piwik no script img

Fridays for Future in Klausur„Das ist auf Dauer frustrierend“

Mehr Aktionen gegen Konzerne und mehr lokale Arbeit: Warum Fridays for Future die Strategie ändert, erklärt Mitorganisatorin Franziska Wessel.

Weniger Großstreiks in Mitte: der Fokus von FFF Berlin liegt künftig in den Bezirken Foto: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Frau Wessel, Fridays for Future Berlin war am Wochenende in Klausur. Was ist dabei herausgekommen?

Franziska Wessel: Wir haben darüber gesprochen, wie wir weitermachen wollen. Weil es schwierig ist, dass wir seit einem Jahr auf der Straße sind und insgesamt 3,2 Millionen Leute mobilisiert haben, aber politisch einfach nichts passiert ist. Das bindet viel Kraft, auch organisatorisch, und ist auf Dauer frustrierend. Darum wollen wir jetzt weg von der Strategie „Wir streiken, bis ihr handelt“ gegen die Bundesregierung und mehr auf kleinere Kampagnen setzen, mit denen man schneller Erfolge erreichen kann.

Hat Sie dazu der Protest gegen Siemens wegen deren Beteiligung an der Adani-Kohlemine in Australien inspiriert?

Ja. Das ist ein kleiner Kampf, den man auch gewinnen kann. Wenn man viel Arbeit da reinsteckt, kann man Unternehmen wirklich dazu bringen, auf die öffentliche Meinung zu hören und klimafreundlicher zu agieren.

Aber Siemens hat noch nicht entschieden, ob sie aus Adani aussteigen.

Nein, die Entscheidung wurde noch mal vertagt bis Montag. Aber es gab ja Gespräche mit den FFF-Aktivisten Luisa Neubauer und Nick Heubeck. Und die Siemens-Leute haben gesagt, dass die Aktionen von FFF viel bewegt haben und die Diskussion bei Siemens durch den Druck der öffentlichen Meinung sehr beeinflusst wurde. Das ist ja ein Unternehmen, das bis 2030 klimaneutral werden will – und die Beteiligung an einer Kohlemine ist damit einfach nicht vereinbar.

Was wollen Sie noch machen außer Kampagnen gegen Konzerne?

Wir wollen mehr in die Bezirke gehen. Zum einen, weil die berlinweiten Plena mit bis zu 150 Leuten einfach zu groß sind, besonders für Neue ist es schwierig, da reinzufinden. Es ist auch ein echtes Problem geworden, dafür Räume zu finden. Zum anderen können die Leute vor Ort konkrete Aktionen machen. Man kann lokalpolitisch aktiv werden, zum Beispiel sich dafür einsetzen, dass die Bezirke klimaneutral werden, dass überhaupt mehr Klimaschutz im kleinen Rahmen passiert. Wir wollen auch wieder wöchentlich streiken, allerdings in den Bezirken oder vor Siemens oder anderen Konzernen, aber nicht mehr im Invalidenpark, vor dem Bundeswirtschafts- und dem Verkehrsministerium.

Bild: dpa
Im Interview: Franziska Wessel

15, aus Zehlendorf, ist Schülerin der 11. Klasse am Werner-von-Siemens-Gymnasium.

Also wöchentliche Streiks an anderen Orten?

Und mit einem anderen Augenmerk – nicht mehr allgemein gegen die Regierung. Es ist ja allen klar, dass die was ändern müssen und schuld sind am Klimawandel. Es ist auch klar, dass wir nicht leise werden, aber nach einem Jahr müssen wir überlegen, wie man noch etwas erreichen kann als Jugendbewegung. Unser Adressat ist jetzt mehr die Öffentlichkeit, die wollen wir besser informieren, wie schlimm die Klimakrise ist – und die wollen wir mehr mobilisieren. Es ist inzwischen wohl allen Menschen klar, dass unsere Regierung Scheiße baut, aber nicht allen ist klar, wie Firmen – etwa Siemens – da mit drinhängen. Oder dass jetzt bald Datteln IV ans Netz geht.

Wo ist das?

Das ist ein neues Kohlekraftwerk im Ruhrgebiet.

Sie sagen, in den Bezirken könnte mehr passieren. Was zum Beispiel?

Die FFF-Gruppen können vor Ort Info-Kampagnen zum Klima machen, Podiumsdiskussionen veranstalten, sich stärker mit lokalen Bündnissen zusammenschließen – zum Beispiel in Kreuzberg mit der Initiative Autofreier Wrangelkiez. Man kann Schulzeitungen organisieren, überhaupt noch mehr in Schulen mobilisieren, dort noch mehr Wissen schaffen. „DMan hat einfach mehr Aktionsfreiheit, wenn man seine eigene kleine Ortsgruppe ist.

Aber zerfasert der Protest nicht, wenn jeder für sich macht?

Es geht jetzt nicht darum, dass jede Woche in jedem Bezirk eine Demo stattfindet. Wir wollen uns eher abwechseln, das ist auch organisatorisch eine Entlastung für die engagierten Leute, wenn die Last auf mehr Schultern verteilt wird. Aber natürlich müssen wir, damit es nicht zerfasert, die Kommunikation zwischen den Bezirken verbessern – auch für Absprachen wie wir, wenn es globale Streiks gibt, dann die eine große Demo für Berlin veranstalten wollen. Aber wir denken, die Bezirke sind einfach näher an den Leuten dran, können dort besser mobilisieren.

