Friedensprozess in Kolumbien: Auch die ELN-Guerilla will Frieden
Das Land gilt derzeit als Vorbild für eine Welt im Krisenmodus. Nach der Farc- will auch die ELN-Guerilla den bewaffneten Kampf aufgeben.
Der Durchbruch gelang, weil sich die Guerilla bereit erklärt hatte, bis spätestens 2. Februar den früheren Abgeordneten Odín Sánchez freizulassen. Die letzte prominente Geisel der Rebellen befindet sich seit knapp einem Jahr in der Gewalt der ELN.
Präsident Santos hatte schon im Vorjahr nach über vierjährigen Verhandlungen in Kuba ein Abkommen mit der größeren Guerillaorganisation, den Farc-Rebellen, erreicht. Die Farc verfügte zuletzt noch über 5800 Kämpfer, die ELN hat 1.500 bis 2.000 Mitglieder unter Waffen.
Ein Abkommen auch mit der ELN ist von großer Bedeutung, um zu verhindern, dass die ELN die Kontrolle über frühere Farc-Gebiete und den dortigen Drogenhandel übernimmt. Zuletzt hatte es Berichte über Versuche der ELN gegeben, Farc-Kämpfer anzuwerben.
Farc will jetzt Partei gründen
Die ELN machte immer wieder auch durch die Entführung von ausländischen Touristen Schlagzeilen und finanziert sich neben dem Drogenhandel über Lösegelderpressungen. Durch den Krieg zwischen Guerilla, Militär und rechten Paramilitärs starben seit 1964 über 220.000 Menschen, über fünf Millionen wurden vertrieben. Eigentlich war schon für Oktober der Start der Verhandlungen geplant. Die Regierung machte aber die Freilassung von Odín Sánchez zur Bedingung für die Aufnahme von Gesprächen.
Vor wenigen Tagen würdigte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Kolumbien die Friedensbemühungen als „Signal der Hoffnung an die ganze Welt“. Bis Ende des Monats sollen sich die bisherigen Farc-Kämpfer in 26 Entwaffnungszonen sammeln und die Waffen unter UN-Beobachtung abgeben. Sie sollen eingeschmolzen und für den Bau von Friedensmahnmalen am UN-Sitz in New York, in Kuba, dem Ort der Friedensverhandlungen, und in Kolumbien genutzt werden.
Im Dezember hatte der Kongress grünes Licht gegeben für das Abkommen mit der Farc, das für Verbrechen eine Sonderjustiz mit maximal acht Jahren Freiheitsstrafe, eine Aufgabe des Drogenhandels und eine Heranziehung des Farc-Vermögens für die Entschädigung von Opfern vorsieht. Die Farc will nun eine Partei gründen und ihre Ziele wie eine gerechtere Landverteilung auf politischem Wege erreichen.
Ökonomen rechnen durch den Friedensprozess und die neue Stabilität in bisherigen Konfliktregionen mit einem deutlichen Wirtschaftswachstum im Land. Deutschland ist nach Angaben der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer der viertgrößte Lieferant von Waren nach Kolumbien und der achtgrößte Abnehmer kolumbianischer Produkte. Dazu gehören Kaffee, Bananen, Palmöl und Schnittblumen. Zudem liefert Kolumbien viel Steinkohle – zum Verfeuern in Kraftwerken. In den vergangenen zwei Jahren legte die Wirtschaftsleistung bereits jeweils um rund drei Prozent zu, 2016 sank zudem die Mordrate mit 24,9 Morden je 100.000 Einwohner auf den niedrigsten Stand seit 40 Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen