ZDF-Doku über Rechtsrock: Eine Geldquelle für Neonazis
Die Neonazi-Musikszene ist professionell organisiert und international vernetzt. Das zeigt eine neue Doku mit verstörenden Konzertaufnahmen.
Aufzeichnet wurden die verstörenden Szenen der Doku vom Investigativjournalisten Thomas Kuban bei Neonazi-Rockkonzerten hinter verschlossenen Türen– maskiert und mit verdeckter Kamera. Der Film zeigt vermeintlich „private“ Rockevents ebenso wie die großen Veranstaltungen. Tausende kamen zu „Die Tage der nationalen Bewegung“ in Themar oder das „Schild und Schwert Festival“ in Östritz. Im Jahr 2018 zählte der Staatsschutz 320 Konzerte bundesweit. ExpertInnen gehen von insgesamt 35.000 BesucherInnen aus.
Obwohl das ZDF-Team nirgendwo frei drehen durfte, gelang ihm tiefe Einblicke, welche Menschen diese Rechtsrock-Konzerte besuchen. Menschen von „Division 28“ zeigen sich offen, eine Tarnung der längst verbotenen Formation „Blood and Honour“. Die Ziffer 2 steht dabei für den zweiten Buchstaben und die 8 für den achten im Alphabet. 28 bedeutet „BH“, so gelingt die Camouflage. Die gewaltbereite Neonaziformation „Combat 18“, zu der auch der mutmaßliche Lübcke-Mörder Stephan Ernst Kontakt gehabt haben soll, nutzt die Lücke: Die Ziffer 1 steht für A, den ersten Buchstaben im Alphabet, die 8 für den achten. „Combat 18“ ist die selbsternannte Kampftruppe „A“dolf „H“itler.
Auch die Gäste des Konzertes verstehen sich auf das zynische Spiel mit NS-Ideologie und Symbolen. Auf T-Shirts steht „HH“ oder „HKNKRZ“ und auch diese Botschaft ist klar: „Wer A sagt, muss auch DOLPH sagen. Andere gehen weiter. „Ein Baum ein Strick, ein Antifa-Genick“; drohen sie auf T-Shirts. „Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen!“ steht da oder das Shirt zeigt eine Faust mit einem Messer, das zusticht: „Blut rein, Blut raus!“ ist das ebenso banale wie erschreckende Bekenntnis zur Gewalt.
„Rechtsrock in Deutschland – Das Netzwerk der Neonazis“ Sa., 2. November, 20.15 Uhr, ZDFinfo, anschließend in der ZDF-Mediathek
Der Dokumentation gelingt der Nachweis, dass sich die Szene lange in nahezu rechtsfreien Räumen entwickeln konnte. Sie zeigt Akteure und Profiteure des Geschäfts und ihre internationale Vernetzung. Eine Million Euro habe die Szene im vergangenen Jahr allein in Thüringen eingenommen, sagt Landesverfassungsschutzchef Stephan Kramer. Sie „missbrauchten“ das Versammlungsrecht, um Steuern zu sparen, berichtet er. Im Jahr 2018 brachten 32 Labels 89 neue Tonträger mit „völkischer“ Rockmusik auf den Markt – ein Millionengeschäft.
„Rechtsrock ist die Begleitmusik zu Mord und Totschlag“, sagt der Fotograf Andre Adam, der die Szene seit Jahren verfolgt. Er fordert die Behörden auf, in die Finanzströme einzugreifen. Die mangelnde Intervention beklagt auch der Journalist, der die verstörenden Videos gedreht hat. „Sie singen blutrünstige Lieder, die zu Gewalt an politischen Gegnern aufrufen, bis zum Mordaufruf“, sagt Kuban. Auch Verfassungsschutzchef Kramer räumt ein, dass die Behörden lange zugesehen haben. Da sei argumentiert worden, „lasst sie mal ein oder zwei Konzerte machen, dann ist der Spuk vorbei.“
Es geht auch anders. Im Juli 2019 fanden die „Tage der nationalen Bewegung“ unter harten Auflagen und strengen Kontrollen von Staatsschutz und Polizei statt. Es war das erste Rechtsrockkonzert nach dem Mord an Walter Lübcke. Zwei Auftritte von Bands wurden abgebrochen, weil sie indizierte Lieder sangen. Die Polizei protokollierte 45 Straftaten und 13 Ordnungswidrigkeiten. „Das NS-Trio hätte nie funktioniert, wenn es das Netz der Rechtsrock-Szene nicht hätte nutzen können“, sagt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs, der das AutorInnenteam beraten hat. Er findet, es sei an der Zeit, genauer hinzuschauen. Dafür können Dokus wie diese ein Anfang sein.
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