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Gasstop bedroht SüßwarenindustrieDas Ende der Quengelzone

Der Gasstop könnte für leere Schoko- und Keksregale sorgen. Die Süßwarenindustrie findet: es darf nicht an diesen Grundnahrungsmittel fehlen!

Was Kindern verschwiegen wird: Süßwaren sind eigentlich essenziell Foto: Cavan/imago images

Energieembargo. Das Wort liegt spätestens seit den Bildern der Leichen auf den Straßen von Butscha wie ein dunkles Omen über der europäischen Wirtschaft. Die ersten Restaurants streichen an Werktagen Pommes aus ihren Speisekarten, nur noch am Wochenende kann man sich das rare Gut gönnen – zu teuer und zu knapp ist Sonnenblumenöl mittlerweile.

Nun der nächste Schock: Wird die Gasversorgung aus Russland gestoppt, könnte das die Süßwarenproduktion komplett stilllegen. Schon jetzt steigen die Preise für Weizen, Nüsse, Zucker, Eier, selbst für das gute alte Palmöl. Wichtige Zutaten zur Herstellung von Keksen, Schokolade, Marshmallows, Salzstangen … Ist das schon dieser „Wohlstandsverlust“, vor dem Christian Lindner am Sonntag warnte?

Die Süßwarenindustrie schlägt jedenfalls Alarm! Woraufhin die Zeitungen Alarm schlagen! Natürlich nicht wegen der paar Arbeitsplätze, die verloren gehen könnten (laut Statista waren es 2020 rund 55.000 Beschäftigte). Wirklich alarmierend sind: leere Regale. Leere Quengelzonen an der Kasse. Nix zu Naschen nach einem langen Arbeitstag. Denn was Kindern verschwiegen wird: Süßwaren sind eigentlich essenziell. Sie gelten als Lebensmittel. Etwas, an was es im Westen nicht mangeln darf.

Süßigkeiten haben eine „herausragende Bedeutung“

„Die Unternehmen der deutschen Süßwarenindustrie stellen Lebensmittel her und haben daher eine herausragende Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland vor allem in Notfall- und Engpasssituationen“, so Bastian Fassin, Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI).

Seine Forderungen: Sollte es zu Energieengpässen kommen, müssen Lebensmittelhersteller (also auch die, die Süßigkeiten herstellen) klar priorisiert werden. Außerdem: kurzfristige Ausnahmen bei der Deklarationspflicht für Zutaten auf Produktverpackungen. Heißt, vielleicht wird im Schokoriegel bald Sonnenblumenöl durch Palmöl ersetzt oder die Walnuss durch die Haselnuss. Neu drucken bräuchte man die Verpackung nicht, denn auch da ist das Material knapp.

Für alle, die Ausmaß und Ernsthaftigkeit der Situation immer noch nicht begriffen haben: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz rät, für Notsituationen einen Vorrat an „haltbaren und energiereichen Produkten“ anzulegen – laut BDSI gehören dazu explizit auch Schokolade, Kekse oder Salzstangen. Der Mensch lebt schließlich nicht von Brot und Klopapier allein.

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28 Kommentare

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  • Krieg ist der Vater des Fortschritt. Wurden nicht die Dominosteine aus Gründen der Mangelwirtschaft erfunden?

  • Puh der ironische Unterton hat schon etwas klassistisch-herablassendes. Natürlich ist es ein Wohlstandsverlust, wenn sich Menschen keine Süßwaren oder Knabberzeug leisten können.

    • @grüzi:

      Na hoffentlich werden die Kippen nicht auch noch teurer.

    • @grüzi:

      Es geht ja nicht darum, dass sich das manche nicht mehr leisten können, sondern dass es gar keine Süßigkeiten mehr gäbe, wenn der Süßwarenindustrie der Gashahn abgedreht wird, da sie nun mal nicht gerade systemrelevant ist. Es hat aber im Gegenteil doch irgendwie etwas Egalitäres, wenn alle ganz klassenunabhängig endlich von Süßigkeiten entwöhnt werden...

  • RS
    Ria Sauter

    Wenn ein Gut knapp wird können die Preise angezogen werden.



    Die Werbeagentur der Süssfirmen hat ihren Job gemacht.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    "...Süßwarenindustrie stellen Lebensmittel her und haben daher eine herausragende Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland vor allem in Notfall- und Engpasssituationen“,...

    Als ob bloßer Zucker oder Zuckerersatzstoffe, viel Chemie (Farbstoffe etc.) und andere oft wohl kaum "gesundheitsfördernde" Inhalte lebenswichtig und lebenserhaltend wären! Glatter Unfug nach dem Motto "Freiheit für Gummibärchen & Co".

    Wer auch nur über einen Funken an Hintergrundwissen über gesunde Ernährung verfügt, weiß, dass 1.) Zucker in sämtlichen Nahrungsmitteln enthalten ist bzw. von Herstellern bewusst zugeführt wird und 2.) gerade (zuviel) Süsswarenkonsum gesundheitliche Schäden verursacht, und 3.) Zucker süchtig macht: www.medisana.de/he...blog/zuckerkonsum/

    Wer "Schokolade etc." als geradezu unverzichtbares "Grundnahrungsmittel", noch dazu in Krisenzeiten betitelt, dessen Absicht kann nur sein, viel Umsatz zu machen ungeachtet jeglicher wissenschaftlicher Ernährungsempfehlungen!

    Fazit: Äpfel, Birnen etc, frische Gemüsesorten sind weitaus nahrhafter und gesünder als auch nur ein einziges zuckerummantelt-buntes Süsswarenprodukt aus der Plastiktüte.

    ""Die Industrie bekämpft jede Art von Regulierung", sagt Anne Markwardt, Lebensmittelexpertin des Verbraucherschutzverbandes. Sie findet die Art der Zuckersteuer in Großbritannien interessant. Dort müssten Hersteller von Softdrinks zahlen, wenn sie Grenzwerte überschreiten. So etwas würde die hiesige Industrie hart treffen. Deutschland ist eine Süßwaren-Hochburg - nicht nur wegen der Konsumenten, auch weil die Hersteller so einflussreich sind." (Vgl. www.sueddeutsche.d...schland-1.4774888)

    • @93851 (Profil gelöscht):

      "Wer "Schokolade etc." als geradezu unverzichtbares "Grundnahrungsmittel", noch dazu in Krisenzeiten betitelt..."

      ...hat bestimmt Unrecht. Aber man sollte nicht vergessen, dass Schokolade glücklich macht. Nach dem Krieg haben Schokolade verteilende amerikanische Soldaten den Grundstein für spätere Freundschaft gelegt haben :-)

  • @strolch



    Ich finde, die Ironie im Text bezieht sich auf das Profitinteresse einer Branche, die nun ihre Produkte als existentiell notwendig lamentiert, weil gerade in der Luft hängt, dass Ressourcen zugeteilt und Produktionen staatlich reglementiert werden könnten. Einen Reflex kann ich nur bei Ihrem Kommentar erkennen, der einen Aufschrei fabuliert, den ich mir z.B. nicht so vorstellen kann. Außerdem käme ein solcher Aufschrei um vegane Produke aus ner gesellschaftlichen Ecke und wäre für mich authentischer als das lobbyistische Gebabbel von Konzernen.

  • Die Frage ist schlicht, wie sehr unsere verwöhnte Bevölkerung bereit ist, den Gürtel enger zu schnallen. Leere Regale sind innenpolitisch nicht ungefährlich.

    • 9G
      93851 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Zwischen "Gürtel enger schnallen" und ganz "..leere(n) Regale(n).." liegen



      1.) Welten und



      2.) sehe ich keinen Zusammenhang zwischen "Brettern" und innenpolitischer Gefahr. Scheint eher es hapert an einer gewissen Grammatik.

