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Gastkommentar DarknetAnonymität muss geschützt werden

Kommentar von Christian Mihr

Seehofer will alle bestrafen, die den Zugang zum Darknet ermöglichen. Doch letztlich sind die Nutzer*innen verantwortlich für das, was dort passiert.

Ist Horst Seehofer wohl gerade im Darknet unterwegs? Foto: dpa

Z ugegeben, wer zum ersten Mal ins Darknet abtaucht, findet weder Schauplätze tiefgreifender Polit-Debatten noch mutige Journalist*innen, die brisante Informationen über Diktatoren veröffentlichen. Der Einstieg in die dunkle Seite des Internets führt geradewegs zu Marktplätzen für Drogen, Waffen, Kinderpornografie oder gestohlene Daten.

Doch illegale Geschäfte gibt es auch offline. Es würde sie auch geben, würde man das Darknet „abschalten“; ein theoretischer Gedanke, denn technisch ist das unmöglich. Nicht das Darknet an sich, sondern seine Nutzer*innen sind verantwortlich für das, was dort passiert.

Journalist*innen und ihren Quellen kann die Anonymität im Darknet ihr Überleben sichern: Sie finden dort einen geschützten Raum, in dem sie recherchieren und Veröffentlichungen vorbereiten können, die einem Diktator nicht gefallen – selbst wenn sie überwacht werden.

Exilmedien können so auf sicherem Weg Informationen aus Krisen- und Kriegsgebieten erhalten und Propagandabilder entlarven. Die Technologie hinter dem Darknet ist vor allem der sogenannte Tor-Browser. Dieser erlaubt es, anonym im Internet zu surfen und Datenspuren zu verwischen.

Christian Mihr

ist seit 2012 Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. Zuvor arbeitete er als Journalist bei verschiedenen Print- und Onlinemedien.

Da Abschalten nicht funktioniert, will Horst Seehofer nun im Kampf gegen Drogen- und Waffenhandel den Strafgesetzbuchparagrafen 126 ändern. Sein aktueller Gesetzesentwurf sieht vor, diejenigen zu bestrafen, die Zugang zum Darknet ermöglichen. Das betrifft auch Reporter ohne Grenzen (ROG). ROG unterstützt das Tor-Netzwerk mit zwei Servern, um Journalist*innen die Umgehung von Zensur zu ermöglichen.

Ausnahmen für Medien sieht der Seehofer-Vorschlag zwar vor. Aber da Tor-Server in erster Linie von Organisationen wie ROG oder von Privatpersonen betrieben werden, würden diese nicht unter die Ausnahmen fallen. Statt ROG und andere zu kriminalisieren, sollten Seehofer und die Bundesregierung Angebote wie Tor im Zeitalter zunehmender Überwachung stärken. Die Änderung des Strafgesetzbuchparagrafen 126 darf nicht kommen!

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10 Kommentare

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  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    Der Torbrowser führt dahin, wo die Einstellung für die Startseite im Internet gesetzt ist. Möglicherweise sind kriminelle Seiten aus Sicherheitsgründen für andere Browser gesperrt. Um diese Seiten zu finden braucht man aber einschlägige Kontakte. Für einen ganz normalen Benutzer macht der Torbrowser kaum einen Unterschied. Nur werden die Seiten etwas langsamer geladen, weil beim anonymisierten Internet wegen der ständigen anstößigen Pressemeldungen nicht soviele mitmachen. Tatsächlich würde Seehofer in seinen Gedankenspielen Privatsphäre verbieten. Da kommen einem eher wieder Bedenken zum totalen Überwachungsstaat.

    • @05653 (Profil gelöscht):

      Genau so ist das naemlich! Es ist ja nicht so, dass Google im Tor-Browser ploetzlich Drogenseiten und Kinderpornos ausspuckt!

  • 0G
    0371 (Profil gelöscht)

    Statt der German Angst zu frönen, sollte sich der Horst mal lieber um die Dinge kümmern, die wirklich zum Fürchten sind: brauner Terror, Klimapolitik und Artensterben. Zumindest die Nazis fallen voll in sein Ressort.

  • Seehofer sollte mal seinen Job richtig machen... der größte Geldgeber / Betreiber von Tor-Nodes sind staatliche Stellen der USA - insbesondere das Militär.



    "Seehofer will alle bestrafen, die den Zugang zum Darknet ermöglichen"



    was will der Vollhorst machen? in den USA einmarschieren? mit Flintenuschis Loosertruppe?

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Es ist erstaunlich, wie es die Menschheit geschafft hat, vor den Darknet Den russischen Zaren, Htler oder Stalin „zu besiegen“ .... Ja, es gab die Vergewaltigung von Kindern vor dem Darknet, aber ich möchte das ROG ohne Mörder und Vergewaltiger zu unterstützen, gegen Menschenfeinde kämpft und gerne den Bewejs, welche Diktatoren dank ROG und seine Server besiegt worden sind.

    Und zu allen Drogen: Totale Freigabe über Apotheken und wir haben Hunderttausende Arbeitsstunden in Polizei und Justiz etc. frei, um Mörder und Vergewaltiger zu fassen!

  • Ein geradezu „genialer“ Schachzug. Als nächstes muss Seehofer dann nur noch die VPN-Verbindungen verbieten und danach macht der Saftladen Deutschland schon von ganz alleine zu. (;-))

  • Erschreckend ist vor allem, dass Bundesbauminister (!) Horst Seehofer seine Zeit und seine Resourcen lieber zur Befriedigung seines Überwachungsfetisches verwendet als zur Lösung realer Probleme - wie der Bekämpfung von Wohnungsnot und Mietpreisexplosion in den Städten.

  • Das schlimmste an Konservativen ist immer noch ihre Dummheit. Leider ist das eine negative Eigenschaft unter einer Legion, die sich zu einem unerträglichen Gemenge aus Bosheit und Ignoranz aufsummieren.

    Man kann der CSU nur immer wieder zu rufen: "Geht doch nach China oder Nordkorea! Das sind Staaten nach Eurem Geschmack. Kein PC und keine Demokratie stören Euch dort, Eure wirren Allmacht-Phantasien auszuleben."

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Michael Garibaldi:

      Ein differenzierter Kommentar. Sehr schön

      • @80576 (Profil gelöscht):

        Warum wird der Tor-Browser immer mit dem Darknet in Verbindung gebracht? Ich nutze den Browser seit Jahren und habe noch nie illegale Inhalte genutzt. Ich wüsste auch gar nicht wie ich diese finden sollte.