G8-Resümee: Was vom Gipfel bleibt
Staatenlenker, Polizisten und Demonstranten sind abgereist. Zeit für eine kleine Bilanz: Was behalten wir vom G-8-Gipfel in Erinnerung?
D as Große Liebhaben
Die Kanzlerin versteht den Protest gegen den G-8-Gipfel, einerseits. Und die Protestierenden die Lage der Dinge hinter dem Zaun zur Ostsee, andererseits, auch wenn sie sie nicht billigen. Grönemeyer, Bono, Wir sind Helden, all die Laut- und Leisesprecher, die Blockierenden, die Politcamper und neuen Wandervögel - sie spielen ja nur.
Feindseligkeit wie noch vor 25 Jahren bei der Friedensbewegung, als Kohl das Übel war und Helmut Schmidt ein sozialdemokratisches als solches, ist nicht mehr. Man versteht einander, man begreift sich, man fühlt sich ein - und das ist das, was bleibt. Mentalitäre Misslichkeiten aus dem Hause Carl Schmitts - jeder politische Kampf brauche einen Feind, nicht nur einen Gegner, und also die Fähigkeit, den Ausnahmezustand herbeizuführen - wirken unappetitlich. Dass das die Frucht von Friedenscamps und Friedenstagungen ist, versteht sich von allein: Dein Gegenüber sei niemals ein zu Zermörsender, sondern ein nur Anderer, Spieler, Akteur oder Performer. Die Anti-Anti-(G-9-, was auch immer)-Bewegung darf als sediert gelten: Eingeschläfert vom eigenen Verständnis über das, was die Welt als Melodie zusammenhalte: "We are the world / we are the people". Oder auf deutsch: Nackt im Wind!
Die Rückkehr der Generäle
Nach Heiligendamm ist vor dem nächsten G-8-Gipfel, und deshalb dürften in den einschlägigen Gruppen bereits eifrig die Klassiker des Bodenkrieges und der pfiffigen Truppenbewegungen studiert werden. Wenn der Gegner sich à la Vauban einigelt, dann kann ihm nur mit Clausewitz "Vom Kriege" begegnet werden - oder gleich mit den Schriften Erich von Falkenhayns, der schon im Ersten Weltkrieg voll auf die milde "Ermattungsstrategie" setzte. Oder auf die knallharte "Knochenmühle". Und natürlich die Blutpumpe".
Das G-8-Tafelsilber
Eine Anzeige gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Politiktteil, Seite 7, zweispaltig: "Das G 8 Silber" als Überschrift über einem Bild, das eine mit den Zinken nach unten zeigende Gabel zeigt: "So unterschiedlich die Standpunkte beim Gipfeltreffen auch sind, so harmonisch ist die Stimmung beim Essen. Alle 8 Staats- und Regierungschefs speisen mit dem gleichen Silber."
Nach dem Doppelpunkt dann der Name jenes Hauses, das sich auf solcherlei Accessoires des repräsentativen Lebens im echten bürgerlichen Sinne verlegt hat: Robbe & Berking. Das bleibt auch, denn es birgt Noblesse ohne das Air von Angeberei: Mit dieser Art Besteck nahmen die echten ChefInnen Speisen zu sich. Nicht einmal ein Zitat an Gegenwelt darin, keine verschattete Zeichnung der Plastikwerkzeuge, mit denen die Vor-dem-Zaun-Verbliebenen ihre Nahrung zu sich nahmen. Selbstverständlicher hat die bürgerliche Klasse ihre Wertschätzung für Edelmetallisches nicht gepriesen bekommen. Das hat fast etwas von der Idee des Punk: Sei schmutzig selbst in dieser saubersten Geste!
Die traurigen Clowns
Haha! Wenn der G-8-Protest, wie die Polizei es darstellte, wirklich ein vielköpfiges Ungeheuer war, dann hatte das fieseste Haupt dieser Hydra von Heiligendamm das Gesicht eines Clowns.
Organisiert, hoho, in der "Clown Army" stapften da ganze Hundertschaften unerschrockener Pappnasen durch die Weizenfelder, huhu, pusteten Polizisten lustige Seifenblasen ins Gesicht und würden, hätten sie in einen Gewehrlauf blicken müssen, auch dort gewiss ein Blümlein hineingesteckt haben: "Bitte nicht prügeln, ich bin doch im Herzen ein Kind, genau wie du!", hihi. Auch würde es nichts nützen, den traurigen Clowns ihre kindische Weltsicht mit Gewalt abzuschminken - sie verwandeln sich dann sofort in Jongleure oder, schlimmer noch: in barfüßige Bongotrommlerinnen. Aua.
Die Demo-Veteranen
Ja, wir haben sie jetzt schon dreimal gehört, die Geschichte, aber weil sie so schön ist, werden wir sie noch sehr oft zu hören bekommen. Wie das da wirklich war an jenem Samstag in Rostock. Wie man sich den Steinewerfern in den Weg gestellt hat. Wie die Polizei (gerne auch: "Bullen") total brutal herangestürmt ist. Was da für ein tolles Gemeinschaftsgefühl IST GUT JETZT! Vielleicht interessieren sich Ihre Enkel dereinst dafür, aber glauben Sie es bitte: Ihre Verwandten und Kollegen tun es seit mindestens drei Tagen nicht mehr.
Die Sesselfurzer
Das sind die anderen, und vielleicht gehören Sie ja auch dazu: Sie waren nicht dabei. Sie haben nicht gegen G 8, die Globalisierung und George W. Bush demonstriert. Sie hatten keine Zeit? Mussten arbeiten? Das Kind versorgen? Hatten was Besseres zu tun? Waren im Biergarten oder vor dem Fernsehgerät, aber jedenfalls nicht am Zaun von Heiligendamm? Haben vielleicht zwar Sympathie für die Demonstranten gehabt, aber selbst das Hinterteil nicht hoch bekommen? Sie werden ja sehen, was Sie davon haben: lebenslange Verachtung von jenen, die dabei gewesen sind.
STEFAN KUZMANY, ARNO FRANK, JAN FEDDERSEN
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