Für ein einfaches Essen: I love my Reiskocher
Unsere Autorin war lange kein Fan des Küchengeräts. Doch dann tauchte sie in die wundersame Welt der One-Pot-Gerichte ein.
Eigentlich stören mich Küchengeräte. Die meisten sind sperrig, unnötig und machen fiese Geräusche. Nur auf Wasserkocher, Espressomaschine und Toaster habe ich mich mit mir selbst geeinigt – meine persönliche Dreifaltigkeit der verkabelten Küchenhelfer sozusagen. Ihre Anwesenheit auf der Arbeitsplatte nehme ich hin, weil ihr alltäglicher Nutzen hoch genug ist. Aber Sandwichmaker, Waffeleisen, Thermomix, Knetmaschine? Niemals.
Nach einem Auslandssemester habe ich mal hochmotiviert versucht, einen Sojamilchbereiter in mein Leben zu integrieren, aber obwohl ich warme Sojamilch liebe, musste er nach einem einzigen Winter in seine Originalverpackung zurückkehren. Ich war also skeptisch, als ich mich Anfang des Jahres dann doch entschied, dem Reiskocher eine Chance zu geben.
Der Reiskocher und ich pflegten bisher eine respektvoll distanzierte Beziehung. Begegnete mir einer in der Familie, bei Freunden oder in Restaurants, wurde ich meistens auf gute Art melancholisch.
Ich erinnerte mich dann an blinkende Knöpfe, an heißen Dampf im Gesicht und an weiße Hügel, die sich aus Porzellanschälchen erhoben wie dicker Pulverschnee. Und ich freute mich über Reis, der weder zu körnig noch zu matschig war. Einzig das richtige Verhältnis von Wasser und Reis muss beachtet werden, dann bringt (bei den meisten elektrischen Modellen) ein Heizelement am Boden das Wasser zum Kochen. Wenn alle Flüssigkeit aufgesogen worden ist, regelt der Kocher sich automatisch herunter oder schaltet sich aus.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
In vielen ost-asiatischen Haushalten der Diaspora ist ein Reiskocher zudem mehr als ein praktisches Küchengerät. Er ist ein Kulturgut, eine Art Verbindung in die alte Heimat, du bist schließlich, was du isst – und das ist womöglich noch relevanter, wenn du auf dem Weg in ein neues Leben viele andere Teile deiner Identität zurücklassen musstest.
Je nach Land gibt es bestimmte Markennamen, die teils synonym für das Gerät an sich stehen, Zojirushi in Japan, Cuckoo in Korea, oder der Tatung auf Taiwan. Sie unterscheiden sich teils in ihrer Funktionsweise, aber eine Botschaft haben sie gemeinsam: Hier schmeckt's wie zu Hause. Hier wirst du satt. Und alle deine Freunde.
Dass ich trotzdem so lange keinen eigenen Reiskocher hatte, liegt neben meiner Abneigung gegenüber Küchengeräten auch daran, dass ich in einem Topfkochhaushalt aufgewachsen bin.
Als Kind habe ich meiner Mutter dabei zugesehen, wie sie Milchreis von Aldi (der kam dem chinesischen Rundkornreis am nächsten) in einen kleinen Topf geschüttet und anschließend unter fließendes Wasser gehalten hat. Sie tauchte eine Hand hinein und zeichnete ein Unendlichkeitszeichen nach, bis das Wasser trüb wurde, goss es ab, und wiederholte den Vorgang, bis die Trübung fast verschwunden war. Dann hielt sie ihren kleinen Finger senkrecht auf die gewaschenen Körnchen und füllte Wasser auf, bis es zum ersten Gelenk reichte.
Mit geschlossenem Deckel kochte der Reis so lange, bis das gesamte Wasser aufgesogen war. Das erforderte besonderes Geschick bei der Regulation der Hitze, ein einziges Mal durfte der Reis fast überkochen, danach zog er noch ein paar Minuten auf kleinster Stufe. Am schönsten war, wenn er unten etwas anbrannte und ein Popcornduft durch die Küche zog.
锅巴 guōbā heißt dieser knusprige, goldgelbe Reis, der dem persischen Tahdig ähnelt – und der ist so beliebt, dass es in China seit den Achtzigern guōbā -Chips in allen möglichen Geschmacksrichtungen zu kaufen gibt. guōbā lässt sich tatsächlich auch in einem Reiskocher mit entsprechender Funktion dafür herstellen. Aber in meiner Erinnerung klebt er immer am Boden eines einfachen Edelstahltopfes.
Wahrscheinlich habe ich auch deshalb den Ehrgeiz entwickelt, Reis nur im Topf zuzubereiten. Es braucht mehr Aufmerksamkeit, man kann ihn nicht alleine lassen und er gelingt mir bis heute nicht immer perfekt, und dennoch wollte ich an dieser Methode festhalten. Ähnlich, wie ich immer überzeugt sein werde, dass Menschen Fremdsprachen lernen sollten, obwohl es exzellente Übersetzungstools gibt. Weil Mühe so bereichernd sein kann, wenn man sich in immer mehr Lebensbereichen Bequemlichkeit leistet.
So wäre ich vermutlich für alle Zeit beim Topf geblieben. Aber dann fiel ich tief in eines dieser berüchtigten rabbit holes, wo man sich von Webseite zu Webseite, von Video zu Video klickt, und tauchte ein in die wundersame Welt der One-Pot-Reiskocher-Gerichte.
Wie immer im Internet findet man da ziemlich viel Quatsch, manche würden sogar von Ketzerei sprechen. Spaghetti Bolognese aus dem Reiskocher. Kuchen aus dem Reiskocher. Glühwein aus dem Reiskocher. Ich muss zugeben, dass ich in verzweifeltem, jugendlichen Leichtsinn nach einer kalten Wanderung mal Rotwein in einem Hotelzimmerwasserkocher erhitzt habe. Man lebt und lernt. Aber die Aussicht auf solche Experimente konvertiert noch keine echte Reiskocherskeptikerin. Eine stabile, warme Mahlzeit aus drei Komponenten allerdings schon.
Fleisch, Fisch oder Tofu, in schmale Streifen geschnitten und nach Belieben mariniert, zum Beispiel in einer Mischung aus dunkler Sojasoße, 豆瓣酱 dòubànjiàng (eine scharfe Paste aus fermentierten Saubohnen, Chilischoten und Sojabohnen), Honig, Birne und Knoblauch. Plus ein Gemüse nach Wahl, grüne Bohnen, Brokkoli oder Karotte sind meine Favoriten. Einfach zum Reis in den Kocher geben, und die Wassermenge leicht reduzieren, weil das Gemüse zusätzlich Flüssigkeit abgibt. Und dann Deckel zu, Knopf drücken, irgendwas anderes machen, piep, fertig.
So steht er jetzt also da, auf meiner Arbeitsplatte, mit einem weiteren Kabel, das sich die Steckdose mit Espressomaschine und Wasserkocher teilt. Aus der Dreifaltigkeit in meiner Küche ist eine Vierfaltigkeit geworden. Weil ich gelernt habe, dass mich bei aller Liebe zur Handarbeit in einer stressigen Arbeitswoche wenig glücklicher macht, als so ein selbst zubereitetes, warmes Reisgericht ohne Betreuungsaufwand. Auch, weil es ganz einfach warm gehalten werden kann, sollte das eine Telefonat dann doch noch länger dauern als gedacht. Eine Mikrowelle kommt mir nämlich niemals ins Haus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren