Gastkommentar Chemiewaffen in Syrien: Wegducken ist keine Option
Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien muss Ächtung erfahren. Über die Bestrafung von Kriegsverbrechen zu diskutieren, ist ein Anfang.
V or fast einem Jahr stellten die UN und die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) fest: Das syrische Regime tötete am 4. April 2017 in Khan Sheikhoun rund 100 Menschen mit Sarin. Doch eine politische Antwort des Westens blieb aus, Kriegsverbrechen und Giftgasangriffe setzten sich fort.
Assad ist Wiederholungstäter: Die UN legen ihm 28 Angriffe mit Giftgas zur Last. Die Gefahr für die Menschen in Idlib, erneut Opfer von Chemiewaffen zu werden, ist real. Ist das laute Nachdenken des Verteidigungsministeriums über ein militärisches Eingreifen in Syrien also richtig? Nein – und zwar nicht nur, weil die Planspiele jeglicher Grundlage entbehren. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, Auslandseinsätze müssen vom Völkerrecht gedeckt und vom Bundestag beschlossen werden.
Aber es ist hilfreich, dass diese Debatte öffentlich wurde: Wie können Menschen vor Kriegsverbrechen geschützt und wie auf den Einsatz verbotener Waffen reagiert werden? Dass das Verteidigungsministerium dies aufgreift, unterstreicht den desolaten Zustand der deutschen Friedenspolitik.
Spätestens nach Khan Sheikhoun hätten deren Vertreter von SPD bis Linke deutlich machen müssen, dass der Einsatz von ABC-Waffen nicht geduldet werden darf. Doch stattdessen wurde das Thema verdrängt oder das Schutzbedürfnis der syrischen Bevölkerung ignoriert. Doch ohne eigene Vorschläge, wie Kriegsverbrecher bestraft und Zivilisten geschützt werden können, wirkt die Kritik an militärischen Planspielen wie ein Wegducken.
ist Geschäftsführer der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution.
Dabei hat der Bundestag nicht-militärische Optionen, Assad und seine Unterstützer zu treffen. Bestrebungen Putins, in Europa für den Wiederaufbau Syriens abzukassieren, sollte der Bundestag rechtsverbindlich zurückweisen, bis sich Kriegsverbrecher für ihre Taten verantworten müssen. Wenn der wiederholte Einsatz von Massenvernichtungswaffen keine Konsequenz hat, nimmt das Völkerrecht Schaden. Man muss dem Verteidigungsministerium fast dankbar sein, dass zumindest endlich darüber diskutiert wird.
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