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Gastkommentar Finanzkrise GriechenlandDeutschland steht im Wort

Deutschland hat 2,9 Milliarden Euro Zinsgewinne durch die Finanzkrise Griechenlands gemacht. Die Regierung sollte das Geld zurückzahlen.

Geld zurück nach Griechenland, so eine Forderung Foto: dpa

E ntgegen allen rechten Mythen hat Deutschland massiv von der Finanzkrise in Europa profitiert. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von mir zeigt: Die Bundesrepublik hat seit 2010 rund 2,9 Milliarden Euro Zinsgewinne aus den Programmen für Griechenland gemacht.

Den weitaus größeren Profit hat Deutschland aber aus der historischen Niedrigzinsphase geschlagen. Rund 162 Milliarden Euro an Zinskosten hat die Bundesregierung seit 2008 gespart. EZB-Chef Mario Draghi und die Krise in Griechenland haben mehr zur Haushaltssanierung beigetragen als Wolfgang Schäuble.

Deutschland hat in den Verhandlungen mit Griechenland eine unrühmliche Rolle gespielt. Der sture Kurs der Kaputtsparpolitik hat in Griechenland tiefe Wunden geschlagen und die wirtschaftliche Krise verschärft. Zudem hat Wolfgang Schäuble – nicht zuletzt mit seiner Drohung, Griechenland aus dem Euro zu werfen – viel europäisches Porzellan zerschlagen. Das Misstrauen in der Europäischen Union und das starke Auseinanderdriften der europäischen Partner haben dort ihren Anfang genommen.

Sven-Christian Kindler

ist Sprecher für Haushaltspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Sowohl die Verhandlungen über Schuldenerleichterungen als auch die Nachprogrammüberwachung müssen jetzt unter anderen Vorzeichen stehen. Griechenland braucht jetzt substanzielle Schuldenerleichterungen und ein Ende der Austerität. Dafür muss die Bundesregierung einstehen. Das Land hat seine Verpflichtungen eingehalten, jetzt muss die Eurogruppe ihr Versprechen auch einhalten. Deutschland und Europa stehen im Wort. Pacta sunt servanda.

Deutschland darf kein Kapital aus der Krise in Griechenland schlagen. Es ist das Mindeste, dass die Bundesregierung alle Zinsgewinne, die im Zuge der Krise in Griechenland angefallen sind, an das Land zurückzahlt. Griechenland braucht jetzt dringend Luft zum Atmen und Spielraum für Investitionen und die Bekämpfung der Armut im Land. Schäubles Kaputtsparkurs hat viel zu lange viel zu viel Schaden angerichtet. Der neue Finanzminister Olaf Scholz muss jetzt das Ruder herumreißen.

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8 Kommentare

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  • Wenn ich mir die ganze Diskussion über die geplagten Griechen und die bösen Geldgeber anhöre, komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass eine saubere Staatspleite das beste gewesen wäre. Dann hätten Schuldner und Gläubiger direkt verhandelt und ihre Probleme selbst lösen müssen. Leider haben sich die europäischen Regierungen von den Gläubigern und die griechische Regierung vom eigenen Volk vor den Karren spannen lassen um es jeden Recht zu machen.

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Seit wann zahlt der Hegemon Geld an Vasallenstaaten? Die Griechen haben sich erdreistet nicht so zu abzustimmen, wie es von der deutschen Regierung und ihren angeschlossenen Medienhäusern gewünscht wurde und sind nun zur Plünderung freigegeben. So ist das eben, wenn ein Land statt zum Beispiel einen Weltkrieg zu beginnen, sich ernsthaft etwas zu Schulden kommen lässt!

     

    (Es würde mich interessieren, ob Herrn Kindler klar ist, wie die Lage in der Eurozone im Allgemeinen und Griechenlands im Besonderen mit der Agenda-Politik zusammenhängt, die auch mit den Stimmen seiner Partei beschlossen wurde!)

  • Auf diese absurde Idee muss man erstmal kommen. Warum soll Deutschland auf Zinsgewinne verzichten, die es seiner - vergleichsweise - soliden Haushaltspolitik verdankt? Und warum soll gerade Griechenland diese Zinsgewinne erhalten, das jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt hat und nur mit der Hilfe anderer Länder, u.a. Deutschlands, eine Staatspleite verhindern konnte?

    • @verflixt:

      Sie soltten mal Ihren "Grobschnitt" weglassen und sich um die komplizierten Hintergründe der Geschichte kümmern, die zu der Staatspleite Griechenlands geführt haben. Und warum die deutsche Politik bzw Schäubles Starrsinn zur Verelendung großer Bevölkerungsschichten in Hellas geführt haben. Lassen Sie bitte Ihre Rechthaberei weg, - davon hat Griechenland genug abbekommen.

      • @Joachim Dr.med.Genth:

        Ich glaube, den überheblich moralisierenden Grobschnitt nehmen Sie vor. Ich weiß nicht, in welchen griechischen Zeitungen Sie sich informieren, aber Sie sollten nicht nur die linken oder gar linksradikalen Blätter lesen, sondern auch mal bürgerliche, wie zum Beispiel die weitverbreitete Η Καθημερίνη. Vielleicht würde das Ihre Sicht auf die Dinge ändern.

  • Jau. Auf alle Fälle - Sowieso!

    &

    Die 219!Mrd. Reparationsschulden WK II!

    Endlich fällig stellen!

    Dank im Voraus.

     

    unterm——>

    Das vor!! - Eintritt in die Grexit-Verhandlungen!

    Der griechischen Delegation entgegegenstehende!

    Abgenötigte Revers - mal ab davon - ob rechtlich wg Nötigung verbindlich!

    Dürfte ja mittlerweile - rechtsunwirksam sein!

     

    Näheres in “Die ganze Geschichte“ by Yanis Varoufakis

     

    Ulrike Herrmann

    //http://www.taz.de/!5013658/

    (Geld hat man zu haben - Frau Herrmann!)

    &

    //http://www.taz.de/!5017146/

    Pfändung dt. Eigentums

    &

    //http://www.taz.de/!5237404/

    DB & BReg.

    &

    Zu allem grundlegend & zutreffend

     

    //tazelwurm.de/offener-brief-an-den-herren-bundespraesident-gauck-rechtsanwalt-avvocato-dr-joachim-lau-50122-firenze-via-delle-farine-2/

    • @Lowandorder:

      Sehe ich auch so!

  • Ersteinmal haben die europäischen Partner Griechenland vor der Pleite gerettet. Das Land musste öffentlich eingestehen keine Kredite mehr zu erhalten und konnte ohne Hilfe seinen Kreditverpflichtungen nicht nachommen. Aufgrund der No-Bail-Out Klausel der europäischen Verträge war diese Hilfe keine Selbstverständlichkeit. Das diese Hilfe nur geleistet werden konnte, wenn sich das Land gesundschrumpft war auch allen klar.

     

    Insoweit gab es nie die Drohung mit dem Rauswurf sondern höchstens einen Hinweis bezüglich der Folgen einer Pleite.

     

    Im Übrigen hat Deutschland nie Schuldenerleichterungen versprochen. Die Eurogruppe (nicht Deutschland) hat lediglich die Möglichkeit von Schuldenerleichterungen am Ende des dritten Rettungspaketes in Aussicht gestellt. Einen ordnungsmäßigen und bindenden Beschluss über solche Schuldenerleichterungen durch die dafür zuständigen Gremien der Eurogruppe gab es nie. Ein Vertrag, der an dieser Stelle einzuhalten wäre besteht insoweit nicht.

     

    Die taz wird schon wissen, weshalb sie den Namen des Gastkommentatoren nicht veröffentlicht.

     

    Die niedrigen Zinsen kommen den Mietern und Versicherten jetzt und in Zukunft teuer zu stehen. Allenfalls hier sollte die Bundesregierung helfend zur Seite stehen.