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Geburtstagsgeschenk der kreativen ArtWie das Blümchenmuster auf den Teller kommt

Einen Nachmittag zusammen mit anderen Keramik anmalen, so etwas lässt sich buchen. Die Produktion einer eigenen Service-Serie gelingt so eher nicht.

Hier war ein Profi am Werk: In einer Töpferwerkstatt unterrichtete im April 2023 der Künstler Igor Frank im Museum Lüneburg Foto: dpa/Philipp Schulze

E s war ein Geburtstagsgeschenk: zweieinhalb Stunden Keramik anmalen, gebucht über ein Online-Portal. Es ist ein verregneter Sonntag, der Laden in der Hamburger Innenstadt sieht aus wie ein kleines Café. Wir nehmen auf einer Sitzbank am Fenster Platz, haben einen Tisch für uns. Darauf stehen zwei Becher mit Pinseln, eine Getränkeliste, ein Musterteller mit nummerierten Farbtupfen und drei weiße Küchenkacheln, die später als Farbpaletten dienen werden.

An den anderen Tischen andere Frauen, ein, zwei Männer. Erst mal sollen wir runter in den Keller, unsere Hände waschen. An der Treppe steht ein Anmelde­pult. Daneben ein wandhohes Regal, vollgestapelt mit weißen „Rohlingen“, das sind Teller, Becher und Schüsseln, die auf ihren Anstrich warten, es gibt passend zu Ostern auch Keramikhasen. Dezent daneben am Regalboden stehen kleine Preisschilder.

„Wer hat denn schon mal Keramik glasiert?“, fragt die Anleiterin, als alle sitzen. Ich melde mich nicht, obwohl ich Töpfern aus meiner Kindheit kenne. Aber damals waren Glasurfarben dick und schlicht, nicht so bunt wie hier. Wir machen Niedrigbrandglasuren, erklärt die Anleiterin. Sie hält einen bemalten Teller hoch, mit einer pudrig-hellen und einer glänzenden Hälfte. Die helle zeigt die Farben vor, die glänzende die Farben nach dem Brand. Man kann auch Sticker aufkleben und mit Glasurfarbe drübermalen, die Fläche bleibt dann weiß, oder Farbe wegkratzen oder tupfen.

Die Farbtuben stehen direkt neben uns in einem Regal, hübsch aufgereiht nach der Reihe des Regenbogens. Die anderen kommen her, mit ihrer Kachel in der Hand, wir wählen Farben aus, ploppen Kleckse auf unsere Kachel. Es ist ratsam, sich mit Filzer die Nummern der Farben daneben zu schreiben, denn sie sehen vor dem Brennen heller aus als danach. Erst der Vergleich mit dem Musterfarbteller am Tisch zeigt, wie sie später aussehen werden. Als Rohling nehme ich einen Teller, die anderen Tassen.

Das ideale Geschenk

Wir können auch Kaffee bestellen, es soll ein gemütlicher Nachmittag werden, so stand es auf der Homepage des Veranstalters. Und dass Keramik anmalen „der DIY-Trend schlechthin“ sei, DIY steht für do it yourself. Die Suche im Branchenbuch der Stadt Hamburg nach „Keramik bemalen“ ergibt „15 Treffer in der Nähe“, darunter steht ein aufmunternder Text: „Wer hatte noch nicht einen blendenden Einfall, um eine Tasse zu bemalen?“, bemalte Keramik wird als das ideale Geschenk für den, der „schon alles hat“, angepriesen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Das, was wir hier malen, tupfen, kratzen, hält ewig. Es sei denn, es wird bei einem Polterabend zerdeppert. Ich erbte mal ein Service für 16 Personen. Es steht im Schrank, dunkle Blätter, ganz nett, das Muster, aber ziemlich streng. Fröhlicher fand ich eines mit Blümchen, aber das ging an einen anderen Familienzweig. Also tupfe ich zarte Blüten an den Tellerrand, rot, blau, gelb, links und rechts zwei grüne Blätter. Die anderen am Tisch malen filigrane Vögel auf Tassen, ich habe dieses nicht-geerbte Service im Sinn. 18 Euro kostet ein Teller, mit Brand und allem drum und dran. Wir bestellen Kaffee, es gibt hier nur Hafermilch dazu.

Laut Geschenk-Gutschein darf ich 60 Euro vermalen. Ich hole noch einen Teller aus dem Rohlingregal und mühe mich, die Miniblümchen genau so zu platzieren wie beim ersten. Porzellanmalerin ist ein ehrwürdiger Beruf. Während nebenan bewundernswerte Kunst­stücke entstehen, setze ich mehr auf Serie. Hole noch einen und dann noch einen Teller, betupfe alle gleich.

Die Zeit ist gleich um, wir müssen wieder in den Keller, unsere Pinsel und Kacheln sauber waschen. Die Anleiterin geht herum und kassiert. Ich habe mich im Preisschild geirrt. Jeder Teller kostet 26 Euro, meine vier Teller also 104 Euro. Ups.

Nach zwei Wochen darf ich meine selbst bemalten Teller abholen, sie sind in braunes Papier gewickelt. Im Laden sind sie noch in transparente Glasur getaucht worden, auf einem Teller blieb davon ein Krümel. Die anderen sind alle glatt, aber Keramik strahlt nicht so weiß wie Porzellan. Die neuen Teller kommen in den Schrank, zu den Blätter­tellern.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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1 Kommentar

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  • Richtig schön, ich liebe solche kleinen aber feinen Angebote, wo man etwas handgemachtes lernt. Danke für den Artikel!