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Galeria Kaufhof geht in die InsolvenzEine Chance für Städte

Kommentar von Svenja Bergt

Galeria Karstadt Kaufhof ist mal wieder in der Krise und die Einkaufsmeilen klagen zunehmend über Leerstand. Für Innenstädte ist das eine neue Möglichkeit.

Die seit September 2022 leer stehenden Verkaufsräume der Galeria Kaufhof am Münchner Stachus Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

A n Feiertagen und eigentlich schon an einem ganz gewöhnlichen Sonntag könnte man in vielen Innenstädten, Fußgängerzonen oder Shoppingmalls einen Science-Fiction-Film drehen. Eine von diesen Weltuntergangsdystopien, in denen sich böse Roboter, Aliens oder Lavamassen durch die Straßen schieben. Doch weit und breit kein Mensch. Die Rollgitter des Mode-Flagshipstores heruntergelassen, das Innere des Kaufhauses dunkel und die Bildschirme des Elektronikmarkts blinken ihre Werbung einsam in die Winterdämmerung.

Konsumorte, die ohne Konsum ihre Daseinsberechtigung verloren haben. Das jüngste Wiederaufflammen der Dauerkrise beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof – alleine das Namenskonglomerat erzählt die Geschichte des Desasters – bringt es wieder in Erinnerung: das Sterben der Innenstädte. Lange schon wird beklagt, dass die betroffenen Einkaufszonen nicht nur längst mausetot, sondern bereits zu Fossilien geworden sind und wieder ausgegraben werden müssten.

Und so finden die Pa­lä­on­to­lo­g:in­nen bei der Untersuchung der Fossilien gleich eine Reihe an Todesursachen. Da wären: Die weitgehende Vereinheitlichung der Einkaufsstraßen mittels immer gleicher Ketten, so dass man, mit verbundenen Augen ausgesetzt, nach dem Abnehmen der Augenbinde auf Anhieb kaum sicher sagen könnte, ob man sich nun in Essen, Ulm oder Leipzig befindet. Die Verlagerung des Einkaufserlebnisses auf die grüne Wiese, was leider weder zu Vielfalt noch zu alternativen Konzepten in den Stadtzentren führte.

Die Profitgier der Investor:innen, die auf eine zu vermietende Innenstadtfläche lieber den vierten Flagshipstore setzen, weil der mehr Umsatz und damit mehr Profit für die Im­mo­bi­li­en­ei­gen­tü­me­r:in­nen bringt als ein Café oder eine Bücherei. Der Online-Handel, der die Parameter Verfügbarkeit, Auswahl und Bequemlichkeit viel besser adressieren kann als jeder Laden vor Ort.

Nicht mal gemütlich hinsetzen geht

Schauen wir uns einmal um: Orte zum Verweilen? Zum Zusammenkommen? Orte ohne Konsumdruck? Manche Einkaufsstraßen bieten nicht einmal in nennenswertem Umfang attraktive Sitzgelegenheiten. Und wenn, dann gerne diese Bänke mit Armlehnen in etwa 40 Zentimetern Abstand, auf dass ja niemand auf die Idee kommt, sich dort hinzulegen. Von Orten mit Aufenthaltsqualität jenseits der Zehn-Minuten-Fast-Food-Pause zwischen Schuhladen und Drogeriekette ganz zu schweigen.

Und nun die beiden Meteoriten, die ultimativ für das Aussterben der shoppingzentrierten Monokulturen sorgen könnten: die Pandemie. Und die Inflation. Zwar zeigten die Januar-Zahlen des GfK-Konsumbarometers eine leichte Steigerung der Kauflaune. Doch das Niveau bleibt niedrig. Viele Menschen halten ihr Geld zusammen – freiwillig oder gezwungenermaßen. Die Marktforschung konstatiert, dass der Preis als Kaufargument in einem Rutsch auf Platz eins gelandet ist – Geschmack oder Qualität sind abgestiegen.

Rund 70 Prozent der Kommunen klagen laut dem EHI Retail Institute über Leerstand in den Einkaufszonen. Und Galeria Karstadt Kaufhof plant einen massiven Stellenabbau und Filialschließungen. Doch vor diesen Entwicklungen und den Folgen schließen viele Beteiligte lieber die Augen. Galeria Karstadt Kaufhof soll – nach einem ordentlichen Schrumpfungsprogramm – in einigen Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben.

Neue Ideen für neuen Raum

Aus Unternehmensperpektive ist diese Strategie nachvollziehbar, auch Firmen haben systemische Selbsterhaltungsbestrebungen. Was nicht nachvollziehbar ist, ist die Weigerung in weiten Teilen der Politik, jenseits punktueller Projekte darüber nachzudenken, was für die Konsumorte jenseits des Bekannten möglich wäre. Wie es weitergehen soll, wenn an die Stelle des Überkonsums etwas anderes treten muss.

