Fridays for Future über den CDU-Vorsitz: Klimakanzler, was ein Scherz!
Protest in Zeiten der Coronapandemie ist schwierig, aber möglich. Clara Mayer erklärt, warum sie im Vorfeld des CDU-Parteitags auf die Straße geht.
Fridays for Future hat am Freitag eine Protestaktion vor dem Konrad-Adenauer-Haus organisiert. Clara Mayer, Berliner Pressesprecherin der Bewegung, spricht über die Aktion und ihre Bewertung des CDU-Parteitags.
Punkt Zehn geht es los. Fünf junge Erwachsene entrollen an diesem Freitagmorgen ein weißes Banner vor der CDU-Zentrale und rufen „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Gezeigt wird eine Zeichnung der Köpfe der drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz: Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Daneben der Spruch: „CDU – das K steht für Klimaschutz.“
Pressesprecherin Clara Mayer (19) stellt sich zu ihnen und reckt, wie die anderen auch, ihre Faust in die Luft und schreit: „Röttgen, Laschet oder Merz? Klimakanzler? Was ein Scherz.“
taz: Frau Mayer, wie kam es zu dieser Aktion?
Jahrgang 2001, ist Klimaaktivistin, lebt in Berlin und hat im Frühsommer 2019 Abitur gemacht. Sie ist Pressesprecherin bei Fridays for Future und arbeitet zudem festangestellt auf einer Corona-Intensivstation.
Die CDU ist momentan die mächtigste Partei Deutschlands. Nun wählt diese unglaublich einflussreiche Partei ihren Vorsitz, und, seien wir mal ehrlich, sie wählt mit großer Wahrscheinlichkeit den Menschen, der Kanzler wird. Doch die Macht, die die CDU hat, nutzt sie nicht verantwortungsvoll. Die Klimakrise ist neben Corona die größte soziale Krise, die wir je hatten. Und wenn Corona ein Sprint ist, ist die Klimakrise ein Marathon. Die gleichen Menschen, die unter der Coronakrise am meisten leiden, sozial benachteiligte Menschen nämlich, sind die, die auch unter der Klimakrise am meisten leiden werden. Doch diese Verantwortung für alle weist die CDU bis heute von sich.
Was erhoffen Sie sich von dieser Aktion?
Durch Corona agieren Politiker:innen komplett abgekapselt von ihren Wähler:innen. Keine öffentlichen Veranstaltungen, nirgendwo Kritik, weil die Menschen sie nicht sehen wollen. Wir wollen die Kritik sichtbar machen.
Sind Sie wütend auf die CDU?
Keiner der Kandidaten hat einen Plan für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Wenn wir bedenken, dass das eine der Hauptherausforderungen der nächsten Jahre wird, fragt Mensch sich schon, was sie mit ihrer Kandidatur bezwecken wollen.
Aber ich würde sagen, dass Wut das falsche Wort ist, denn es kommt in keinster Weise überraschend, dass zwischen drei weißen alten Typen entschieden wird, die aller Voraussicht nach alle sehr wenig gegen Diskriminierung in Deutschland und nicht einmal ein Fünkchen gegen die Klimakrise tun werden.
Würde es denn etwas ändern, wenn wie im Dezember 2018 eine Frau als CDU-Vorsitzende kandidieren würde?
Ich kann mir den Job einer Kanzlerin gar nicht als männlich besetzt vorstellen. Als ich noch sehr jung war, fragte ich meine Mutter, ob auch Jungs Kanzlerin werden können.
Ich bin mit Frau Merkel aufgewachsen. Für mich waren das immer weibliche Rollen: das Kanzlerinnenamt, Kanzlerin Merkel. Frau Merkel war einer der Gründe, warum ich mich überhaupt für Politik interessiert habe! Ich weiß noch, wie ich mich mit fünf Jahren vor meine Nachbarin gestellt habe und sagte: „Wenn ich mal groß bin, werde ich auch Kanzlerin.“
Alle mussten lachen, aber da fing das an. Weil ich einfach eine Frau gesehen habe, egal wie ich zu dieser Frau jetzt politisch stehe, die in einer einflussreichen Position Politik für Deutschland macht.
Nun gibt es viele Diskrepanzen zwischen Angela Merkels und Ihrer politischen Haltung. Fühlen Sie sich trotz allem von ihr inspiriert, wenn auch mit einer Art bitterem Beigeschmack?
Ich finde, wir müssen aufhören, jede Frau in einer Machtposition als prinzipiell feministisch zu betrachten.
Auf Feminismus hatte sich diese Frage nicht bezogen…
Trotzdem. Frauen in Machtpositionen können genauso ausbeuterisch sein wie Männer und ich finde diese „Wir haben eine Frau an der Spitze und alle Diskriminierungen sind weg“ -Mentalität falsch.
Ja, wir haben Merkel an der Spitze und trotzdem ändert das nichts an dem internalisierten, strukturellen Sexismus in unserer Gesellschaft, der dazu führt, dass es Frauen immer noch nicht leicht gemacht wird, ihr Leben so zu leben wie sie es wollen, und wenn sie People of Color sind, dann erst recht nicht und wenn sie eine Behinderung haben, dann noch weniger.
Womit würden Sie jeden der drei Kandidaten konfrontieren, wenn diese jetzt vor dem Banner stehen würden?
Zur Wahl stehen drei alte weiße Männer. Keiner der Kandidaten hat eine Strategie gegen die Klimakrise. Ich würde sie fragen: warum du?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut