Führungsstreit bei Menschenrechtsverein: Tausende Euro in Bosnien verschwunden
Ermittlungen und ein Gerichtsverfahren erschüttern die Gesellschaft für bedrohte Völker. Hat Vereinschef Zülch Gelder veruntreut? Der weist jeden Verdacht zurück.
GÖTTINGEN taz | Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wird von einem schweren Führungsstreit erschüttert. Gegen den Gründer und langjährigen Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation, Tilman Zülch, laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue. Vorstandsmitglieder haben Tilman Zülch, 72, auf Rückzahlung von 70.000 Euro an die GfbV verklagt. Zudem befasst sich die Justiz mit der Frage, welcher Vorstand derzeit überhaupt im Amt ist.
Am Freitag vergangener Woche bestätigte die Göttinger Staatsanwaltschaft, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Zülch anhängig ist. Es gehe um den Vorwurf, finanzielle Mittel der Menschenrechtsorganisation veruntreut zu haben, sagte der Behördensprecher der taz.
Der Rechtsanwalt Harald Klein und der pensionierte Oberstudienrat James Albert waren 2010 zum Bundes- und zum stellvertretenden Vorsitzenden der GfbV gewählt worden. Nach Angaben von Albert stellten sie bald finanzielle Unregelmäßigkeiten bei dem eingetragenen Verein fest. So sei die bosnische Sektion jährlich mit 60.000 Euro bezuschusst worden – auf Grundlage eines undatierten und nur von Zülch unterzeichneten Vertrages. Laut Satzung hätten jedoch mindestens zwei Vorstandsmitglieder unterschreiben müssen.
Klein und Albert monierten auch das Arbeitsverhältnis von Zülch selbst. Er wurde 2001 als Generalsekretär der GfbV angestellt. Als er sich 2008 zudem in den Vorstand wählen ließ, erklärte er laut Protokoll seinen baldigen Rücktritt als Generalsekretär. Sein Gehalt bezog er aber zunächst weiter – ausweislich der Lohnsteuerbescheinigung während seiner Amtszeit als Vorsitzender noch rund 70.000 Euro. Im November 2011 kündigten die Vorsitzenden Klein und Albert deshalb Zülchs Arbeitsvertrag fristlos. Ob zu Recht, muss das Arbeitsgericht entscheiden.
Geschäftsstelle weiß von nichts
Am Freitag reagierte die Geschäftsstelle der GfbV auf die Angaben der Staatsanwaltschaft. „Uns ist nichts davon bekannt, dass es strafrechtliche Ermittlungen gegen Tilman Zülch gibt“, hieß es in einer Erklärung. Die Vorwürfe, Zülch habe finanzielle Mittel veruntreut, wurden „mit aller Entschiedenheit“ zurückgewiesen. Die GfbV lasse ihre Bücher und alle Kontenbewegungen von unabhängigen Wirtschaftsprüfungsbüros und dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) kontrollieren, auch die Prüfer des Finanzamts hätten nichts beanstandet.
Albert sagt dagegen, er und Klein seien Hinweisen des Wirtschaftsprüfers nachgegangen, der die Zahlungen an Zülch und fehlende Belege aus Bosnien moniert habe. „Nachdem interne Prozesse nicht zu Ergebnissen führten, haben wir Zivilklage auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Gehaltes eingereicht“. Aus Sicht von Zülch und der Belegschaft sind die Vorwürfe „ein zerstörerischer Racheakt von vor wenigen Monaten abgewählten Mitgliedern des Vorstands. Sie können sich offenbar nicht damit abfinden, dass unsere Jahreshauptversammlung ihnen einstimmig das Vertrauen entzogen hat“.
Tatsächlich hatte eine Mitgliederversammlung Klein und Albert Ende November nicht entlastet und beide abgewählt. Zu Unrecht, meinen diese. Zu der Versammlung habe nämlich nicht, wie in der Satzung festgelegt, der Vorstand eingeladen. Das Registergericht bestätigt diese Sichtweise. Es hat den neuen Vorstand – Albert und Klein sprechen von einem „Scheinvorstand“ und sehen sich selbst weiterhin im Amt – wegen rechtlicher Bedenken nicht in das Vereinsregister eingetragen.
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