      • @93851 (Profil gelöscht):

        Anders formuliert. Welche Nachteile ist die Bevölkerung in ihrer Mehrheit bereit, in Kauf zu nehmen?

        Ist diese Bereitschaft überreizt, hat das innenpolitische Folgen. Eine einfache Sache, die unserer Regierung durchaus bewusst ist. Und aus dieser Tatsache kann man sich dann auch nicht mehr mit Spitzfindigkeiten rauswinden. Und natürlich müssen Regale nicht ganz leer sein. Etwas reicht schon. Wie gesagt. Die deutsche Bevölkerung ist, besonders im Westen, durch Überfluss verwöhnt.

  • Seit wann sind Süßigkeiten Grundnahrungsmittel? Brot ist eines. Obst ist eines. Gemüse ist eines.

    Oreos wachsen nicht in der Natur und gibt es erst seit wenigen Jahren.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ja, schon dreist und zynisch diese Selbstdarstellung der Süßwarenindustrie. Verwunderlich ist es nicht. Zynisch ist sie, weil Fehlernährung (bis auf Kalorien nährstoffarme Ernährung) durchaus neben Hunger ein Gesundheitsoproblem darstellt. Und daran hat auch die Süßwarenindustrie ihren Anteil dran.

  • Schönen Dank auch an die taz.



    Jetzt rennen die Hamster wieder los, und wer seine Osterhasen nicht wochenlang im Voraus kauft, muss den Kindern zuliebe mitlaufen.



    Kompliment an die Werbeabteulungen von Lindt und Co.

    • @Leichtmatrose:

      Die lesen ganz bestimmt auch alle die taz.

  • Ja, da kommt der Grüne Reflex der Autorin durch, der besagt, Süßwaren sind ungesund und eigentlich sollte man sie zum Schutz des Bürgers verbieten. Wenn diese knapp werden, ist damit eigentlich das Ziel erreicht und wenn dagegen jemand aufbegehrt, muss man es ins Lächerliche ziehen.

    Was würde die Autorin scheiben, wenn vegane Produkte betroffen wären und z.B. keine Soja mehr käme? Ich vermute, der Aufschrei wäre lauter als alles was die gesamte Süßwarenindustrie je äußern könnte. Wirklich brauchen tut man diese Produkte auch nicht und diese sind noch viel mehr Ausdruck einer Wohlstandsgesellschaft als Süßigkeiten.

    • @Strolch:

      "Wirklich brauchen tut man diese Produkte auch nicht und diese sind noch viel mehr Ausdruck einer Wohlstandsgesellschaft als Süßigkeiten."



      Sie vergaßen vorher von Tierprodukten zu schreiben, um sich hiernach auf diese zu beziehen. Denn diese meinten Sie doch, wenn Sie davon schreiben, dass es sie nicht bräuchte, oder? ;-) Was wenn nicht Tierprodukte sind gute Beispiele für die Wohlstandsgesellschaft bzw. genauer für die imperiale Lebensweise?[1] Angesichts der verheerenden Auswirkungen der hierzulande verbreiteten Massentierhaltung sollte mensch bezüglich Sojaprodukte doch etwas leiser sein, finde ich.[2]



      [1] taz.de/Buch-ueber-...bensstil/!5481918/



      [2] www.theguardian.co...ur-impact-on-earth

    • @Strolch:

      Sie „brauchen“ keine veganen Produkte? Grundnahrungsmittel wie Brot, Reis, Kartoffeln, Teigwaren, Öle etc. (Zucker ist auch ein veganes Produkt, dabei aber eines der ungesündesten).



      Ernähren sie sich von Fleisch, Fisch, Milch, Butter und Eiern?

    • @Strolch:

      Warum so ernst? Humor ist, wenn man trotzdem lacht - also auch ohne Schokolade.

    • @Strolch:

      Ihr Beispiel mit Soja geht leider nach hinten los. Käme eine Sojakrise, würde die Autorin Süßwarenindustrie durch Fleischindustrie ersetzen und denselben Artikel noch einmal schreiben können.



