Gaspreise in Europa: Preisdeckel für die Niederlande
Die niederländische Regierung will künftig einen Grundbedarf an Strom und Gas subventionieren. Jenseits der Grenze ist der Marktpreis fällig.
Konkret ist vorgesehen, dass der Preisdeckel bis zu einem durchschnittlichen Haushaltsverbrauch von 1.200 Kubikmetern Gas sowie 2.400 Kilowattstunden Elektrizität gilt. Der Preis für die entsprechende Menge soll auf dem Niveau vor dem Ukrainekrieg liegen. Der Kubikmeter Gas soll nicht mehr als 1,50 Euro kosten, Strom pro Kilowattstunde 0,70 Euro. Jenseits dieser Grenze wird der Marktpreis bezahlt – und Verbraucher so zum sparsamen Konsum angespornt.
Ein durchschnittlicher Haushalt soll nach Regierungsangaben damit etwa 2.280 Euro im Jahr sparen. An den Details wird weiterhin gearbeitet, heißt es in der Mitteilung, die erst kurz vor der Präsentation der Haushaltspläne für das kommende Jahr veröffentlicht wurde.
Die Mitte-rechts-Koalition in Den Haag reagiert damit auf den zunehmenden Druck anlässlich verschiedener Szenarien, die in letzter Zeit veröffentlicht wurden. So erwartet das die Regierung beratende Centraal Plan Bureau (CPB), dass bis zu 1,2 Millionen Haushalte ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Das Nationale Institut für Budget-Information (Nibud) sieht 2,5 Millionen und damit ein Drittel aller Haushalte gefährdet.
Angesichts solcher Perspektiven gab es in den vergangenen Wochen starke Kritik an der Regierung. Die hatte zwar Ende August ein 17 Milliarden Euro schweres Paket zur Stärkung der Kaufkraft beschlossen. Dieses aber gilt ab 2023, und die Forderung nach einem sofortigen Eingreifen wurde von der Regierung stets als unmöglich abgelehnt.
Der Sinneswandel erklärt sich nicht zuletzt mit dem dramatisch schlechten Image der Vier-Parteien-Koalition von Premier Mark Rutte. Gemäß der jährlichen Umfrage zum Start des parlamentarischen Jahres wurde deren Popularität mit 3,3 (auf einer Skala von 1 bis 10) so schlecht bewertet wie keine ihrer Vorgängerinnen. 65 Prozent der Befragten sprachen sich für Neuwahlen im nächsten halben Jahr aus, darunter auch zahlreiche Anhänger der Koalitionsparteien. Insofern kann der Preisdeckel auch für die Regierung eine Rettungsleine bedeuten.
Dass die Energiekrise die Niederlande besonders hart trifft, hat auch tiefere Gründe: Der Energiemix ist traditionell stark auf Gas ausgerichtet. Hinzu kommt die Liberalisierung des Energiemarkts 2004. Dass Konsumenten mit flexiblen Kontrakten ständig den Anbieter wechseln konnten, gefiel den sparfreudigen Niederländern. Seit Ende 2021 sind sie damit aber besonders anfällig für Preissteigungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist