piwik no script img

Für den Rücktritt der RegierungDie Proteste in Bangkok eskalieren

In Thailands Hauptstadt setzt die Polizei Tränengas gegen Demonstranten ein, die die Antrittsrede des neuen Premiers verhindern wollen. Doch Regierungsgegner belagern weiterhin das Parlament.

Mehr als 200 Menschen werden bei den Protesten in Bangkok verletzt. Bild: dpa

Morgens um 6.20 Uhr nahe dem thailändischen Parlament: Tausende Demonstranten hören Geräusche von Geschossen, die Luft ist voll Tränengas. Mehr als 200 Menschen werden verletzt, die meisten sind Demonstranten. Zwei Protestlern werden Gliedmaßen abgerissen. Ärzte stellen später beim Anblick vieler Verletzter fest: Die Wunden stammen nicht von Tränengas, sondern von verschiedenen explosiven Stoffen. Indes berichtet ein Beobachter von Schüssen auch auf Polizisten.

Der für Sicherheitsfragen verantwortliche Vizepremier Chavalit Yongchaiyudh erklärt kurz darauf seinen Rücktritt. Er räumt ein, teilweise für den Polizeieinsatz verantwortlich zu sein. In Armeekreisen heißt es, er habe den Überraschungsangriff befohlen. Doch die Anhänger der "Volksallianz für Demokratie" (PAD) zerstreuen sich nur vorübergehend. Tausende kehren zum Parlament zurück und blockieren das Gelände erneut. Die Abgeordneten sind eingekesselt. Nur Premier Somchai Wongsawat, der seine Antrittsrede hielt, sowie einige Leibwächter fliehen per Hubschrauber. Fast zeitgleich explodiert nahe der Zentrale einer zur Regierungskoalition gehörigen Partei eine Autobombe. Die Fahrerin stirbt.

Bereits seit sechs Wochen halten tausende PAD-Anhänger den Regierungspalast besetzt. Im September zwangen sie damit Premierminister Samak Sundaravej zum Rücktritt, der formal über einen unerlaubten Nebenjob stolperte. Doch auch jetzt fordert die außerparlamentarische Opposition den Rücktritt der neuen Regierung, die sie wie die letzte für eine Marionette des 2006 vom Militär gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra hält. Zumal der neue Premier Somchai auch noch Thaksins Schwager ist. Die Regierung sei durch Wahlbetrug an die Macht gekommen, so die Protestler.

Dass die "Volksallianz" gerade jetzt aufs Parlament marschierte, ist kein Zufall: Am Wochenende waren zwei prominente PAD-Führer verhaftet worden, darunter der Exgeneral und Exgouverneur Bangkoks, Chamlong Srimuang. Der 73-jährige Asket und Anhänger einer buddhistischen Sekte gilt als Schlüsselfigur der PAD und hat mächtige Gönner in Militärkreisen.

Mit den jetzigen Unruhen dürfte sich die PAD als Märtyrerin gerieren. Dabei ist sie höchst umstritten. Hinter ihr steht eine alteingesessene Elite aus Armee, Aristokratie und Technokratie. Der armen Landbevölkerung im Norden und Nordosten, der die Regierung ihre Wahl hauptsächlich zu verdanken hat, spricht die PAD die politische Mündigkeit ab. Die PAD möchte das Prinzip "Ein Wähler - eine Stimme" beenden. "Neben politischen Parteien brauchen wir auch Repräsentanten der Berufsverbände, ethnischen Minderheiten und anderer Gruppen", sagt der PAD-Unterstützer und Exdiplomat Kasit Piromya. Für Kritiker aber ist die PAD alles andere als eine Volksorganisation. "Sie wird von den Reichen finanziert", sagt der Politikwissenschaftler Giles Ungpakorn zur taz. "Die Strategie der Führungsriege ist es, Chaos zu schaffen." Der Medienmogul und PAD-Führer Sondhi Limthongkul verlangte bereits das Parlament aufzulösen, in dem die Regierung eine große Mehrheit hat: "Sonst werden wir scharfe Maßnahmen ergreifen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!