      Laut WWF wird Soja zu 80% als Futtermittel für "Eier, Milch und vor allem Fleisch" verwendet. Tönnies & Co. würden dann fordern, die Fleischfabriken zuerst mit dem knappen Gut zu bedienen und nicht die Körner fressenden Ökos und VegetarierInnen. Begründung wäre dann ähnlich krude wie die der Süßwarendealer.

    • @Strolch:

      Ich sehe nichts ins Lächerliche gezogen!

      Aber vielleicht wäre ein Umdenken der Gesellschaft weg von ausbeuterischen Ressourcengewinnungen wie Palmöl, Kakao etc hin zu bewussten, fairen Handelsketten und der-wo möglich-regionalen Substitution von Inhaltsstoffen ein erster Schritt in einen nahchaltigere Welt (klar wird bei Kakao unmöglich, den regional zu beziehen, aber Kakaoanbauregionen und die Menschen dort freuen sich auch über faire Löhne).

      Und wenn wir gerade dabei sind,:



      dass weiterhin soviel Getreide in die Futtermittelindustrie und/oder die Tanks der Nation fließen ist unter den gegebenen Umständen mehr als absurd.Und vegane Substitutionen sind nicht so ressourcenintensiv wie die Fleisch- und Milchindustrie!

      Vielleicht braucht es die echte Verknappung von Luxusgütern (ja Süßigkeiten sind Luxusgüter, auch wenn dass die Süßigkeitenindustrie anders deklarieren will,-aber wer Sklaverei und Menschenhandel unterstützt, wie Nestlé oder Ferreo oder Masterfoods etc... der behauptet viel, was nicht stimmt), damit die westliche Welt bereit wird, sich zu ändern, Corona hat es ja leider nicht geschaffft, das Konsumverhalten der deutschen Michels zu ändern!



      ein mE. völlig unqualifizierter , unreflektierter Beitrag welcher nur die eigenen Unwilligkeit, sein Leben grundlegend zu ändern veranschaulicht! werte*R Strolch!

      • 9G
        93851 (Profil gelöscht)
        @nolongerquiet:

        "..Umdenken der Gesellschaft.."?



        Wer stellt denn den ganzen "Quatsch" her? Dann wenden Sie sich doch bitte erstmal an diejenigen, die aus lauter Profitgier alles mögliche in Nahrungsmitteln "unterbringen", anstatt nur den für viele viel zu teueren fairen Handel anzupreisen.



        Verknappung von Luxusgütern insgesamt sehr gerne, aber dann bitteschön auch bei denjenigen, die bei der Reichensteuer noch sparen ...

      • @nolongerquiet:

        Danke! Ihr Beitrag bestätigt den meinen:

        unreflektierter Beitrag welcher nur die eigenen Unwilligkeit, sein Leben grundlegend zu ändern veranschaulicht!

        Sie möchten gerne vorschreiben, wie andere Menschen zu leben haben...

        • @Strolch:

          nein, ich möchte IHnen und niemanden sonst vorschreiben wie sie zu leben haben,



          ich verstehe nur nach all den Jahren immer noch nicht, nicht wie Ignoranz und Egoismus die Menschen blind gegen Ausbeutung und Zerstörung unseres Planeten macht!



          IYF!

    • @Strolch:

      Sind Süßwaren etwa nicht ungesund?

  • Das Beispiel zeigt deutlich, dass nicht der Staat und die Bundesnetzagentur darüber entscheiden sollten, was in unserem Land wichtig ist und bei einer Gasrationierung bevorzugt wird, sondern dass man das über den Preis regeln sollte.

    • 9G
      93851 (Profil gelöscht)
      @meerwind7:

      Außer Staat, Netzagentur und Preisen gibt es im Übrigen sogar auch noch den gesunden Menschenverstand: wer keinen Schrott essen will, tut es auch nicht.

    • @meerwind7:

      Wer sollte das denn sonst entscheiden, die Konzerne etwa nach profitorientierten Kriterien womöglich?