piwik no script img

Gabriel zu Asylsuchenden500.000 Flüchtlinge pro Jahr möglich

SPD-Chef Sigmar Gabriel stellt sich auf konstant hohe Flüchtlingszahlen ein. Deutschland könne eine halbe Million Menschen im Jahr aufnehmen, sagte er.

In München kommen Züge mit Migranten an, die von Ungarn aus über Österreich einreisen. Foto: dpa

Berlin dpa | Vizekanzler Sigmar Gabriel hält es für verkraftbar, dass Deutschland auch in den nächsten Jahren in großem Stil Flüchtlinge aufnimmt. „Ich glaube, dass wir mit einer Größenordnung von einer halben Million für einige Jahre sicherlich klarkämen“, sagte der SPD-Chef am Montagabend im ZDF. „Ich habe da keine Zweifel – vielleicht auch mehr.“ Nach Ansicht des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura könnte die Zahl der aus Syrien flüchtenden Menschen noch einmal drastisch steigen.

Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet der bislang weitgehend vom Konflikt verschont gebliebenen Mittelmeerstadt Latakia ausweiten, sei mit bis zu einer Million zusätzlicher Flüchtlinge zu rechnen, sagte der Diplomat in Brüssel. Die meisten von ihnen würden wohl versuchen, mit Booten über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Zudem könne ein weiterer Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat die Fluchtbewegungen verstärken, sagte de Mistura: „Die Tendenz ist besorgniserregend.“

Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink forderte militärisch gesicherte Schutzzonen für Flüchtlinge in Syrien unter dem Dach der Vereinten Nationen – und unter Beteiligung der Bundeswehr. „Es wäre sehr gut, wenn es in Syrien Schutz- und Pufferzonen unter militärischer Absicherung durch UN-Kräfte gäbe. Bei einem entsprechenden UN-Mandat wäre die Bundesrepublik geradezu verpflichtet, die Bundeswehr daran zu beteiligen“, sagte Rink der Welt.

Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit rund 800 000 Flüchtlingen in Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt am Dienstag den schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven in Berlin. Schweden gehört nach Deutschland zu den Ländern, die in Europa derzeit die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Ebenso wie Merkel fordert auch Löfven für die EU eine verbindliche Quote, wie die Flüchtlinge auf die 28 Mitgliedsstaaten verteilt werden.

„Legale Migration“ soll erleichtert werden

Die Spitzen der großen Koalition hatten in der Nacht zum Montag beschlossen, dass der Bund die Mittel für die Flüchtlingshilfe im Haushalt 2016 um drei Milliarden Euro erhöht. Bundesländer und Kommunen sollen weitere drei Milliarden Euro erhalten. Kosovo, Albanien und Montenegro sollen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, im Gegenzug wird die Chance auf „legale Migration“ erleichtert.

Nach Angaben von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sollen die geplanten Gesetzesänderungen innerhalb der nächsten sechs Wochen durchs Parlament gebracht werden. Das Kabinett soll sich am 29. September damit beschäftigen. Am 15. Oktober soll das Gesetzespaket den Bundestag passieren, einen Tag später den Bundesrat. Das Milliardenpaket geht wichtigen Bundesländern jedoch nicht weit genug. Sie sind der Ansicht, dass das Geld bereits jetzt nicht ausreicht.

Leipzig als weiteres Drehkreuz

Deutschland hat seit Samstag angesichts der dramatischen Zustände in Ungarn Tausende Flüchtlinge aufgenommen. In München kommen immer noch Züge mit Migranten an, die von Ungarn aus über Österreich einreisen. Da die Unterbringungskapazitäten in München fast erschöpft sind, suchen die Behörden nach Wegen zur Umverteilung der Flüchtlinge auf andere Bundesländer. Leipzig soll voraussichtlich ein weiteres Drehkreuz werden, zwei weitere sollen in West- und Norddeutschland entstehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Die deutsche Flüchtlingspolitik und die Aufnahme von Tausenden Migranten in den vergangenen Tagen stößt in Europa und Übersee auf Anerkennung und Lob. In einigen Ländern drängen die Medien ihre jeweiligen Regierungen, sich in dieser Frage ein Beispiel an Deutschland zu nehmen. Kritische Stimmen kommen meist von ganz rechts.

    http://www.gmx.net/magazine/politik/fluechtlingskrise-in-europa/lob-anerkennung-europa-berlins-fluechtlingspolitik-30903894

     

    Viele Länder sehen uns als ein Land, wo Menschenrechte am stärksten ausgeprägt sind. Viele Länder wollen so sein, wie wir; und die werden es versuchen, so zu werden. Unsere guten Taten werden die negative Vergangenheit unserer Geschichte vergessen machen.

     

    Ich sehe unser Land, als das Herz der Europäischen Union, das die ganze Welt verändert wird!

  • Ist aber sehr naiv von Ihm zu glauben das es nur bei den 500000 bleibt , er sollte lieber mit 2 oder 3 fachen rechnen

  • Na, da hat der Sigmar wohl seine Chance gewittert, wie er sich von Mutti ablösen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass er langfristig dabei bleibt und auch nicht über irgendeine Schmutzkampagne stolpert. Ich drück mal die Daumen.

    • @Karlheinz:

      Da gibt es kein Ablösen, das weiß und will die Union selbst.

      Schäuble räumte der Flüchtlingskrise in der laufenden Haushaltsdebatte bereits absolute Priorität ein. Alle anderen Ausgabenwünsche hätten sich dieser unterzuordnen. Zollbeamte sollen statt zur Durchsetzung des Mindestlohns für die Flüchtlinge eingesetzt werden - und die CDU-Abgeordneten jubeln. Danach ...

      Das Thema eignet sich zusammen mit der Schuldenbremse wunderbar, nach innen Druck aufzubauen. Wozu wohl?