Gefangenenaustausch in Jemen: Minutiös geplanter erster Schritt
Gute Nachrichten aus Jemen: Die Konfliktparteien tauschen Gefangene aus. Was simpel klingt, ist ein politisches und logistisches Monstervorhaben.
„Allein am Donnerstag hatten wir sieben Flugzeuge mit über 700 freigelassenen Gefangenen, die am Flughafen in Sanaa aus- oder eingeflogen sind“, erklärt die Schweizerin Katharina Ritz, die das Büro des Internationalen Roten Kreuzes (ICRC) in Jemen leitet, gegenüber der taz. „Es hat viel Misstrauen gegeben, deswegen mussten wir minutiös planen. Die Maschinen mussten synchronisiert an drei verschiedenen Orten zum gleichen Moment starten.“
Für Freitag sei erneut eine doppelte Rotation von Flügen zwischen Sanaa und Aden geplant. Damit wäre dann der Austausch von etwas mehr als 1.000 Gefangenen abgeschlossen. „Wir hoffen, dass das eine von vielen zukünftigen Freilassungen sein wird, da noch tausende Familien auf gefangene Verwandte warten“, sagt Ritz.
„Natürlich wünschen wir uns, dass dieser Austausch Vertrauen geschaffen hat, durch das dann mehr Energie in die Suche nach einer politischen Lösung zur Beendigung des Konflikts fließt“, fügt sie hinzu. „Solche humanitären Gesten können ein Zeichen setzen, denn die Menschen sind nach diesem jahrelangen Konflikt müde, ausgelaugt und haben viel verloren.“
Schon 2018 vereinbart
Auch Martin Griffiths, der UN-Sondergesandte für Jemen, der die Verhandlungen geführt hat, hofft auf mehr: „Es ist ein Zeichen, was durch friedlichen Dialog erreicht werden kann“, sagt er. Der Deal ist die Fortsetzung der sogenannten Stockholm-Vereinbarung, bei der Ende 2018 bereits der Austausch von 15.000 Kriegsgefangenen vereinbart worden war, ohne dass dies allerdings aufgrund des gegenseitigen Misstrauens ausgeführt wurde.
Dem Austausch seien nun „komplexe, monatelange Verhandlungen“ vorausgegangen, „bis sich jede Seite mit einer Liste zufrieden gab, wer wen freilässt“, sagt Ritz. „Da ging es tagelang um einzelne Namen.“ Während die Verhandlungen vom UN-Sonderbeauftragten geführt wurden, war das Rote Kreuz für die Umsetzung des Austauschs zuständig.
Der Jemenkrieg wird von der UNO als größte menschengemachte humanitäre Katastrophe bezeichnet. In dem Land stehen sich Huthi-Rebellen und Anhänger des aus Sanaa geflohenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi gegenüber. Saudi-Arabien ist direkt mit seiner Luftwaffe aufseiten Hadis beteiligt und führt eine Militärkoalition gegen die Huthis an; die Huthis werden indirekt vom Iran unterstützt.
Muhammed Abdul Salam, ein Sprecher der Huthis, erklärte, dass mit dem Austausch vom Donnerstag und Freitag die Hoffnung auf weitere friedensbildende Maßnahmen wachse. In einer Erklärung der Anti-Huthi-Koalition heißt es, “die politische und militärische Führung will daran arbeiten, dass alle Kriegsgefangenen nach Hause zurückkehren können“. Beide Seiten stellen den Austausch als Sieg dar.
Corona-Filmspots in den Flugzeugen
Verkompliziert wird der Gefangenenaustausch zusätzlich durch die in Jemen unkontrolliert grassierende Covid-19-Pandemie. Das Rote Kreuz verteilt vor den Flügen Schutzausrüstung und stellt sicher, dass der physische Abstand auch auf den Flügen eingehalten wird. „Dazu brauchten wir bei den eingesetzten Bussen und Flugzeugen zum Teil doppelte Kapazitäten“, erläutert Ritz.
In den Flugzeugen laufen eigens gedrehte Filmspots, die die freigelassenen Gefangenen über Covid-Maßnahmen aufklären sollen. „Wir hoffen, dass das nicht nur für die Reise selbst aufgeklärt hat, sondern den Menschen auch hilft, nach ihrer Ankunft zu Hause sich selbst und ihre Familien zu schützen“, sagt Ritz.
Bei der Ankunft sei der Enthusiasmus der Freigelassenen extrem groß gewesen, erzählt sie. „Viele legten sich auf die Erde und umarmten den Boden, es gab große Empfangskomitees und Musik und sehr emotionale Szenen mit Menschen, die sich lange nicht mehr gesehen hatten. Das war eine festliche Stimmung“, schildert Ritz.
„Wir sind erleichtert, dass das bisher so gut über die Bühne ging, denn die Verhandlungen und die Umsetzung waren alles andere als einfach“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir sind einfach froh, dass diesmal aus Jemen gute Nachrichten kommen“.
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