Fußballexperte der ARD: Abschalten mit dem Bastian
Zu DFB-Pokalabenden gehört ein Experte mit analytischem Verstand und Hintergrundwissen. Manchmal steht aber nur Bastian Schweinsteiger da.
![Freiburgs Trainer Christian Streich und ARD-Experte Bastian Schweinsteiger vor dem ARD-Mikrofon Freiburgs Trainer Christian Streich und ARD-Experte Bastian Schweinsteiger vor dem ARD-Mikrofon](https://taz.de/picture/5514740/14/29992680-1.jpeg)
S eit einer halben Stunde versuche ich mich an einen einzigen Satz zu erinnern, den Bastian Schweinsteiger gesagt haben könnte, als er am Dienstagabend als Experte Freiburgs Sieg in Hamburg begleitete. Aber da ist einfach nichts. Dabei bin ich mir sicher, dass ich Bastian Schweinsteiger gesehen habe, wie er Wörter aneinanderreiht, ich kann mich auch an sein leutseliges Grinsen erinnern und an diesen Anzug, einem Traum in Beige, der schlecht saß und das letzte Mal Ende der Achtziger in Mode gewesen ist im deutschen Fernsehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein paar „Werthers Echte“ in den Taschen verstaut hatte.
Leider hat er keines davon live gegessen, dann hätte wenigstens die Bonbonverpackung vielleicht für ein bisschen Knistern gesorgt. Jetzt aber bleibt rückblickend das Gefühl, ich sei gestern auf einer Gemeinderatssitzung gewesen, deren Tagesordnung nur einen einzigen Punkt umfasste; vielleicht so was wie die Begrünung des Autobahnzubringers. Zwischendrin muss ich eingenickt sein.
Es gäbe schon ein paar Anforderungen, die ein*e Fernsehexpert*in erfüllen könnte. Zum Beispiel Expertise beitragen. Dass Bastian Schweinsteiger Expertise hat, darüber besteht kein Zweifel: Am Beitragen hapert es, an der Umsetzung. Alles, worauf Bastian Schweinsteiger hinweist, ist entweder schon von den Kommentator*innen siebenfach gesagt worden; oder es war derart offensichtlich, dass es sich selbst jene Kommentator*innen verkniffen haben, das nochmal durchzukauen. In keinem anderen Bereich würde man derartiges akzeptieren. Wer wäre schon zufrieden damit, wenn er im Museum eine Führung buchen würde, und der Guide ginge dann voraus und sagte in jedem Raum: „Hier sehen Sie ein paar Bilder. Bilder sind meistens Leinwände mit Farbe drauf.“
Aber im Fußball ist es eine Analyse, wenn Bastian Schweinsteiger sagt, eine Mannschaft führte, weil sie das bisher einzige Tor geschossen habe. Das Problem ist dabei nicht nur, was er sagt, sondern auch wie: Denn selbst wenn man von Expert*innen nicht immerzu erwarten kann, dass sie wenige Augenblicke nach dem Spiel eine fulminante und alles durchdringende Analyse abliefern, die die geheimen Kniffe und versteckten Details offenlegt, so könnte es doch wenigstens einigermaßen gutes Fernsehen sein, das heißt: unterhaltsam. Ein bisschen Charisma, ein wenig Bühnenpräsenz, das wären doch Mindestanforderungen an den Job?
Zimmerpflanzen und Worthülsen
Bastian Schweinsteiger scheint ein netter Kerl zu sein, wie er dasteht mit seinem noch immer spitzbübischen Lächeln, seiner gleichermaßen verschämten wie offenherzigen Art. Aber es hilft nix, er kann nicht gut reden. Es gibt Zimmerpflanzen, die interessanter dastehen, als er vorträgt. Es sind immer die gleichen leeren Worthülsen, die ihm aus dem Mund fallen, die gleichen abgedroschenen Phrasen, und das beste, worauf man hoffen kann, ist, dass ihm dabei etwas durcheinander gerät. Oh, doch, jetzt fällt mir doch noch ein Satz ein, den Bastian Schweinsteiger zum SC Freiburg gesagt hat: „Dadurch haben sie den Hamburgern den Schneid gezogen.“ Als ich das hörte, hat mein Huhn im Topf gepfiffen.
Wobei, nicht mal das. Anders als etwa bei Steffen Freund regt es mich nicht einmal auf, wenn ich Bastian Schweinsteiger zuhöre. Eine gähnende Leere fällt mich an, als wäre ich versehentlich auf einem Sektempfang mit lauter Prominenten, und es gibt Schnittchen und kein Bier. An den Stehtischen werden Gesten ausgetauscht, Schultern geklopft, man nickt viel, um nicht einzunicken.
Fünfstellig verdient Bastian Schweinsteiger anscheinend an jedem Auftritt, und man fragt sich, warum diejenigen, die ihn dafür bezahlen, Fernsehen so sehr hassen. Und ich frag mich auch, warum ich nicht direkt auf stumm drückte, als die Regie zu Bastian Schweinsteiger schaltete; wahrscheinlich, weil ich da innerlich schon abgeschaltet habe.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig