Friedensfachkraft über Erfolge auf dem Balkan: "Wir helfen Kriegsveteranen"

Auf dem Balkan geht es darum, Selbstkritik zu fördern, sagt Patrick Schmelzer. Wenn Extremisten sich aber entscheiden, Konflikte anzuheizen, sei der Friedensdienst hilflos.

Bei Ziviler Konfliktbearbeitung geht es eher um Nachsorge als um Prävention. Bild: dpa

taz: Herr Schmelzer, wie sieht ziviler Friedensdienst im Westbalkan aus?

Patrick Schmelzer: Wir wollen die neutrale Kraft sein, die durch die Stärkung lokaler Gruppen in die Gesellschaft hineinwirkt. Wir arbeiten hier in fünf Ländern, in denen jeder seine Opferhaltung pflegt. Wir versuchen, die zarten Pflänzchen der kritischen Selbstbeschreibung zu unterstützen. Unsere Fachkraft in Kroatien etwa arbeitet mit Veteranen zusammen, die die Rolle Kroatiens im Balkankrieg aufarbeiten. Es sind ehemalige Krieger, die nicht wissen, wie man Veranstaltungen organisiert und PR macht. Wir helfen bei der Professionalisierung der Zivilgesellschaft.

Wie messen Sie Ihre Erfolge?

Man zählt heutzutage nicht mehr die Produkte - die Website, so und so viele Seminare. Wir werten aus, wie sich die Beziehungen zwischen Menschen verändert haben. Ein Beispiel ist, dass wir im Kosovo einen Friedensdachverband geschaffen haben, in dem tatsächlich auch eine weltoffene Gruppe dabei ist, die aus dem ansonsten radikal-serbisch dominierten Nord-Mitrovica kommt.

Wie stellen Sie sicher, dass das Geld nicht für nettes gemeinsames Kaffeetrinken benutzt wird?

Es gibt ja Kontrollen durch das Entwicklungsministerium, es gibt Rechnungsprüfung, es gibt Transparenz. Ich möchte auch, dass noch mehr Leute uns besuchen, zum Beispiel Bundestagsabgeordnete.

Mancher Balkanexperte sagt, die ganze wohlwollende Friedensarbeit werde keinen Konflikt je bewältigen oder verhindern.

Die 90er-Jahre haben jeden hier unterschiedlich geprägt. Ich hatte einen Riesen-Aha-Effekt: Ich sah, dass Schüler, die vom Krieg gar nichts mitbekommen haben, die Schlächter verherrlichen, sich ihre Bilder aufs Handy herunterladen. Die Regierungen schaffen das nicht, die politische Kultur aus eigener Kraft zu verändern. Dazu aber braucht es zum Beispiel aber auch eine andere Visumspolitik der EU - die Serben müssen die Welt sehen können.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Bundesregierung sich mit Geld politisch freikauft, Sie aber nur winzige Gruppen erreichen, die ohnehin keinen Krieg anzetteln würden?

Man muss den Wirkungsgrad der zivilen Krisenprävention vernünftig einschätzen. Wenn extremistische Gruppen sich entschließen, Konflikte wieder anzuheizen, kann der Zivile Friedensdienst nichts machen. Aber wir können auch nicht die Probleme lösen, auf die noch nicht einmal die internationale Gemeinschaft eine Antwort weiß. Letztlich ist unsere Arbeit eher ein Instrument der Nachsorge.

Also keine Prävention?

Beides. Es gibt die öffentliche Wahrnehmung, wonach man sich jetzt endlich auf den Irak und Afghanistan konzentrieren müsse, auf dem Balkan sei doch nun wohl Ruhe. Aber das ist nicht so. Ein Konflikt ist nicht gelöst, wenn die Waffen schweigen.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN

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