Gedemütigte Birgit Prinz: Selbst groß in höchster Wut
Die zweimalige Weltmeisterin wurde am Donnerstag ausgewechselt. Sie ging in größter Wut und zeigte ganz offen Schwäche. Gerade das macht sie sympathisch.
BERLIN taz | Diese Bilderfolge hatte es sogar bis in die Morgensendungen von ARD und ZDF geschafft – sehr lange anderthalb Minuten wurde gezeigt, wie die Kaiserin des deutschen Fußballs die Fassung verlor: Wir sahen, wie die zweimalige Weltmeisterin Birgit Prinz ausgewechselt wurde.
Die Ausschnitte zeigten erbarmungslos eine Starkickerin, die nichts zuwege brachte, mehr amateurinnenhaft agierte denn so, wie es von ihr überliefert ist, nämlich professionell und gut. Ja, mehr noch zeigte dieser Clip: wie diese Spielerin auf großer Bühne gedemütigt wurde – so, als ob dereinst Franz Beckenbauer ausgewechselt worden wäre. Wie sie schließlich ging, das war kein erschöpftes Schreiten, sondern ein Monument an Wut und Aggression: Birgit Prinz war außer sich – eine Verzweifelte, die aber noch so viel Energie in sich trägt, dass diese wie ein Überschuss an Entäußerung nach außen drängen wollte.
Prinz, auch das sahen wir, ging über die Außenlinie, schaffte es zornentbrannt, jene, die ihr das Ende ihres Einsatzes befahl, Trainerin Silvia Neid, eindrucksvoll zu ignorieren – und hätte wohl am liebsten die Auswechselbank mit purer Gewalt auseinandergekloppt. Beim Abklatschen der Kolleginnen schien sie deren Handflächen zu pulverisieren – ihr Antlitz schien weiß vor wütender Enttäuschung.
In die Mikrofone allerdings sprach Prinz wieder halbwegs kontrolliert. Aber dieses Sich-selbst-gefasst-Haben wirkte wiederum wie eine Drohung: Noch eine doofe Frage, dann dresche ich alles zusammen!
Der Frauenfußball bekam einen neuen Ernst. Birgit Prinz wurde zur tragödischen Figur, zu einer, die das viele Training im Umgang mit den Medien vergaß und zum menschlichen Reaktor kurz vor der Kernschmelze wurde. Das war, alles in allem, höchst sympathisch. Nah und nahbar, menschlich und nachfühlbar.
Es hatte das, was man als authentisch versteht: Birgit Prinz wollte wirklich alles geben – und scheitert an sich selbst. Dass sie sich höchst entblößte, aggressiv, bewies, dass Frauen im Fußball eben kein Männerturmspringen oder Dressurreiten betreiben, sondern einen Sport, der ohne ein adrenalinaufgeheizte Spannung nicht funktioniert. Birgit Prinz ist eine Große!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Unterbringung und Versorgung
Geflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich