G-7-Gipfel auf Schloss Elmau: „Protztal für Reiche“
Schloss Elmau in Oberbayern rüstet sich für das G7-Treffen im Juni des Jahres. Das abgeschiedene Tal lässt sich leicht abriegeln.
Schloss Elmau liegt am Ende der Welt. Von der Bundesstraße, die Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald verbindet, zweigt bei dem Örtchen Krün eine Mautstraße ab, die mitten ins Wettersteingebirge führt, zu dem auch die Zugspitze gehört, Deutschlands höchster Berg. Vier Euro verlangt der Gemeindebedienstete nach einem brummigen „Grüß Gott“ für die Hin- und Rückfahrt.
Die Vorbereitungen für den hier stattfindenden G-7-Gipfel im Juni laufen auf Hochtouren. Zum Entsetzen der Umweltschützer wurde ganz hinten im Tal ein riesiger Hubschrauberlandeplatz angelegt. Er soll nach dem Gipfel renaturiert und zum Wanderparkplatz werden.
Was Ökologen wie Axel Doering, den Kreisvorsitzender des Bundes Naturschutz (BN) in Garmisch-Partenkirchen, nicht besänftigen kann. „Die Landschaft ist zu sensibel und ökologisch zu wertvoll für solche ein Großereignis.“
Das abgeschiedene Tal mit dem Weltnaturerbe verdächtigen Bergpanorama ist die ideale Kulisse für den Politzirkus der Staats- und Regierungschefs der angeblich bedeutendsten Industrienationen der Welt. Vor allem ist es relativ leicht abzuriegeln – auch ohne Kilometer langen Hochsicherheitszaun, wie er in Heiligendamm errichtet wurde.
Einst fuhr der bayerische Monarch Ludwig II. mit Pferdekutsche durchs Elmauer Tal hinauf zu seinem „Königshaus“ am Schachen, heute ein Touristenmagnet. Auch nach Ludwigs Tod blieb die Elmau ein Anziehungspunkt für Exzentriker.
Mitten im Ersten Weltkrieg ließ sich der aus Sachsen stammende protestantische Prediger und Religionsphilosoph Johannes Müller mit Hilfe reicher Gönner ganz hinten im Tal ein Schloss errichten – eine Art Sanatorium des Geistes, wo er seinen Anhängern in gemeinschaftlicher Lebensweise „Urlaub vom Ich“ versprach.
Müllers zusammen gewürfelte Weltanschauung vereinte christliche mit völkischen, lebensreformerischen und antikapitalistischen Elementen. Adolf Hitler verehrte er als neuen Messias, teilte aber nicht dessen Antisemitismus, weswegen er bei den Nazis in Ungnade fiel.
Die Prominenz in Elmau
Kriegs- und Nachkriegswirren erreichten auch die Elmauer Abgeschiedenheit. Johannes Müller wurde enteignet, das Schloss zum Erholungsheim für Verfolgte des Nazi-Regimes umfunktioniert. Erst 1951, zwei Jahre nach dem Tod des Gründers, übernahmen dessen Kinder Bernhard und Sieglinde das Ruder und knüpften an die erfolgreichen Vorkriegsjahre an.
Neben vielen allein stehenden Damen zählten auch Promis wie Loriot, Johannes Rau und der britische Komponist Benjamin Britten zu den regelmäßigen Gästen der Elmau.
Sie alle fügten sich willig in ein striktes Reglement mit täglich wechselnder Tischordnung, ertrugen die spartanischen Zimmer samt strikter Fernsehabstinenz. Sie pilgerten zum Ferchensee oder zur Elmauer Alm, führten kultivierte Gespräche, pflegten unter Anleitung eines Tanzmeisters die „Elmauer Quadrille“ und lauschten andächtig den regelmäßigen Darbietungen klassischer Musik. „P1 für Bildungsbürger“ nannten Spötter das Schloss. Analog zur Münchner Nobel-Disco könnte man auch sagen: Aufreißschuppen.
Ein Fünf-Sterne-Luxus-Hotel
In den 90ern stellte sich immer dringlicher die Frage des Generationswechselns. Dietmar Müller-Elmau, Enkel des Gründers übernahm die Aufgabe, den Kahn wieder flott zu machen. Er hatte in den USA studiert und mit einer Hotelsoftware ein Vermögen gemacht. Schritt für Schritt baute er das Refugium deutscher Innerlichkeit zum internationale konkurrenzfähigen Fünf-Sterne-Luxushotel um und orientierte sich, wie er es selbst formuliert, am Leitbild des „jüdisch-amerikanischen Freiheitsgedankens“.
Zu den heiligen Kühen, die er schlachtete, gehören auch die einst so beliebten Tanzvergnügen. Das klassisch-romantische Konzertprogramm lockerte er mit Jazzsessions auf. „Das deutsche Hochkulturideal ist der Künstler, der hinter seinem Werk verschwindet“, philosophiert Müller-Elmau ganz wie der Großvater. „Amerikaner und Juden sehen das anders. Hochkultur ist für sie der höchste Ausdruck individueller Kreativität.“
Welcher Geist heute in Elmau weht, verrät die Homepage des „Luxury Spa & Cultural Hideaway“ mit ihrem angelsächsischen Marketing-Kauderwelsch. So erwartet Mami und Papi im Spa ein „Open Air Infinity Rooftop Pool“ und die „Kids“ können sich währenddessen mit „Edutainment“, konzipiert von „renommierten Künstler, Autoren und Pädagogen“, für den globalen Wettbewerb rüsten.
Millionäre können es genießen
Dass die Freiheit, die man heute in Elmau genießen kann, vor allem die Freiheit von Millionären ist, ficht den Schlossherrn nicht an. Er verweist auf die wenigen relativ preisgünstigen Einzelzimmer im Ostflügel des Schlosses.
Lieber als Einzelreisende sind Müller-Elmau, selbst Vater von sechs Kindern, gut betuchte Familien, die sich eine Suite für bis zu 900 Euro pro Nacht und Person leisten. Rechtzeitig zu dem Großereignis soll auch der Neubau „Schloss Elmau Retreat“ fertig werden. Er beherbergt Luxussuiten in ausreichender Zahl, um alle Staatgäste standesgemäß unterzubringen.
Umweltschützer Axel Doering, der viele Jahre als Förster die Wälder rund ums Elmauer Tal betreute, trauert alten Zeiten nach. „Aus dem Paradies ist ein Protztal für Reiche geworden“, sagt er. Doch Müller-Elmau plant weiter. Das Gut Elmau ganz hinten im Tal soll ein Chaletdorf werden. Dort kann man 200 Quadratmeter große Lodges kaufen als exklusive Geldanlagen. Interessenten erhalten das Exposé direkt vom Bauherren unter dme@schloss-elmau.de.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren