Gottlieb-Daimler-Straße.

Das allerdings heißt noch lange nicht, dass alle der Bewohner*innen auch in Bremen bleiben dürfen: Sie sind noch immer nicht geduldet – ihnen drohen weiterhin Transfers in andere Städte und in letzter Konsequenz Abschiebungen.

Viele der Jugendlichen sagen, sie hätten Bremen lieb gewonnen. Einige dürften mittlerweile zur Schule gehen, hätten Freunde gefunden. Die permanente Unsicherheit sei belastend. Deswegen baten die jungen Geflüchteten vergangene Woche Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bei einem Sit-in vor der Innenbehörde, hierbleiben zu dürfen und endlich eine Duldung sowie Papiere zu bekommen. Nach dem Protest nahm ein Vertreter des Innensenators zwei offene Briefe der Geflüchteten entgegen und stellte ein Gespräch nach der Sommerpause in Aussicht.

In der Sache allerdings bleibt die Innenbehörde bislang hart. Es sei nun mal Vorschrift, Asylbewerber und auch minderjährige Geflüchtete länderparitätisch umzuverteilen. Eine Duldung erteile die Behörde nur, wenn „zwingende humanitären Gründe“ gegen eine Verteilung sprächen. Diese allerdings müssten erheblich sein, wie Nikolai Roth von der Innenbehörde sagt: „In der Realität machen die Betroffenen oft keine entsprechenden Angaben.“ Stempel drauf – Verteilung.

Fast alle der 50 Jugendlichen sind mittlerweile in psychiatrischer Behandlung

Anna Schroeder, Aktionsbündnis

Derzeit klagt die Innenbehörde sogar in einem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht darauf, während eines Verfahrens keine Duldung erteilen zu müssen. Selbst wenn die Betroffenen sich in Klageverfahren gegen ihre Altersfestsetzung befänden, sei das keine faktische Duldung, sagt Roth.

Was er nicht sagt: Tatsächlich könnte Innensenator Mäurer als oberste zuständige Landesbehörde nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes, „bestimmten Ausländergruppen“ aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

Auf der Demo sagte einer der Jugendlichen, dass einige Freunde aus dem Bündnis mittlerweile auf der Straße lebten, weil sie ihre Verteilung nicht akzeptierten.

Auch Schroeder sagt: „Die Innenbehörde hätte sehr wohl politisch Handlungsspielraum.“ Angesichts des rechten Diskurses um Seenotrettung und des falschen Bamf-Skandals sollte Bremen ein Zeichen setzen und den von der Mittelmeerroute Kommenden ein humanitäres Bleiberecht erteilen.

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