Was es bedeutet, wenn die über Jahrzehnte festgefahrene Funktion der Innenstadt als kommerzielles Zentrum zunehmend obsolet wird. Denn aus kapitalistischer Sicht kann man die Veränderungen zwar bedauern – aus gesellschaftlicher Sicht sind sie begrüßenswert. Schließlich wird so Raum frei. Nicht nur physischer Raum. Sondern auch Raum, darüber nachzudenken, welche Funktionen, welchen Sinn eigentlich solche stadtpolitisch attraktiven Orte erfüllen sollten.

Von Kultur über Wohnen bis zur Nahversorgung gibt es da einiges, was für eine Gesellschaft gewinnbringender wäre als eine Abfolge exklusiver Sneakers-, Elektronik-, und Interiorläden. Es gibt sogar Möglichkeiten, über die bekannten Nutzungsarten hinaus zu denken. Was wäre etwa mit Orten, die niedrigschwellige Begegnungen ermöglichen? Vielleicht unter dem gleichen Dach wie Bildungsangebote, Werkstätten, um selbst kreativ zu werden oder gemeinsam Dinge zu reparieren und aus Altem Neues zu schaffen?

Nichtkommerzielle Orte des Miteinanders – eine Art moderne und erweiterte Agora in Zeiten von gesellschaftlichen Umbrüchen und Polarisierungen? Und wie wäre es, die Umgebung gleich mit neu zu denken? Sichere Orte zu schaffen, und zwar für alle gesellschaftlichen Gruppen. Was es wichtig macht, bereits bei der Konzeption nicht auf die Standard-Projektentwickler zu setzen, sondern die Bevölkerung ernsthaft miteinzubeziehen.

Es würden sicher keine Orte entstehen, die den Im­mo­bi­li­en­be­sit­ze­r:in­nen hohe Quadratmeterpreise bringen. Aber es wären Orte, mit denen sich die Gesellschaft ihre attraktiven Flächen vom Konsum zurückerobern kann. Mit denen Zentren, Einkaufsstraßen, Fußgängerzonen und Malls von Orten des Geldes zu Orten für Bedürfnisse werden könnten. Es wird daher Zeit, dass alle gesellschaftlichen und politischen Akteure sich damit auseinandersetzen.

Denn ohne Steuerung kann es leicht passieren, dass leerstehende Flächen entweder verfallen – oder, so die Lage nur attraktiv genug ist, von der nächsten kapitalistischen Idee belegt werden.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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16 Kommentare

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  • Im ganzen Artikel gibt es nur eine Handvoll Voschläge:



    * Von Kultur über Wohnen bis zur Nahversorgung.



    * Orte für niedrigschwellige Begegnungen



    * Bildungsangebote



    * Werkstätten, um selbst kreativ zu werden

    Das ist dünn und die Ideen gar nicht neu. Zieht man Wohnungen und Supermärkte (Nahversorgung) ab, dann bleiben:



    * Kultur



    * Orte für niedrigschwellige Begegnungen -> Cafe?



    * Bildungsangebote -> Volkshochschule, Bibliothek



    * Werkstätten -> FabLab, offene Werkstätten

    Die riesigen Innenstädte wird man mit diesen Randthemen nicht füllen können.

    Außerdem kostet das alles Geld von den Kommunen. Und die sind meist sowieso klamm.

    Mir ist nicht klar, wie das aufgefangen werden soll. Und der Autorin offenbar auch nicht.

    • @Alexander Schmidt:

      Außerhalb einer Millionenstadt wie Berlin sind die Innenstädte stark von Käufern aus dem Umland abhängig. Mit den Vorschlägen der Autorin wird aber keiner angelockt. Diese kosten die Kommunen Geld, dass aufgrund fehlender Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen im Einzelhandel immer weniger vorhanden sein wird.

      Empfohlene Maßnahmen in Studien wie Mischgebiete, Verkehrsberuhigung (und teure Parkplätze), Grünflächen etc erhöhen sicherlich die Aufenthaltsqualität der Innenstadt. Ob das dem Einzelhandel aber vor allem im Hinblick auf die Strahlkraft auf das Umland wirklich hilft, darf bezweifelt werden. Gerade unter der Woche spielt der Zeitfaktor eine wichtige Rolle, der sich durch solche Konzepte aber noch verschlechtert.

      Die Kleinststädte in unserer Gegend haben sich recht gut auf den Trend eingestellt. Es gibt zwar weniger Läden und weniger Auswahl, man kann aber mit kurzen Wege sowie ausreichend und günstigen Parkraum punkten (oder man fährt mit dem Fahrrad). Was es nicht gibt, wird dann online bestellt. Im Bücherladen stehen die Leute oft Schlange. Auch die Gastronomie und der Veranstaltungskalender sind vielfältiger als früher. Die 20km entfernte Großstadt wird eigentlich nicht mehr benötigt. Homeoffice verstärkt diese Effekte noch weiter.

  • "Von Kultur über Wohnen bis zur Nahversorgung gibt es da einiges (....) Was wäre etwa mit Orten, die niedrigschwellige Begegnungen ermöglichen? Vielleicht unter dem gleichen Dach wie Bildungsangebote, Werkstätten, um selbst kreativ zu werden oder gemeinsam Dinge zu reparieren und aus Altem Neues zu schaffen?"

    Ich kenne leider nicht die genaue Zahl von Geschäften/Ladenlokalen in Berlin, gehe aber davon aus, dass es sich um eine 5stellige Zahl handelt. In unserer einen Stadt von wieviel Städten in Deutschland. Bin ich die Einzige, die die Vorstellung von insgesamt hunderttausenden von Begegnungsstätten und Kreativwerkstätten in deutschen Innenstädte nicht nur un- sondern geradezu surrealistisch findet? Und - Verzeihung- auch nicht gerade wünschenswert? Das Einzige, bei dem ich mit der Autorin mitgehen würde, ist ihre Kritik an den ewig gleichen Kettenfilialen.

  • Frau Bergt, Sie glauben an das Gute.



    Das ist positiv, hilft aber nicht.



    In meiner Stadt steht seit 18 Jahren ein altes C&A Gebäude leer.



    Hat man grosszügig gemieden, da verdreckte Ecke und Pissoir.



    Jetzt wird gebaut. Ein Altenheim, mit persönlicher Betreuung, Wohnungen für die betuchten Alten.



    Nix für die normalen Stadtbenutzer.



    Wenn Galeria Karstadt schliesst wird das Projekt bestimmt erweitert.

  • Wir haben ja in der Stadt das wahrscheinlich schönste Kaufhaus nördlich der Alpen. Hier hat Karstadt allerdings schon vor fast 15 Jahren dicht gemacht, eigentlich auch logisch in einer der Regionen mit der niedrigsten Kaufkraft im Land.



    Vor einigen Jahren hat dann ein Lübecker Milliardär die Immobilie erworben. Seitdem wird sich vor Gericht gestritten. Die jetzt betroffenen Kommunen sollten sich schon mal auf Jahrzehnte des Leerstands vorbereiten. Die Location für Hollywoodproduktionen wie Grand Hotel Budapest zweitzuverwerten wird sicher nicht überall möglich sein, wenn ich mich an die grottenhässlichen Kaufhof und Karstadtfillialen in Berlin zurückerinnere. Bei uns sind jedenfalls keine dieser nichtkommerziellen Orte des Miteinanders entstanden. Ist das nicht ein bißchen arg blauäugig? Wer soll die denn bauen wenn den Kommunen die Einnahmen aus den Steuern der Einzelhändler vor Ort fehlen?

    • @Šarru-kīnu:

      Gruss nach Görlitz.



      Ja, wirklich wunderschön, insgesamt.

  • Innenstädte wie München, die alle Immobilien dem Zugriff des österr. Milliardärs Benko freigeben haben leider KEINE Chance einer Entwicklung.

  • Der Autor des Artikel hat leider so einiges nicht verstanden. Es wäre durchaus schön, wenn Karstadt pleite ginge und die Gebäude dann automatisch an die Kommune gehen würden, die dann zu sozialen Begegnungssstätten ausgebaut werden könnten.

    Nur ist das Traumtänzerei und hat nichts mit der Realität zu tun.

    Benco ist kein Einzelhändler, er ist Immobilienmogul. Er war nie an Karstadt als Unternehmen interssiert, sondern an den Immobilien.

    Karstadt mag in die Insolvenz gehen, aber die Immobilien gehören Benco (oder anderen). Und das, was nicht schon längst abgespalten ist, wurde als Kreditsierheiten verpfändet.

    Alle Eigentümer sind duch Karstadt reich geworden (Staatsgeld, Immobilien etc).

    Die Verlierer sind: Kommunen, Arbeitnehmer, Steuerzahler. Und wer ist schuld: Kommunen, Arbeitnehmer, Steuerzahler. Warum? Weil man den "Investoren" (oder besser Asgeiern) immer wieder entegengekommen ist. Das muss jetzt aufhören.

  • Die Überschrift deutet an, dass es im Artikel hauptsächlich um neue Nutzungsmöglichkeiten von leerstehenden Gebäuden geht. - Dazu steht aber sehr wenig.

    Es gibt in Essen das "Unperfekthaus".



    Das wäre ein gutes Beispiel für eine "Agora" ;-)

  • Statt Agora hättesn Sie auch schreiben können: zentrale Fest-, Versammlungs- und Marktplatz einer Stadt.



    (Eindruck machen? - oder verstanden werden wollen?)

    • @Diogeno:

      Agora beschreibt genau das! Was ist daran nicht zu verstehen? 14:53 h

  • Blöd nur dass der Benko die Kette nur wegen der Lage und potentiellen Verwendung für Luxusbauprojekte gekauft hat.

    • @schnarchnase:

      Die meisten Häuser in den GKK sitzen, gehören anderen Investoren!

    • @schnarchnase:

      Schnarchnase

      Endlich mal jemand der versteht was hier abläuft. Benco ist Immobilienunternehmer, nicht Händler. Wie es läuft habe ich damals schon vorausgesagt. Benco hat die ganzen Immobilien und der Steuerzahler die Pleite. Benco lacht sich kaputt.

    • @schnarchnase:

      Die meisten Gebäude, in denen Karstadt sitzt, darf er gar nicht abreißen (Denkmalschutz).

      • @Diogeno:

        Dann baut er halt denkmalgeschützten Luxus.