Wenn Sie mehr ins Lokale gehen wollen, heißt das auch, Sie wollen mehr dafür werben, dass Klimaschutz beim Einzelnen anfängt, anstatt wie bisher vor allem die große Politik zu adressieren?

Ja, das ein Nebenfaktor. Es ist zwar schwierig, Klimaschutz wirksam zu betreiben beim Einzelnen, weil die wichtigen Regulierungen von der Bundespolitik getroffen werden. Aber auch auf Landes- und Bezirksebene können Rahmenbedingungen verbessert werden. Und auch der Einzelne kann durch sein Verhalten etwas bewirken. Die ganze Klimaschutzbewegung fing damit an, dass eine einzelne Schülerin in Schweden sich zum Streik hingesetzt hat. Und in den Bezirken können wir die BerlinerInnen besser erreichen, als wenn wir immer nur am Invalidenpark streiken. Das hat ja kaum Wirkung, etwa auf Menschen, die in Außenbezirken wohnen.

Wann und wo ist der nächste Streik?

Am 24. Januar. Dann jährt sich unser erster Großstreik vom vorigen Jahr mit 10.000 Leuten. Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch mal die Kohlekommission ansprechen und darauf hinweisen, dass das gar nichts gebracht hat – weil es ja immer noch kein Kohleausstiegsgesetz gibt. Danach geht’s wieder los mit wöchentlichen Freitagsstreiks. Wir besprechen gerade, welche Bezirke wann was genau machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Hervorragende Idee.



    Das macht auch die Bewegung glaubwürdiger.



    Mir hat vor kurzem, als ich mal wieder in meiner Heimat im Ruhrgebiet war, ein alter Weggenosse, der dort noch Kommunalpolitik macht, erzählt, dass in einer Nachbarstadt von Essen, in Mülheim, geplant ist, den ÖPNV weitestgehend lahmzulegen und bei einer Demo gegen diese Pläne kaum Menschen von FFF anzutreffen waren.

    Es ist wichtig, dass auch die solche regionalen Schritte endlich ins Bewusstsein von allen gelangen.

  • Was ist mit den Sachen, wo der Einzelne leider wenig Einfluss hat? Was ist mit den ganzen kostenlosen Anzeigenblättern und Werbebroschüren, die einem ungefragt in den Briefkasten geschmissen werden. Mindestens die Hälfte davon landet direkt im Müllcontainer. Hunderttausende Tonnen jedes Jahr. Produziert für nichts und wieder nichts! Habt ihr mal ausgerechnet, wieviel CO2 da produziert wird?



    Da muss ich nicht nach Australien gucken.



    Was ist mit dem werbefinanzierten Free-TV, diesem Umverteilungs- und Verblödungsfernsehen? Wir haben Klima- und Umweltprobleme en masse und die Wirtschaft gibt gleichzeitig Milliarden für Werbung aus. Werbung, die für den Kapitalismus den Konsumwahn am Laufen halten soll. Für Fridays for Future kein Thema! Warum nicht?



    Sind eure beratenden Wissenschaftler denn nicht der Meinung, dass dieses Geld besser in Soziale Gerechtigkeit, Umwelt- und Klimaschutz investiert werden sollte. Oder haben die das gar nicht auf dem Schirm? Haben die keine Phantasie, keine Zukunftsvisionen?

    • @APO Pluto:

      papier (alle(!) formen incl aller behörden, klopapier, taschentücher, bücher, kassenbons ect): etwa 100kg pro jahr und kopf in 1999, ergaben 1% der klimarelevanten emissinoen in dtl.

      das ist nicht unbedeutend sondern etwa in der größenordnung der entscheidung datteln 4 in betrieb zu nehmen oder nicht.

      von der gigantischen australischen kohlemine adani ganz zu schweigen, die simens idiotischersweise ermöglichen will.

      aber da ist es eben sinnvoller, erstmal so weitreichende einzelentscheidungen zu thematisieren, als unendlich viel arbeit in das ziel zu stecken, alles (!) papier in dtl auf 100% recycled umzustellen.

      • @chn:

        Glauben Sie wirklich, dass niemand anderes auf der Welt eine stinknormale Signalanlage für eine Eisenbahnstrecke bauen kann? Wenn es Siemens nicht tut, macht´s ein anderer. "Ermöglicht" wird sowas durch den der es baut.



        Was bringt das dann? Wir haben weniger Geld, um innovative Entwicklungen finanzieren zu können... Das Projekt Adani wird ohne Verzögerung trotzdem fertiggestellt und andere, die mit Klimaschutz nichts am Hut haben, verdienen daran.



        Was wirkt sich positiver auf den Klimawandel aus? Eine in weiten Gebieten (außerhalb Europas) belächelte "Moral", oder ein real erwirtschafteter Gewinn, der in zukunftsorientierte Arbeitsplätze für den Klimaschutz in unserem Land investiert wird?