piwik no script img

G-20-Gipfel in SeoulObama zum Kompromiss gezwungen

Beim Gipfel verzichtet der US-Präsident auf Grenzen für Exportüberschüsse. Damit haben sich Deutschland und China durchgesetzt.

Der einen Freud, des anderen Leid. Bild: dpa

Im Streit über Exporte und Währungen hat der G-20-Gipfel in Seoul am Donnerstag einen Kompromiss geschlossen. Die 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen einigten sich darauf, unfaire Wirtschaftskonkurrenz zwischen einzelnen Staaten zu reduzieren. Dazu wollen die Regierungen gemeinsame Kriterien erarbeiten, mit deren Hilfe sich die ökonomische Situation des jeweiligen Landes besser bewerten lässt. Dieser Konsens dürfte dafür sorgen, dass der Gipfel am Freitag nicht im Eklat endet.

Vor der Konferenz in der Hauptstadt Südkoreas hatten die Regierungen der USA, Chinas und Deutschlands mit harten Bandagen gekämpft. US-Finanzminister Timothy Geithner verlangte, Defizite und Überschüsse im Außenhandel von Staaten zu begrenzen - eine Attacke auf die Export-Champions Deutschland und China. Bundeskanzlerin Angela Merkel keilte daraufhin zurück. "Eine politische Festlegung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite ist weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen", sagte sie vor Managern in Seoul.

Weil alles andere als die Verabschiedung eines gemeinsamen Abschlussdokuments aber einer diplomatischen Katastrophe gleichgekommen wäre, fand man Formulierungen, die den Streit überdeckten. Manuel Barroso, Präsident der EU-Kommission, sprach von "Leitlinien", Geithner von einem "Rahmenabkommen". Die 20 Regierungen bekennen sich nun dazu, "externe Ungleichgewichte" zu verringern. Damit erkennen Berlin und Peking auch an, dass die große Exportkraft ihrer Länder andere Staaten in Schwierigkeiten stürzen kann.

Wann aber ist ein Exportüberschuss zu hoch? Darüber sollen künftig die neuen Kriterien Auskunft geben. Welche das genau sein werden, ist im Abschlusskommuniqué am Freitag wohl nicht zu lesen. Aus deutscher Sicht könnten dazu ökonomische Größen zählen wie die Spar- und Investitionsquote, die Lage der öffentlichen Haushalte und die demografische Situation eines Landes. Ein Erfolg aus deutscher Perspektive: Die von Geithner und US-Präsident Barack Obama gewünschte zahlenmäßige Begrenzung der Ungleichgewichte kommt im Kommuniqué nicht vor.

Zum zweiten Hauptstreitpunkt, den Währungsmanipulationen, dauerten die Verhandlungen am Donnerstag an. Die US-Regierung versuchte, möglichst harte Formulierungen im Abschlussdokument zu verankern. So müsse die "Unterbewertung von Währungen" verhindert werden, hieß es aus der US-Delegation. Dieser Vorstoß richtete sich gegen China, das seine Währung Renminbi an den Dollar gebunden hat und damit künstlich niedrig hält, um mehr billigere Waren exportieren zu können. Weil die chinesische Delegation eine klare Ansage jedoch nicht akzeptieren wollte, wird im Kommuniqué wohl eine weichere Formulierung stehen: Kurse von Währungen sollen sich möglichst flexibel bilden und die "Fundamentaldaten der Wirtschaft" widerspiegeln. In dieser Logik müsste China den Renminbi aufgrund seiner starken Wirtschaft aufwerten, wodurch es einen Teil seines Außenhandelsvorteils verlöre.

Zur Regulierung des Finanzsektors stimmen die Regierungen darin überein, dass systemrelevante Banken künftig zusätzliches Eigenkapital in Reserve halten müssen. Ob davon mehr als 20 Institute weltweit betroffen sein werden und wie viel Geld sie zurücklegen müssen, soll eine neue Kommission internationaler Aufseher 2011 verhandeln. Die endgültigen Entscheidungen über das Eigenkapital der großen Banken sowie Mechanismen zu ihrer Aufspaltung und Abwicklung im Krisenfall bleiben jedoch den nationalen Regierungen vorbehalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • G
    GermanKautilya

    @ bastl & sebbl

     

    "Die Frage ist nur, was wir als Wohlstand interpretieren..."

