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Gartenkolonie in NeumünsterPolizei löst Rechtsrockkonzert auf

Laut Polizei waren knapp 400 Menschen für ein Rechtsrockkonzert nach Neumünster gekommen. Als Beamte die Veranstaltung auflösten, kam es zu Gewalt.

Gegen einzelne Rechtsextreme wurde wegen Landfriedensbruch Anzeige erstattet Foto: dpa

Neumünster taz | Unter dem Motto „Der Norden rockt“ hatte Rechtsrock-Unternehmer Thorsten Heise für ein konspiratives Konzert im schleswig-holsteinischen Neumünster geworben, auftreten sollten am Samstagabend „Endstufe“, „Radikahl“ und „Hard & Smart“. Das Event war der Szene lange vorher mit Ortsangabe „Großraum Hamburg“ bekannt, auch die Polizei bekam etwas mit. Als die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen gegen 18 Uhr den Veranstaltungsort, das Vereinsheim der „Gartengemeinschaft Heinrich Förster“, veröffentlichte, dauerte es nicht lange, bis die Polizei mit Großaufgebot anrückte.

Schon während die erste Band einen Soundcheck machte, fanden sich viele Uniformierte zwischen den Parzellen ein und umstellten den Veranstaltungsort großflächig. Als sie mit der Auflösung des Konzerts begannen, griffen laut Polizei Konzertbesucher die Be­am­t*in­nen an, verschanzten sich zum Teil im Gebäude und verwüsteten es. Über Heises Online-Shop „Deutsche Warenhaus“ hatten Rechtsrockfans Tickets für rund 20 Euro erwerben können, 388 Karten soll er verkauft haben. Aus dem thüringischen Eichsfeld führt der NPD-Bundes- und Landesvize sein Geschäft. Die gewaltbereite Kameradschaft „Arische Bruderschaft“ (AB) ist ihm schon lange treu ergeben, gemeinsam werden seit Jahren immer wieder Veranstaltungen organisiert und abgesichert.

Die Anmietung des Vereinsraumes sei über „eine Frau aus Schleswig-Holstein“ angeblich „für eine Verlobungsfeier“ gelaufen, hieß es vor Ort. Eine der üblichen Tricks, mit dem Rechtsextreme versuchen, öffentliche Räume anzumieten. Gerne wird auch behauptet, bloß eine Geburtstagsfeier mit Live-Musik zu planen. Im Wernershagener Weg am Eingang zur „Heinrich-Förster“-Kolonie kontrollierte Gianluca Bruno von der „Arischen Bruderschaft“ den Einlass. Der Rechtsextremist Bruno hatte gemeinsam mit Heises Sohn 2018 zwei Journalisten brutal angegriffen und einen schwer verletzt. Erst Jahre später verurteilte das Landgericht Mühlhausen 2022 den 28-jährigen Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe und den 23-jährigen Mitangeklagten zu Arbeitsstunden.

Unterstützung durch die Bundespolizei

Laut Polizei waren viele der Besucher früh stark angetrunken. Ein Feuerlöscher und Stühle flogen den Be­am­t*in­nen entgegen, Mobiliar ging massenhaft zu Bruch, Fensterscheiben zerbrachen. „Ein Ort der Verwüstung“, so ein Augenzeuge. Ein Viertel der Kon­zert­be­su­che­r*in­nen habe sich laut Polizei Neumünster in dem Gebäude verschanzt. Im Saal hing bis zuletzt das Banner der „Brigade 12 Pommern“ mit zwei gekreuzten Granaten. Die Kameradschaft „Brigade 12“ gilt als eine Untergruppe der „Arischen Bruderschaft“ von Thorsten Heise und erweitert deren Einflussbereich bis nach Vorpommern.

Gegen einzelne Rechtsextreme wurde wegen Landfriedensbruch Anzeige erstattet. Die lokalen Einsatzkräfte erhielten Unterstützung durch die Bundespolizei. Heise allerdings konnte offenbar unbehelligt gegen 23 Uhr das Gelände verlassen. Auffällig hoch war das Alter der Fans. Mit „Endstufe“ aus Bremen war dem NPD-Kader gelungen, eine der ältesten rechten Skinhead-Bands der Szene zu präsentieren. „In sein Lager zu ziehen“, so versteht es Rechtsrock-Experte Thorsten Hindrichs. Denn im Rechtsrock-Business laufe gerade eine „harte Konkurrenz um den größten Einfluss“ ab, sagte er gegenüber der taz.

Die aus Thüringen stammende Band „Radikahl“ offenbart eine weitere Verbindung und die Band „Hard & Smart“ eine weitere. Sie wird von „Oldschool Records“ gelabelt. Deren Betreiber zählt zum Spektrum der berüchtigten Kameradschaft „Voice of Anger“ aus dem Allgäu. Über die politische Ausrichtung muss nicht spekuliert werden, Hinrich weist auf das Gesangsrepertoire von „Radikahl“ hin. Sie intonieren „Hängt dem Adolf Hitler, hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um“ und „hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz“. Inzwischen beklagen sich die Rechtsextremen im „Rock Hate Forum“ bei Telegram, dass ihr Konzert von der „Staatsmacht gestürmt“ worden sei.

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2 Kommentare

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  • In die Überschrift hat sich ein Fehler eingeschlichen: Der Mist war in Neumünster, nicht in Münster.

    Ansonsten vielen Dank, dass die taz so beständig über die rechtsradikalen Auswüchse in Deutschland berichtet. Es ist total wichtig, diese zu beleuchten.

  • Krass, hatte heute einige Termine in Neumünster. Das Konzert, dessen Ankündigung habe ich gar nicht wahrgenommen.