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FußballerinnenLächel doch mal

Geschlechterrollen wirken auch auf dem Fußballplatz. Dabei könnte es manchmal auch einfach nur um Fußball gehen.

Zu ernst für den Mann am Mikro: Spaniens Trainerin Montserrat Tomé Foto: Matthew Childs/reuters

A uch im Halbfinale Deutschland gegen Spanien durfte dieser Hinweis an das TV-Publikum nicht fehlen: Die spanische Trainerin Montserrat Tomé lächelt nicht. Schlimmer noch, regelrecht grimmig schaut sie andauernd drein. Damit das auch nicht untergeht, kommt es im Turnierverlauf zuverlässig bei jedem spanischen Spiel zur Sprache. Sie habe stets einen „leicht zitronenartigen Gesichtsausdruck“, konstatierte ARD-Kommentator Bernd Schmelzer während des Halbfinals gegen Deutschland am Mittwochabend. Ja was fällt der guten Frau eigentlich ein?

Und sie ist nicht die einzige. Auch Ann-Kathrin Berger sollte öfter lächeln. Das findet ihr Opa, lässt uns Bernd Schmelzer wissen. Klar, ein kantiger, konzentrierter Gesichtsausdruck ist einfach nichts für eine junge Dame. Unsere Mädels sollen doch Spaß haben bei ihrem schönen Fußballspiel!

Ein ernster Gesichtsausdruck wird bei männlichen Trainern und Spielern selten kommentiert – vielleicht weil im Männerfußball-Journalismus der Sport im Fokus steht. Bei der Berichterstattung im Frauenbereich geht es noch zu viel um das unkritische Abfeiern der Tatsache, dass gerade überhaupt eine Partie übertragen wird, um nette Fans und herzensgute Spielerinnen. Das liegt auch daran, dass ein ernstes männliches Gesicht eher als Ausdruck von Fokussiertheit, Coolness oder Härte interpretiert wird. Frauen, für die andere Vorgaben von Schönheit und Geschlechterperformance gelten, sollten eher sanft auftreten, emotional zugänglich und freundlich sein.

Fußballer können sogar vor laufender Kamera auf den Rasen rotzen, ohne dass das in irgendeiner Form kommentiert würde. Schon gemerkt, dass Fußballerinnen das eigentlich nie machen? Geschlechterspezifisch erlernte Benimmregeln zeigen sich eben auch auf dem Platz. Die Rasenrotzerei ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Männerfußball viel vom Frauenfußball lernen kann – das Benutzen von Taschentüchern etwa.

Vermeintlich feministisch

Das Warum-guckt-sie-denn-so-böse-Credo passt zum kollektiven Nichternstnehmen von Fußballerinnen, das bisweilen vermeintlich feministisch daherkommt. Das klingt kompliziert, vielleicht lässt es sich an einem Beispiel erläutern: Nach dem Turnier-Aus der DFB-Elf schreibt Claudia Roth auf Instagram: „euer Mut, eure Spielfreude und euer Zusammenhalt machen Hoffnung“ und zwar „für den Sport, Sichtbarkeit und „echte Gleichberechtigung“.

Daraus ergeben sich viele Fragen: Worin genau zeichnet sich der „Mut“ der Sportlerinnen aus? Inwiefern macht ein Turnier, bei dem sich keine Spielerin politisch äußert, Hoffnung auf „echte Gleichberechtigung“? Und ist das wirklich das, was für Fußballerinnen in dem Moment, in dem sie aus einem wichtigen Turnier ausscheiden, relevant ist? Wer Frauen, die professionell Leistungssport betreiben, darauf reduziert, dass sie das, was sie tun, als Frauen tun, nimmt ihre Leistung, ihre berufliche Tätigkeit und ihre Identität als Sportlerin nicht ernst.

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Marie Gogoll
Volontärin
Aufgewachsen in Duisburg, Psychologiestudium in Bremen, danach Journalismus in Dortmund und Sevilla. Schreibt seit 2020 für taz Nord & Sport, jetzt Volontärin im Sportressort.
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