Frühchen-Tode in Bremen: Chefarzt fristlos gefeuert
Seit August starben in Bremen drei Frühchen. Dann kam heraus, dass es schon vorher fünf Fälle gab. Obwohl ihr Tod ungeklärt ist, muss nun der Chefarzt gehen.
BREMEN taz | Der Chefarzt der Professor-Hess-Kinderklinik in Bremen, Hans-Iko Huppertz, ist fristlos entlassen worden. In seinen Verantwortungsbereich fällt die Intensivstation, auf der im August und Oktober drei Fühchen am antibiotikaresistenten Darmkeim ESBL gestorben waren.
Im September war das Gesundheitsamt, Anfang November waren die Chefetage des kommunalen Klinikverbundes und die Gesundheitssenatorin informiert worden. Zunächst hieß es da, Ende Juli sei der Keim das erste Mal identifiziert worden. Dann kam heraus, dass es schon vorher fünf Fälle gegeben hat.
"Völlig unverständlich" findet der Chef der Klinik-Holding, Diethelm Hansen, dass Huppertz diese Fälle nicht früher meldete. Hansen hat den Chefarzt Hans-Iko Huppertz entlassen. Wusste Hansen über Fehlentscheidungen von Huppertz in dem Fall? Dazu gab er keine Auskunft.
So ist die Frage nach wie vor offen, ob sich wirklich keiner der zuständigen Fachleute, Ärzte oder Schwestern auf der Station im Juli erinnert hat, dass da Ende April schon etwas gewesen war. Oder hat der Klinik-Chefarzt die Bewertung des Falls als "harmlos" zu verantworten?
Parteien setzen Untersuchungsausschuss ein
Erst nach dem dritten Todesfall am 27. Oktober hatte die Gesundheitsbehörde davon erfahren und die Experten des Robert-Koch-Institutes zu Hilfe gerufen. Als diese sich im November des Falls annahmen, kam ans Licht, dass der Keim zum ersten Mal bereits Ende April auf der Intensivstation aufgetreten ist.
Warum nicht viel früher viel stärker reagiert wurde, soll der Untersuchungsbericht des Instituts klären, der Ende November vorgelegt werden soll. Die Quelle der Infektion haben die Experten offenbar nicht mehr gefunden.
Nicht nur die oppositionelle CDU, auch die Koalitionspartner SPD und Grüne haben mittlerweile das Vertrauen verloren, dass der Bremer Klinikskandal über die zuständigen Strukturen aufgeklärt wird, und wollen am Freitag einen Untersuchungsausschuss einsetzen.
Der Bremer Ärzteverband für Kinder- und Jugendmedizin hat die fristlose Entlassung des Leiters der Kinderklinik scharf kritisiert: "Hier wird offensichtlich ein verdienter Kollege für mehrere Fehlerquellen geopfert", sagt Thorsten Spranger vom Ärzteverband. Die Frühchen-Station ist inzwischen geschlossen und wird grundlegend desinfiziert, die Kinder sind verlegt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?