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Gefängnisskandal in Augsburg​„Dimension der Vorfälle unterschätzt“​

Im Augsburger Gefängnisskandal meldet sich nun auch der Justizminister zu Wort. Und es gibt erste personelle Konsequenzen.

Bayerns christsozialer Justizminister Georg Eisenreich will von den Foltervorwürfen nichts gewusst haben Foto: Peter Kneffel/dpa

München taz | Es war am Wochenende, als erste Details über den Gefängnisskandal in Augsburg an die Öffentlichkeit drangen. Es dauerte ein paar Tage, bis sich auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) ausführlich zu den Vorwürfen zu Wort meldete. „Justizminister Eisenreich bricht sein Schweigen“, überschrieb denn auch gleich der Bayerische Rundfunk seine Live-Übertragung der Pressekonferenz am Donnerstag.

Für große Fragezeichen hatte zuletzt vor allem der vom Bayerischen Rundfunk vermeldete Umstand gesorgt, dass Eisenreichs Ministerium schon seit einem Jahr über die Vorwürfe Bescheid wusste. Das bestätigte der Minister bei seinem Auftritt denn auch. Es gingen zu jeder bayerischen JVA regelmäßig Beschwerden beim Ministerium ein. Im Fall der JVA Augsburg-Gablingen habe es im Oktober 2023 jedoch eine E-Mail gegeben, die herausgestochen sei.

Die Mail habe eine damalige Ärztin der JVA geschickt und darin auf massive Missstände bei der Unterbringung von Häftlingen in den „besonders gesicherten Hafträumen“, den sogenannten BgHs, hingewiesen. Das Ministerium habe die JVA daraufhin um eine Stellungnahme und die Ärztin um eine Konkretisierung ihrer Vorwürfe gebeten. Außerdem sei der Fall an die Staatsanwaltschaft Augsburg weitergegeben worden.

Eisenreich nicht informiert

Als die Ärztin sich daraufhin nicht mehr gemeldet habe, seien vonseiten des Ministeriums keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden. Insbesondere, darauf legt Eisenreich Wert, sei er selbst nicht informiert worden.

Dass die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums die Sache nicht zu hoch hängen wollten, erscheint zumindest im Rückblick überraschend – angesichts der Berichte der damaligen Anstaltsärztin, aber auch ehemaliger Häftlinge, Bediensteter und eines Seelsorgers über die Zustände in dem Gefängnis.

Darin geht es darum, dass Häftlinge in den BgHs teils mehrere Tage, in manchen Fällen sogar Wochen untergebracht worden, wobei die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung nicht erfüllt waren. Auch die Art, wie dort mit ihnen verfahren worden sei, habe nicht den Regeln entsprochen. So seien sie nackt in die dunklen Kellerräume gesteckt worden, ohne Decke, ohne Matratze. Auch von regelmäßigen körperlichen Misshandlungen berichten Opfer und Ohrenzeugen.

Stellvertretende Leiterin vom Dienst suspendiert

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen, für eine abschließende Bewertung sei es zu früh, so Eisenreich. Rückblickend müsse man aber sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen noch mehr hätte passieren müssen. Möglicherweise sei die Dimension der Vorfälle im Ministerium auch unterschätzt worden.

Als erste Maßnahmen habe er nun ein Betretungsverbot gegen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verhängt, gegen die ermittelt werde. Ihnen sei auch die Führung der Dienstgeschäfte verboten worden. Die im Zentrum der Vorwürfe stehende stellvertretende Anstaltsleiterin sei vom Dienst suspendiert worden. Aber auch die eigentliche Leiterin, die nicht beschuldigt wird und gegen die auch kein Disziplinarverfahren laufe, sei vorläufig freigestellt worden. Eine neue Stellvertreterin sei kommissarisch eingesetzt worden und leite aktuell die JVA.

Im bayerischen Justizministerium selbst ist jetzt eine abteilungsübergreifende Taskforce eingesetzt worden, die sich um die interne Aufarbeitung kümmern soll. So stehe die Bearbeitung von Beschwerden auf dem Prüfstand. Unter anderem sollen sie künftig auch statistisch erfasst werden, um Auffälligkeiten schneller festzustellen. Besondere Beschwerden müssten künftig dem Minister mitgeteilt werden.

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6 Kommentare

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  • Ja, ist denn der Justizminister Eisenreich der richtige Mann für dieses Amt ?



    Welche Aufgaben und welche Verantwortung gegenüber den Gefangenen, deren Angehörige und unserer Gesellschaft gegenüber - meint denn Herr Eisenreich durch sein Amt zuhaben ?



    Herr Eisenreich erklärt, er habe von diesen nicht zu akzeptierenden, unhaltbar Zustände in seiner JVA Gablingen nichts gewusst. Ja was dürfen wir daraus schließen ? Engagement, Verantwortung und Kompetenz eines Ministers sieht wohl anders aus.

  • Wieder mal wird nur Erstaunliches berichtet, die Bediensteten der JVA werden ihres Amtes vorläufig enthoben, die wahrscheinlich genau so schuldigen Beamten des Ministeriums dürfen im Dienst bleiben und auch noch bei den Untersuchungen mitmachen.

    • @Manfred Peter:

      ...klingt nach " den Bock zum Gärtner machen " und Berlin schläft Dr. Marco Buschmann scheinbar weiter...

  • Missbrauch gehört innerhalb dieser Gesellschaft zum guten Ton, siehe der Umgang mit Kindesmissbrauch! Man braucht sich nur den Fall ( Missbrauchsfall Lügde) sich mit allen seinen hässlichen Auswüchse und der Umgang damit anschauen, man trifft auf eine Gesellschaft die nur dann reagiert wenn die Medien wieder etwas aufdecken oder wie im Fall Lügde das war nur durch ein Zufall gegeben, das es aufgedeckt wurde.

    Wieso sollte es in einen Gefängnis anders sein, da sind nur Menschen die es verdient haben dort zu sein! Das man für alle Menschen in dieser Gesellschaft eine Verantwortung trägt die sich in gewissen Abhängigkeiten befinden, und man diese Menschen ganz leicht Missbrauchen kann, damit scheinen viele keine Problem zu haben.

    Die Gefängnisinsassen sind einfach der Situation ausgeliefert. Ich möchte nicht wissen welches Martyrium viele hinter sich haben.

    Bayern scheint absolut keine Probleme zu haben mit Häftlinge die Missbraucht werden oder gar sterben ( siehe Oury Jalloh ), die Mörder in Form von Polizisten laufen trotz 5 Gutachten die besagten das Oury Jalloh ermordet wurde, bis heute noch frei rum. Es wird wie in Lügde und co. laufen, aussitzen bis Gras darüber wächst.

    • @taz.manien:

      👍👍

  • "Das Ministerium habe die JVA daraufhin um eine Stellungnahme und die Ärztin um eine Konkretisierung ihrer Vorwürfe gebeten."



    Was bitte haben die Beamten sich gedacht, welche Antwort Sie von der JVA bekommen? So was wie: "Ja, das stimmt was die Ärztin schreibt, wir foltern hier regelmäßig Gefangene, warum fragen Sie?"

    Was ist eigentlich aus der Ärztin geworden?

    Unglaublich das ganze.