Gangsterkomödie „First Love“ auf DVD: Liebe und viel Blut

Krawallregisseur Takashi Miike bringt in der Komödie „First Love“ einen Boxer und eine Sexarbeiterin zusammen – und viele Yakuza ins Grab.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Bank in einer U-Bahn.

Er ist ohne Illusionen, sie hat Halluzina­tionen: Leo und Monica auf der Flucht Foto: Eurovideo

Gewalt im Film bietet oft Anlass für Kontroversen. Angefangen damit, dass es die verbreitete Ansicht gibt, Gewalt solle im Kino am besten gar nicht gezeigt werden. Filmemacher, die sich expliziter Gewaltszenen bedienen, bekommen denn auch gern den Vorwurf gemacht, sie bedienten lediglich niedrige Instinkte oder Ähnliches, wollten sich mithin durch ein tiefrot ausgemaltes Spektakel vor allem ihr geneigtes Publikum sichern.

Der japanische Filmemacher Takashi Miike ist bekannt für exzessiv dargestellte Gewalt, auch seine soeben auf DVD erschienene Gangsterkomödie „First Love“ macht da keine Ausnahme. In einem seiner berühmtesten Filme etwa, „Audition“ von 2000, muss das Publikum zehn Minuten lang mitverfolgen, wie eine Frau einen Mann unter Drogen setzt und diesen dann, bewegungsunfähig gemacht, ausgiebig foltert, bis sie schließlich Schlimmeres mit ihm anstellt.

Schockierend ist das ohne Zweifel. Man kann diese Szene aber unschwer als drastische Kritik an männlicher Gewalt gegenüber Frauen erkennen. Miike dreht hier buchstäblich den Spieß um.

Miikes aktueller Film „First Love“ handelt ebenfalls von Gewalt gegen Frauen, doch ist dies lediglich ein Strang dieser kräftig gegen den Strich gebürsteten Liebesgeschichte. Monica (Sakurako Konishi) ist Prostituierte wider Willen. Ihr Vater, der sie früher häufig geschlagen hat, überließ sie irgendwann einem Yakuza-Clan. Bei dem hatte der Vater zu viele Schulden angehäuft, jetzt muss seine Tochter anschaffen, um seine Altlasten zu begleichen.

„First Love“. Regie: Takashi Miike. Mit Masataka Kubota, Sakurako Konishi u. a. Japan 2019, 104 Min. Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel erhältlich

Monica wird in einer Wohnung der Gangster gefangengehalten, ist drogensüchtig. Wenn sie nüchtern wird, plagen sie Halluzinationen: Immer wieder erscheint ihr dann die Gestalt ihres Vaters. Sakurako Konishi lässt diese Monica als panisch Getriebene durch den Film stolpern.

Er kann halt nur boxen

Durch einen Zufall trifft Monica, die bürgerlich Yuri heißt, auf den jungen Boxer Leo (Masataka Kubota). Der ist zwar wahnsinnig talentiert, hat aber im Grunde keinerlei Ambitionen. Als Waisenkind aufgewachsen, fühlt er sich niemandem verpflichtet. Boxen tut er einfach, weil er nichts anderes kann. Masataka Kubota gibt diesen Leo maximal abgebrüht unbeteiligt. Seit ihm ein Hirntumor diagnostiziert wurde, hat dieser ohnehin nichts mehr zu verlieren.

Das Zusammentreffen von Monica und Leo verdankt sich einem Yakuza-Plot, in dem ein eigenmächtig handelnder Clan-Gangster und ein korrupter Polizist planen, sich eine für den Clan bestimmte Lieferung Crystal Meth unter den Nagel zu reißen. Als Bauernopfer wählen sie Monica aus, der sie den Drogenklau unterschieben wollen. Diese wohnt praktischerweise schon bei dem Gangster, der regelmäßig die Drogenlieferungen entgegennimmt.

Damit Monica beim Drogenraub nicht im Weg ist, „bucht“ der Polizist sie für den Termin der Drogenlieferung. Später soll sie aus dem Weg geschafft werden.

Nach allen Regeln der Kunst gesetzter Fausthieb

Bei dem Deal geht einiges schief, angefangen damit, dass Monica, während sie mit dem Polizisten auf der Straße unterwegs ist, erneut von der Erscheinung ihres Vaters heimgesucht wird und reißaus nimmt. Der Polizist verfolgt sie, Monica ruft um Hilfe. Da kommt Leo des Wegs und interpretiert die Situation derart, dass er den Polizisten mit einem nach allen Regeln der Kunst gesetzten Fausthieb niederstreckt. Danach flieht er mit Monica.

Die Geschichte der Begegnung von Monica und Leo und des Drogenraubs kompliziert sich im Folgenden dadurch, dass ein chinesischer Clan mit dem Yakuza-Clan einen Krieg anzetteln will. Auf einmal sind jedenfalls nicht nur die japanischen Gangster hinter dem unfreiwilligen Paar her, sondern auch die chinesischen.

Auf beiden Seiten wird es im Verlauf der Handlung, die Miike nach und nach immer atemloser – und immer gewalttätiger – inszeniert, viele Opfer geben. Doch verfolgen Miikes Gangster nicht allein kalt ihre Geschäftsinteressen, sie erweisen sich mitunter durchaus als Menschen mit eigenem Wertesystem.

Gewalt hat in Filmen ihren Platz

Über Gewalt im Film hat Miike einmal gesagt, dass er diese nicht des reinen Schocks wegen einsetzt. Ihn ängstigten vielmehr am meisten solche Kollegen, die die Gewalt unter den Teppich kehrten. Was nicht heißen soll, dass alle Filme zwingend Gewalt nötig hätten, um wahrhaftig zu sein. Man kann Miikes Einlassung als Plädoyer dafür verstehen, dass Gewalt in Filmen ihren Platz hat. In bestimmten zumindest.

Auf Miike angewandt heißt das: in sehr vielen Filmen. Mehr als 100 erstellte der Schnellarbeiter seit seinem Debüt „Eyecatch Junction“ von 1991. Nicht alles davon ist aufwendig produziert. Für „First Love“ hat er sich immerhin eine Verfolgungsjagd mit zahllosen Polizeiwagen gegönnt. Der spektakulärste Moment ist allerdings – unvermittelt – als Animation im Comic-Stil gehalten.

Denn bei allem Blut hat Miike viel Sinn für Humor, nicht bloß für schwarzen. In einer Szene von „First Love“ greift Leo sogar zu einer eigenwilligen therapeutischen Intervention: Als Monica wieder einmal von ihren Halluzinationen geplagt wird, steckt er ihr seinen Kopfhörer mit Musik ins Ohr. Das Gespenst ihres Vaters beginnt darauf, im Rhythmus dazu zu tanzen.

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