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Fünf Jahre Istanbul-KonventionFrauenschutz beginnt bei Männern

Nicole Opitz
Kommentar von Nicole Opitz

Die Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen sind in der Istanbul-Konvention klar formuliert. Jetzt müssten sie nur noch konsequent umgesetzt werden.

Hunderte Menschen demonstrieren am 25. November in München gegen Sexismus und Femizide Foto: mufkinnphotos/imago

A m 1. Februar vor fünf Jahren trat die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft. Bislang unter Vorbehalt, gilt seit diesem Mittwoch das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ uneingeschränkt. Gut, eigentlich. Doch: Eine wirkliche Strategie zur Umsetzung gibt es in Deutschland nicht. Seit 2018 sind einzelne Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt umgesetzt worden, zuletzt die Einrichtung einer unabhängigen Berichterstattungsstelle für geschlechtsspezifische Gewalt sowie eine Studie des BKA, die Einblicke über das sogenannte Dunkelfeld geben soll. Die unabhängige Ex­per­t:in­nen­kom­mis­si­on GREVIO sah aber vor allem große Defizite: Es mangele nicht nur an Unterstützung von Frauen mit Fluchterfahrung, sondern es fehlten auch sowohl eine staatliche Koordinierungsstelle als auch angemessene finanzielle Ressourcen.

Eigentlich gibt die Istanbul-Konvention den Maßnahmenkatalog gut vor, die Bundesregierung müsste ihn nur abarbeiten. Dabei könnte die Einrichtung einer staatlichen Koordinierungsstelle alle anderen Punkte nach sich ziehen. Dazu gehört, dass genügend Frauenhausplätze geschaffen werden: Es fehlen rund 15.000. Auf diesen Notstand weisen Fe­mi­nis­t:in­nen und Ge­walt­schutz­ex­per­t:in­nen seit Jahren hin.

Wichtig wäre auch mehr Prävention. Viele Angebote richten sich explizit an Frauen. Doch wenn die Gewalt stattgefunden hat, ist es bereits zu spät: Es braucht Anti-Gewalt-Angebote für Männer sowie Fortbildungen bei Polizei und Justiz. Dazu gehört auch, dass das Umgangsrecht des Vaters nicht den Gewaltschutz der Mutter aushebeln darf. Viel zu häufig darf der Vater das Kind sehen, auch wenn dadurch Gefahr für die Mutter besteht. Nach Vorgaben der Istanbul-Konvention dürfte das nicht passieren. Auch Femizide hätten so in Deutschland womöglich verhindert werden können.

Sicher hat die vergangene Bundesregierung einiges verschleppt, was die jetzige aufarbeiten muss. Aber die Maßnahmen sind in der Istanbul-Konvention klar ausformuliert, sie müssten nur noch umgesetzt werden.

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Nicole Opitz
Redakteurin
Seit 2019 bei der taz. Interessiert sich vor allem für Feminismus, Gesundheit & soziale Ungleichheit. BVHK-Journalismuspreis 2023.
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2 Kommentare

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  • Es wird sich zu sehr auf ohnehin schon privilegierte Frauen (Vorstandquote etc) fokusiert. Für die Masse der Frauen bringt das rein gar nichts. Es wäre eine viel frühere und viel konsequentere Bestrafung von Stalkern, Belästigern und Gewalttäter nötig. Und zwar bevor etwas passiert ist. Rechtlich ist das ohne weiteres möglich, weil in der Regel kleinere Taten der eigentlichen Gewalttat vorangehen, deren Sanktionierung leider momentan nicht verfolgt oder sofort wieder eingestellt wird.

    • @Heidi Schneider:

      Und wie würde so eine konsequente und harte Bestrafung bevor(!) "etwas" passiert ist in der Praxis konkret aussehen? Müsste man, wenn man anhand von Verhaltensweisen die derzeit als Bagatellen gehandhabt werden umfassende Prävention betreiben will nicht letztlich jeden Macker der einer Frau hinterherpfeifft oder mit ekligen Sprüchen auffällt auf Jahrzehnte wegsperren?