Geflüchtete Frauen in Bremen: Sie haben es hinter sich
In Bremen-Osterholz gibt es eine Unterkunft nur für geflüchtete Frauen. Die wenigsten erzählen, was sie erlebt haben.
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BREMEN taz | Ein einstöckiges Gebäude, inmitten von Rasenflächen. Auf der Eingangstür steht nur Arbeiter-Samariter-Bund, kurz ASB. Kein Hinweis, dass hier seit einem halben Jahr ausschließlich Frauen und Kinder leben. Häufig stammen sie aus Ghana, Nigeria sowie Eritrea und Somalia, momentan kommen viele aus Afghanistan.
16 Mütter mit 24 Kindern sind es derzeit, zwischen drei Wochen und 15 Jahre alt. Hinzu kommen zehn Alleinstehende. Damit sind nicht alle der 57 Plätze belegt. Dennoch sei der Bedarf so groß, dass zwei weitere Häuser in dieser Größe nicht verkehrt wären, sagt die Leiterin der Einrichtung, Andrea Hoyng.
Schutz vor Übergriffen
Eigentlich sollen keine Jungen hier wohnen, die älter als zwölf sind, damit die Frauen keine Angst haben brauchen vor anzüglichen Blicken oder Bemerkungen, vor Übergriffen. Oder erinnert werden an schlimme Erfahrungen auf der Flucht. Was genau ihnen widerfahren ist, erzählen die wenigsten, sagt die Sozialpädagogin Hoyng. Bei vielen sei aber auch ohne Worte klar, dass sie „einiges hinter sich haben“, wie Hoyng es ausdrückt.
Das heißt nicht, dass gar keine Männer ins Haus kommen. Ein Junge und sein Vater, die nebenan in einem Wohnheim für Familien leben, kommen in den liebevoll eingerichteten Gemeinschaftsraum, in dem eine Erzieherin an vier Tagen die Woche für jeweils drei Stunden die Kinder betreut.
Manchmal malen sie zusammen. An der Wand hängt das Bild eines Achtjährigen. Darauf sind Menschen in einem Boot zu sehen – und ein Kind, das ins Wasser gefallen ist. „Samira kommt bald“, vertröstet Hoyngs Kollegin Jasmin Tarchahani den Jungen, erst auf Deutsch, dann auf Arabisch.
Gemischtgeschlechtliche Security
Sie ist neben Hoyng die einzige Frau im fünfköpfigen Team, das neben dem Familienwohnheim auch für eine Notunterkunft in der Nachbarschaft zuständig ist. Und ab nachmittags ist nur ein Sicherheitsdienst anwesend, mittlerweile immer gemischtgeschlechtlich besetzt.
Vielleicht deswegen gab es hier keine Probleme wie in anderen Unterkünften, wo Security-Mitarbeiter sexuelle Beziehungen mit Bewohnerinnen gehabt oder sie belästigt haben sollen. Manchmal sind es auch die Ehemänner oder Partner, vor denen die Frauen fliehen. „Das hören wir in letzter Zeit häufiger“, sagt Andrea Hoyng.
In Osterholz sind diese Frauen allerdings nur gut aufgehoben, wenn sie keinen besonderen, unmittelbaren Schutz brauchen. Denn wer will, kommt ohne Schwierigkeiten ins Haus, die Adresse ist nicht geheim. Bisher habe es nur einmal Probleme mit einem verlassenen Mann gegeben, sagt Hoyng, er dürfe das Gelände nicht mehr betreten und halte sich bisher daran.
Besser ins Frauenhaus
Wer in Gefahr sei, sei im Frauenhaus besser aufgehoben. „Wir nehmen immer wieder geflüchtete Frauen auf“, bestätigt Franziska Rafailovic vom autonomen Bremer Frauenhaus. Meistens seien es Frauen, die bereits in einer eigenen Wohnung leben, deren Asylantrag läuft oder sogar schon positiv beschieden ist. „Dann ist auch Zeit für solche Entscheidungen.“
Im Frühjahr 2017 soll laut Senat eine weitere Unterkunft eröffnen, für Frauen mit einem erhöhten Betreuungsbedarf, für Traumatisierte. Warum das so lange dauert, ist etwa der gleichstellungspolitischen Sprecherin der Grünen, Henrike Müller, ein Rätsel. „Wir haben im Oktober 2015 den Antrag gestellt – ich hätte mir gewünscht, dass das deutlich schneller geht.“
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