Fußball-EM in Berlin: Die Welt zu Gast bei Spranger
Kunstrasen und ein gigantisches Tor: Berlin wird zur Kommerzkulisse für die Fußball-EM. Die Verantwortlichen im Senat können den Anpfiff kaum erwarten.
W enn es um Fußball geht, verliert auch ein CDU-Politiker mal seinen politischen Kompass. So träumte Joe Chialo, Berlins konservativer Kultursenator, am Mittwoch von der klassenlosen Gesellschaft – zumindest in der Fan-Kurve. Die sei für ihn der Ort, wo soziale Herkunft nichts zähle, hier kämen alle zusammen. „Ob Arzt oder Handwerker – es geht nur darum, dass der Funke überspringt“, schwärmte Chialo mit Blick auf die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft (EM) der Männer.
Schwer vorstellbar, dass bei offiziellen Ticketpreisen zwischen 30 und 1.000 Euro Chialos kommunistischer Kurven-Traum in Erfüllung geht. Auch fraglich, was Marx, Engels und Luxemburg wohl von der Verbrüderung von Bourgeoisie und Proletariat bei 2 Promille im schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer gehalten hätten.
Fest steht allerdings: Es wird voll in Berlin. Mit bis zu 2,5 Millionen Fußball-Tourist*innen rechnen Innenverwaltung und Polizei während der EM im Juni und Juli. Sechs Spiele finden im Olympiastadion statt, darunter auch das Finale. Dazu wird es, die Vorbereitungen sind kaum zu übersehen, an mehreren Orten in der Stadt Public Viewing und andere Großevents geben.
Besonders stolz ist man im EM-Vorbereitungsteam auf das 64 mal 26 Meter große Fußballtor, das seit Mittwoch vor dem Brandenburger Tor steht. Berlin habe mit dem Brandenburger Tor das ideale Wahrzeichen für ein Fußballturnier, kalauerte Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der landeseigenen Eventfirma „Kulturprojekte Berlin“. Dazu werden in diesen Tagen 24.000 Quadratmeter Kunstrasen auf der Straße des 17. Juni verlegt, der „Mutter der Fanmeile“, wie Dülmen sagte.
Die Polizei freut sich über neue Ausrüstung
Doch jeder Spaß hat seinen Preis. 83,7 Millionen Euro lässt sich das Land Berlin die EM kosten. Etwa ein Drittel geht für die Fan-Feste drauf, ein weiteres gutes Drittel für die „Ertüchtigung der Infrastruktur“ – darunter die Instandsetzung des Olympiastadions und des Poststadions in Moabit. 12 Millionen Euro sind für Sicherheitsmaßnahmen eingeplant.
Die Polizei freut sich über „Pitagone“ und „Oktablöcke“: mobile Fahrzeugsperren. Insgesamt konnte man mit dem zusätzlichen Geld „Fähigkeitslücken schließen, die uns schon lange beschäftigen“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik und nannte noch die Drohnenabwehr. Auch die Feuerwehr kriegt neue Ausrüstung und macht sich auf alle Eventualitäten gefasst, bis hin zu „CBRN-Lagen“. Gemeint sind chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahren.
Die Sicherheit der Gäste, stellte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) dann auch klar, sei „sehr, sehr wichtig“. Je nach Lage sollen mehrere tausend Polizist*innen eingesetzt werden. Um das stemmen zu können, gibt es Urlaubssperren. Die Terrorgefahr sei vergleichbar mit der bei anderen internationalen Sportevents.
Mit Blick auf mögliche Hooligan-Krawalle kündigte Polizeipräsidentin Slowik an, man werde das komplette Repertoire ausschöpfen, wie die Möglichkeit, Leute bis zu fünf Tage in Gewahrsam zu stecken. Wichtig sei aber trotz allem, sich „keinesfalls die Vorfreude nehmen zu lassen“.
Die ist, so scheint es, vor allem bei den Verantwortlichen groß. Sie versprechen sich einen „Mehrwert“ für die Stadt. Spranger räumte aber ein: Bei den Berliner*innen, die nicht etwa Hotelmanager oder Eventgastronom sind, klingeln wohl eher nicht die Kassen. Sie kriegen ein paar Trinkwasserbrunnen spendiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Unterbringung und Versorgung
Geflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich