Friedensprozess in Kolumbien: Das Abkommen ist fertig
Das Abkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerrilla ausgehandelt. Nun soll das Volk darüber abstimmen.
Am 2. Oktober soll die Bevölkerung in einem Referendum über das Friedensabkommen abstimmen. Fast vier Jahre haben Vertreter der beiden Seiten – unterstützt von kubanischen und norwegischen Vermittlern – um eine Einigung gerungen.
Und noch bis Mittwoch verhandelten sie über ebenso heikle wie wichtige 'Details: Wer von den Farc-Rebellen soll Amnestie gewährt bekommen? Wie viele Sitze werden die Farc-Chefs im Kongress erhalten? Wie sollen die Farc-Rebellen ins zivile und Arbeitsleben eingegliedert werden?
Zuvor hatte man sich bereits auf eine Landreform verständigt, auf die Einrichtung einer Wahrheitskommission und einer Kommission für die Suche nach den Verschwundenen.
Beschlossen wurden außerdem Entschädigungszahlungen für die Opfer, die Einrichtung spezieller Friedenstribunale für die Aufarbeitung von Straftaten aller am Konflikt beteiligten Parteien – und nicht zuletzt ein endgültiger und beiderseitiger Waffenstillstand. Geregelt ist auch, in welchen Zonen sich die Guerilleros aufhalten können und wie die Abgabe der Waffen erfolgen soll. Zudem wurde eine Sicherheitsgarantie vereinbart.
Noch nicht unterschrieben
Endgültig gesiegt hat der Frieden aber noch nicht, noch bleiben für die 48 Millionen Kolumbianer große Hürden zu bewältigen: Schon im Juli bestimmte das Oberste Verfassungsgericht, dass das gesamte Abkommen, einmal unterzeichnet, der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden muss.
Rund 34 Millionen Wahlberechtigte sollen dann ihre Stimme abgeben. Eine Wahlpflicht besteht ebenso wenig wie eine Mindestbeteiligung. Aber wenigstens 13 Prozent oder rund 4,4 Millionen der Stimmberechtigten müssen mit Ja stimmen, sonst gilt das Friedenspaket als abgelehnt. Liegt der Anteil die Ja-Stimmen über 13 Prozent, entscheidet die einfache Mehrheit.
Noch stehen keine Unterschriften unter dem Abschlussdokument. Die Farc wird in der ersten Septemberhälfte ihre 10. Konferenz abhalten. Dabei sollen die 31 Mitglieder des Generalstabs (Estado Mayor Central) mit rund 600 VertreterInnen der verschiedenen Kampfeinheiten über die Annahme der Vereinbarungen abstimmen. Stimmt die Mehrheit zu, wird sich die Farc zugleich in eine politische Partei verwandeln. Sie muss dann ihre politischen Ziele bestimmen, die zukünftig ohne Waffen verfolgt werden müssen.
Dies alles vorausgesetzt, können Präsident Juan Manuel Santos und der Kommandeur der Farc, Rodrigo Londono alias „Timochenko“, das Abkommen in der zweiten Septemberwoche in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá feierlich unterzeichnen.
“Sí a la Paz – Ja zum Frieden“ ist das Kampagnenmotto der Befürworter, deren Logo die Friedenstaube ziert, stilistisch geformt aus zwei Händen in den kolumbianischen Farben. Der Frieden geht uns alle an, so die Botschaft, hinter der die Regierung von Präsident Santos offiziell nicht stehen darf, sie aber doch unterstützen wird.
Angst vor der Landreform
Doch das Abkommen hat auch starke Gegner: „No Más, Santos – Nicht noch mehr, Santos“ lautet das Motto, mit dem das Centro Democrático, die rechte Oppositionspartei von Ex-Präsident Álvaro Uribe, Stimmung macht – nicht nur gegen das Abkommen, sondern auch gegen den Regierungschef. Mit Erfolg: Anfang April mobilisierte die Nein-Kampagne Zehntausende KolumbianerInnen auf die Straßen zu gehen, allein in der Uribe-Hochburg Medellín waren es rund 80.000 Menschen, angeführt vom Expräsidenten selbst.
Hinter ihm scharen sich jene, denen ein Friedensabkommen mit den Farc nichts Gutes bringt: Sie fürchten, durch die vorgesehene Landreform Grundbesitz zu verlieren – oder gar für begangene Kriegsverbrechen oder Verbindungen zu rechten Paramilitärs bestraft zu werden. Für diesen harten Kern ist Santos ein Überläufer: Vom Hardliner als Verteidigungsminister unter dem Präsidenten Uribe wandelte er sich seit seinem Amtsantritt als Staats- und Regierungschef zum Friedensapostel, der gemeinsame Sache mit dem Feind macht.
Der Krieg zwischen Armee und Farc ist vor allem in den betroffenen Zonen auf dem Land zu spüren. In den großen Städten des südamerikanischen Staates, der gut dreimal so groß wie Deutschland ist, lebt es sich seit Jahren schon in relativer Ruhe. „La Paz de Santos“ – Santos’ Frieden – ist denn auch eine stehende Redewendung in Bogotá, Medellín oder Cali. Die Städter werden letztlich den Ausschlag für Zustimmung oder Ablehnung geben, und sie treibt weniger die Friedensfrage um als vielmehr wirtschaftliche Nöte. Schon seit einigen Jahren stottert Kolumbiens Wirtschaft.
Die „Sí a la Paz“-Kampagne versucht denn auch gegen das Bild vom Präsidenten-Frieden anzugehen. Unterstützung kommt von der liberalen Wirtschaftselite, die ein Friedensabkommen als Sicherheitsgarantie für internationale Investoren preist, die zukünftig in dem an Bodenschätzen und landwirtschaftlicher Nutzfläche reichen Land investieren werden. Dies würde jedoch unweigerlich zu neuen Konflikten um Umwelt und Boden führen.
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