BKA sperrt Darknet-Plattform: Auf der dunklen Seite des Internets
Im Darknet wird gern mit Waffen, Drogen oder Falschgeld gehandelt – BKA-Einsätzen zum Trotz. Die Umsätze steigen steil an.
Die illegale Handelswebseite ist tatsächlich nach dem italienischen Politiker Silvio Berlusconi benannt – und trägt dessen Bild als Logo in der Ecke. Die Illegalität der angebotenen Waren geht jedoch weit über die Steuersünden des Namensgebers hinaus: Drogen und Falschgeld gehören dort noch zu den harmloseren Angeboten. Es gibt auch Pistolen, gestohlene Ausweise oder, als besonders florierender Geschäftszweig, E-Mail-Adresse und Passworte normaler Bürger.
Das Bundeskriminalamt hat gerade in einer viel beachteten Aktion die Betreiber eines ähnlichen Marktplatzes festgenommen. Der „Wall Street Market“ wurde von Männern aus Kleve, Bad Vilbel und Esslingen betrieben. Er hatte mehr als eine Million Kunden rund um den Globus – doch jetzt ist er offline.
„Wir sehen eine deutliche Zunahme der Straftatenbegehung im Darknet“, sagt Markus Koths, Leiter der Gruppe Cyber-Kriminalität im Bundeskriminalamt. Das Darknet sei heute der Ort der Wahl für jede Art des illegalen Handels. „Hier etablieren sich neue Vertriebswege für eine ganze Bandbreite von Taten“, sagt der BKA-Experte. „Wir sehen eine zunehmende Verlagerung von der analogen in die digitale Welt.“
Einkaufen wie auf Amazon
Auf den Darknet-Seiten finden sich Marktplätze, auf denen sich fast genauso einkaufen lässt wie auf Amazon. Die Käufer bezahlen den Inhalt ihres Warenkorbs mit digitalen Währungen wie Monero oder Bitcoin. Der Versand physischer Produkte erfolgt ganz normal per Paket. Das ist für die Beteiligten erstaunlich gefahrlos. Innerhalb der EU kontrolliert schließlich niemand den Inhalt von Postsendungen.
Das Darknet ist eigentlich eine ganz triviale Angelegenheit: ein Verbund von verschlüsselten Rechnern, auf den jeder recht einfach zugreifen kann. Das Besondere ist bloß: Wer es richtig anstellt, kann beim Besuch der Seiten nicht identifiziert werden – selbst mit den Mitteln von Polizei und Geheimdiensten nicht.
Im Darknet lässt sich so mit wenigen Klicks ein Sturmgewehr vom Typ AK-47 kaufen; wenn es kompakter sein soll, gibt es auch Maschinenpistolen vom Typ MAC-10. Etwas mehr Wumms gefällig? Es gibt auch Handgranaten und Plastiksprengstoff.
Direkt nebenan sind Drogen im Angebot. Ganz offen werden so gefährliche Substanzen wie Crystal Meth oder Fentanyl angeboten. „Hervorragend gedruckte“ 20- und 50-Euro-Scheine finden sich in vielen Varianten, außerdem Diamanten, die nach Aussage des Händlers illegal von Sklaven in Afrika abgebaut wurden und deshalb besonders günstig sind. Angeblich.
„Ehrliche“ Bürger müssten mit alldem eigentlich nichts zu tun haben. Allerdings stehen hier häufig auch persönlichen Daten zum Verkauf. Das BKA registriere eine „extreme Zunahme der Zahl der digitalen Identitäten“, die Händler im Darknet anbieten, so Kloth.
Viele hundert Millionen persönliche Daten im Angebot
Konkret heißt das: Mailadressen, Kreditkartennummern, Passworte, Handynummern und Zugangsdaten zu Seiten wie Facebook stehen zum Verkauf. Während vor einigen Jahren die Veröffentlichung von 16 Millionen Passworten noch als Skandal galt, haben die Listen heute oft viele hundert Millionen Einträge. „Das zeigt, wie viel Informationen über normale Bürger im Internet kursieren und zum Verkauf angeboten werden“, sagt Alexander Geschonneck, Chef der Abteilung für Wirtschaftskriminalität bei der Unternehmensberatung KPMG.
Die Angebote gehen zum Teil richtig ins Detail. Auf dem Berlusconi-Markt sind derzeit Benutzernamen und Passworte von echten Kunden mehrerer Partnersuch-Portale im Sonderangebot – „perfekt geeignet für Dating-Betrug“.
Die persönlichen Daten gewinnen Kriminelle nicht unbedingt durch Ausspähen einzelner Personen. Stattdessen nutzen sie die massenhafte Verbreitung von Schadsoftware. Vielen großen Unternehmen, sei es Facebook, Microsoft, Yahoo, Gmail, Last.fm, die Marriott-Hotelkette oder T-Mobile, sind bereits Nutzerdaten von ihren Rechnern gestohlen worden. „Eine gewisse Anfälligkeit wird es immer geben, denn ein hundertprozentiger Schutz ist so gut wie ausgeschlossen“, sagt Geschonneck.
Der Schaden geht meist weit über den ursprünglichen Cyber-Diebstahl hinaus. Wenn ein Nutzer auf mehreren Webseiten das gleiche Passwort verwendet hat wie auf einer gehackten Seite, dann hat der Datendieb auch dort Zugang. Schlau ist daher, wer die Anmeldung in zwei Schritten nutzt. Dabei erhält der Kunde bei jeder Neuanmeldung einen Code aufs Handy. Das sperrt Hacker meist aus.
Beamte betreiben Seite weiter
Die Polizei verweist derweil auf laufende Erfolge im Kampf gegen die Kriminalität im Netz. Kriminaldirektor Koths nennt hier die Schließung des Hansa-Markts im Darknet vor zwei Jahren. Damals war es der deutschen Polizei gelungen, die beiden Betreiber an ihren PCs zu überrumpeln; niederländische Beamte betrieben die Seite danach noch eine Weile weiter und identifizierten Händler und Käufer.
Ebenso spektakulär war zeitgleich die Schließung des Alphabay-Markts. Das Handelsvolumen dort hat bereits das Ausmaß der Darknet-Kriminalität gezeigt. Der Markt zählte 1,8 Millionen Kundenkonten, über 9.000 Verkäufer und einen Umsatz von 630 Millionen Euro.
Der Zugang zu solchen Marktplätzen ist denkbar einfach. Wer einen PC hat, muss nur den „Tor-Browser“ im Netz suchen und installieren. Mit Tor lässt sich auf sogenannte Onion-Server zugreifen. Diese schicken die Datenpakete dreimal zickzack über verschiedene Rechner rund um den Globus. Ihre Herkunft und der Empfänger lassen sich dann nur noch schlecht ermitteln. Zahlreiche konkurrierende Marktplätze buhlen inzwischen um Kunden. Sie tragen Namen wie Dream Market, Silk Road 3, Empire Market, Black Market Guns (BMG) oder Majestic Garden.
Doch die Szene ist verunsichert. Angeblich ist auch der Berlusconi-Markt längst von der Polizei übernommen und sammelt bloß noch die Daten seiner Nutzer, heißt es in einigen Foren. Wer dort handele, müsse damit rechnen, dass weniger später seine Wohnung gestürmt werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen