Für Bio verkauft: Ökozertifikat gefälscht
Die Behörden sperren drei Betriebe des großen Biounternehmens Franzsander, weil es gegen die EG-Ökoverordnung verstoßen haben soll. Werden Ökostempel zu leichtfertig vergeben?
BERLIN taz Thomas Dosch ist Chef von Bioland, Deutschlands größtem Verband von Ökobauern. Wer ihn in diesen Tagen anruft, hört einen genervten Mann. "Das ist eine Schweinerei, die da abläuft", sagt Dosch in den Hörer. Er weiß, dass das saubere Image der Ökobranche in Gefahr ist: Der Bioschwindel bei einem der größten Biolebensmittel-Händler Deutschlands Franzsander im nordrhein-westfälischen Delbrück - bekommt Woche für Woche eine neue Dimension.
Zunächst ging es allein darum, dass Berthold und Roswitha Franzsander auf ihrem Bioland-Geflügelhof in verbotenem Maße konventionelles Futter eingesetzt haben. Das stellte das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz schon im letzten Dezember fest - und entzog dem Hof das Ökoetikett. Im Januar fanden sie trotzdem noch Waren des Hofes mit Biolabel in der Vertriebsfirma der Franzsanders, der RoBerts Biogeflügel GmbH und Co.KG. So wurde auch RoBerts, ebenso ein Bioland-Mitglied, gesperrt. Am Donnerstag untersagten die staatlichen Kontrolleure nun der dritten Firma der Franzsanders, der Bertros-Feinkost GmbH, Biowaren zu verkaufen. Darunter: Backwaren, Babykost, Fleisch, Eier, Wurst.
Die Nachrichtenagentur dpa meldete daraufhin am späten Nachmittag: Die Behörden hätten herausgefunden, dass der "Bauer in den Jahren 2004 bis 2008 tausend Tonnen konventionell erzeugter Geflügel- und Lammprodukte zugekauft und als Bioerzeugnisse mit gefälschten Etiketten in den Handel gebracht" habe.
Bertros haben nie zu Bioland gehört, sagt einem Dosch in ruhigem Ton. Darum geht es ihm aber auch nicht. Es ist eine Ungenauigkeit der dpa-Meldung, die ihn so ärgert. Dosch: "Noch ist gar nicht klar, ob die 1.000 Tonnen Fleisch als Bio verkauft wurden." Das bestätigt Babette Winter vom Landesamt: "Wir haben keine Beweise, dass die Produkte falsch deklariert wurden." Das meiste ist schon gegessen. Nur: Die Franzsanders könnten auch keine Dokumente zu ihrer Entlastung vorlegen. Deshalb gebe es einen "zwingenden Verdacht", so sagt Winter.
Und so mussten die Bioläden alle Produkte der Firmen von Franzsander aus den Regalen räumen. Noch ist völlig unklar, wer für den Schaden aufkommt. Und die Branche muss sich nun Fragen gefallen lassen. Etwa diese: Werden die Ökostempel zu leichtfertig vergeben?
In den 70er- und 80er-Jahren prüften die Ökoverbände wie Bioland ihre Mitglieder selbständig. Dann definierte die Europäische Union Regeln für die Ökohöfe. Seitdem ist die Vergabe der Ökozertifikate ähnlich organisiert wie der TÜV: Der Staat lässt private Zertifizierungsfirmen zu. Diese prüfen mindestens einmal im Jahr die Bücher eines Biobetriebes, gehen auch mal durch die Ställe oder eine Fabrik.
Eine der ältesten dieser Prüf-Firmen ist die BCS Öko-Garantie GmbH aus Nürnberg. Sie prüft 1.500 Biobetriebe im Inland und 10.000 im Ausland. Mitarbeiter Reiner Claus sieht keinen Grund, die Prüfungen neu zu organisieren. Er erklärt: "Wir haben bei Ökobetrieben im Vergleich zum gesamten Agrar- und Lebensmittelsektor das dichteste Kontrollsystem." Aber es gebe keine "100-prozentige Sicherheit, selbst zehn Polizisten können nicht jeden von einer Straftat abhalten".
Die Prüfer kommen einem Betrug nicht auf die Schliche, wenn Dokumente gut gefälscht sind - hört man in der Branche. Ähnlich argumentieren Mitarbeiter von Lacon, die Bertros-Feinkost den Ökostempel gaben. Der Geflügelhof und RoBerts bekamen ihren Stempel von der Kontroll-Firma ABCert. ABCert will sich derzeit nicht äußern. Babette Winter vom Landesamt meint, Fehler aufzudecken sei eine Frage der Zeit, die sich Prüfer nehmen: "Unseren Experten sind die Verstöße auch erst nach tagelanger Recherche aufgefallen."
Thomas Dosch hat erst mal andere Sorgen, als das Prüfverfahren zu ändern. Nach dem Rückruf der Franzsander-Produkte ist in den Bioläden ein Engpass aufgetreten, Dosch muss sich um Nachschub kümmern. Ursprünglich wollten die Mitarbeiter von RoBerts eine eigene Nachfolgefirma gründen und mit Bioland zusammenarbeiten. Daraus wird nun aber nichts: Leiten wollte diese Nachfolgefirma Frank Hauffen - jener Hauffen, der bei der nun ebenfalls aufgeflogenen Franzsander-Tochter "Bertros" die Geschäfte führte.
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