Gefangene kritisieren Haftbedingungen: Briefe aus dem Knast
Die „Knast-Soligruppe Göttingen“ veröffentlicht auf ihrer Internetseite Berichte, Beschwerden und Gedichte von Gefängnisinsassen der JVA Rosdorf.
Auf einem Transparent machten die Aktivisten ihre Postanschrift bekannt und hielten es in Richtung Gefängnisgebäude. „Wir haben die Gefangenen eingeladen, uns zu schreiben, überhaupt erst mal mit uns in Kontakt zu treten“, sagt Michael Kensy von der Soligruppe.
Als die ersten Briefe kamen, beschloss die Soligruppe, sie unter der Rubrik „Nach draußen!“ auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Die Briefe enthalten vor allem Beschwerden über die Haftbedingungen in der JVA Rosdorf: Die Mediennutzung werde stark beschränkt, die medizinische Versorgung sei mangelhaft, Therapieplätze seien schwer zu bekommen und die Arbeitsbedingungen seien schlecht.
Der Insasse Sascha S. etwa berichtet von Arbeitslöhnen zwischen 30 und 120 Euro im Monat. Der Gesamtbetrag liege höher, der Großteil werde allerdings als so genanntes Überbrückungsgeld auf ein Konto eingezahlt, worauf der Gefangene erst nach seiner Entlassung zugreifen könne. Auf den Rest des Geldes können die Insassen über ihr Eigengeldkonto zugreifen. „Dieses aber auch nur, wenn gegen den Gefangenen keine Pfändungsansprüche bestehen, denn dann wird dieses Geld zu 100% den Gläubigern zugeteilt, da dieses Konto nicht dem Pfändungsschutz unterliegt“, schreibt S.
Im Auftrag von externen Unternehmen werden auf dem Gefängnisgelände Akkordarbeiten verrichtet. Unter anderem werden dort Kugelschreiber montiert, Bügelbrettbezüge genäht oder Schrauben in Kartons gepackt. Auch die JVA selbst ist Arbeitgeber und betreibt einen eigenen Onlineshop.
Hausmeistertätigkeiten und Arbeiten in der Küche werden ebenfalls von Insassen getätigt. „Diese sind in der Mehrzahl nur von 'vertrauenswürdigen’ Insassen besetzt und setzten eine Drogenfreiheit voraus, wobei letzterer Aspekt gerade in dieser Anstalt nicht so eng gesehen wird, da die Anstalt ein massives Drogenproblem hat“, schreibt S.
In der Weimarer Republik gab es bereits Pläne, die Sicherungsverwahrung für „Gewohnheitsverbrecher“ einzuführen.
Die Nationalsozialisten setzten diese Pläne 1933 in den Paragraphen 20a und 42e des „Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ um.
Die Allierten hoben Teile des Gesetzes nach 1945 auf. Die Paragraphen 20a und 42e blieben jedoch bestehen. Sie wurden als unbedenklich und nicht spezifisch nationalsozialistisch eingestuft.
2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Die Richter forderten ein Gesamtkonzept „mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.“
Unter den 340 Menschen, die in der Haftanstalt nahe Göttingen einsitzen, sind auch 48 Sicherungsverwahrte, also Personen, die ihre Haftstrafe bereits verbüßt haben. 2013 war in Rosdorf der bundesweit erste Neubau ausschließlich für Sicherungsverwahrte eröffnet worden. Der Neubau war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2011 nötig geworden, wonach Sicherungsverwahrte besser als Strafgefangene und von diesen räumlich getrennt untergebracht werden müssen.
Dennoch sind unter den Beschwerdebriefen, die die Göttinger Soligruppe auf ihre Internetseite gestellt hat, auch welche von Sicherungsverwahrten. „Dass die SV jeglichen Menschenrechten Hohn spricht, brauche ich an dieser Stelle sicher nicht zu erwähnen“, schreibt etwa Bernd*, der seit vier Jahren in Sicherungsverwahrung sitzt.
In seinem Brief berichtet er von fehlendem Zugang zu Medien: „In der JVA-Rosdorf gibt es lediglich sieben freigeschaltete Internetseiten, die des Weiteren stark zensiert sind (z. B. kicker.de). Und selbst diese sieben Internetseiten sind erst auf Druck der Inhaftierten freigegeben worden.“
Auch würden immer mehr Privilegien der Sicherungsverwahrten gestrichen. „So dürfen seit September 2017 keine TV-Sendungen mehr aufgezeichnet werden, keine pornografischen DVDs/Bücher mehr besessen werden, Bargeld wurde – wie in der Strafhaft – durch Einkaufsgutscheine ersetzt und die den Sicherungsverwahrten zustehende Ausführungszeit wurde von 8 auf 2,5 Stunden im Monat reduziert“, schreibt Bernd. „Des Weiteren wird Sicherungsverwahrten der Zugang zu Therapieplätzen erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Auch hier zeigt sich kein Interesse der Anstaltsleitung an einer Besserung, gar einer Resozialisierung der Inhaftierten.“
Das niedersächsische Justizministerium erklärt auf Anfrage der taz, „aus Sicherheitsgründen“ könne der unbeschränkte Zugang zum freien Internet in der „Abteilung Sicherungsverwahrung“ in Rosdorf nicht gewährt werden. Dann werden die zehn Internetseiten aufgezählt, die „grundsätzlich abrufbar“ seien, es komme allerdings gelegentlich zu „technischen Problemen“.
Mit dem Zugriff auf Bargeld seien viele der Sicherungsverwahrten „überfordert“ gewesen, darum habe man es 2018 abgeschafft. Dass TV-Sendungen nicht aufgezeichnet werden können, liege am „Haftraummediensystem“, verpasste Sendungen könnten aber noch drei Tage abgerufen werden.
Die „Ausführungen“ außerhalb der Haftanstalt variierten von zwei bis zehn Stunden im Monat, die Dauer sei nicht vorgeschrieben. Die Sicherungsverwahrten in Rosdorf bekämen die Therapieangebote, die sie benötigten, die Gerichte hätten bislang nichts an den Zuständen in der Anstalt auszusetzen gehabt.
Die Soligruppe aus Göttingen hat angekündigt, die Veröffentlichung der Briefe fortzusetzen. „Mit den Texten der Gefangenen sind wir noch ganz am Anfang. Weitere Rubriken wie Medizinische Versorgung sind in Planung“, schreibt die Gruppe. „Gefangene sind angefragt und haben auch schon angekündigt, dazu Beiträge zu schreiben. Wir hoffen, der Blog füllt sich bald.“
*Name geändert
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