     

    Ich wünsche schon mal viel Vergnügen bei der zu leistenden Überzeugungsarbeit....

     

    Die Kritik ist zu pauschal und klingt doch sehr nach böser Kapitalismus, aber meinen Laptop hätte ich doch noch gerne....zum günstigen Preis.

     

    Die Angst vor dem Kapitalismus, ist die Angst vor dem Leben. Auch lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe sind kein Patentrezept gegen Krisen.

  • G
    GermanKautilya

    Das Gerede von den Leistungsbilanzüberschüssen in den USA und Frankreich ist vor allen Dingen innenpolitisch motiviert.

    Insbesondere die amerikanische Regierung muss dann nicht über "government sponsored enterprises", besser bekannt als Fannie Mae & Freddie Mac sowie die vom Kongress initiierte Immobilienspekulation plus Wall Street - Spekulationen Rechenschaft ablegen.

    Nach der Wiedervereinigung hatte Deutschland übrigens auch ein Leistungsbilanzdefizit, weil mehr Investitionen ins Land flossen.

    Das alles riecht doch sehr nach Sündenbockstrategie!

  • B
    bastl

    Freihandel, offener Markt, Export, blablabla.. Die Politiker laufen mit Scheuklappen durch die Welt. Weder hohe Exporte noch Freihandel beseitigen verhelfen zu Wohlstand, beseitigen Arbeitslosigkeit und Armut. Mit der Flut an Billigen Produkten verlieren viele Regionen der Erde ihre eigene lokale und stabile Wirtschaft, die einer unzämbaren Konkurenz transnationaler Konzerne ausgesetzt sind - die Folge: Armut - kein Wohlstand.

     

    Und auch die Industrialisierten Länder profitieren kaum davon, sondern nur die transnationalen Akteure, die sich bereits längst geographisch, steuerlich und rechtlich von ihren Ursprungsland abgelöst haben.

     

    Wir sollten das Modell "Freihandel" schleunigst überdenken! Es führt nicht zu Wohlstand! Eine lokale, diversifizierte Wirtschaft hingegen, die unötig grosse Transprtwege vermeidet und den lokalen Menschen Arbeit bietet und kulturelle eigenheiten fördert ist nicht nur stabiler, sondern bringt auch Wohlstand. Die Frage ist nur, was wir als Wohlstand interpretieren...

     

    Das Modell Freihandel hat versagt...

    Wer das noch nicht erkannt hat, möge dieses Buch an Herz gelegt sein:

    "Schwarzbuch Globalisierung", Jerry Mander & Edward Goldsmith

  • S
    Sebbl

    Freihandel, offener Markt, Export, blablabla.. Die Politiker laufen mit Scheuklappen durch die Welt. Weder hohe Exporte noch Freihandel beseitigen verhelfen zu Wohlstand, beseitigen Arbeitslosigkeit und Armut. Mit der Flut an Billigen Produkten verlieren viele Regionen der Erde ihre eigene lokale und stabile Wirtschaft, die einer unzämbaren Konkurenz transnationaler Konzerne ausgesetzt sind - die Folge: Armut - kein Wohlstand.

     

    Und auch die Industrialisierten Länder profitieren kaum davon, sondern nur die transnationalen Akteure, die sich bereits längst geographisch, steuerlich und rechtlich von ihren Ursprungsland abgelöst haben.

     

    Wir sollten das Modell "Freihandel" schleunigst überdenken! Es führt nicht zu Wohlstand! Eine lokale, diversifizierte Wirtschaft hingegen, die unötig grosse Transprtwege vermeidet und den lokalen Menschen Arbeit bietet und kulturelle eigenheiten fördert ist nicht nur stabiler, sondern bringt auch Wohlstand. Die Frage ist nur, was wir als Wohlstand interpretieren...

     

    Das Modell Freihandel hat versagt, und keiner will es warhaben...