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Fridays for Future in BerlinDie Luft ist gerade raus

Der erste Schulstreik im neuen Jahr ist nur mäßig besucht. Die neue Strategie der Berliner FFF-Führung kommt bei TeilnehmerInnen nicht so gut an.

Zwei Mädchen schreiben am Invalidenplatz eine Botschaft aufs Pflaster (März 2019) Foto: dpa

Berlin taz | Vor der Bühne ist viel Platz. Die DemonstrantInnen füllen ihn nicht. „Es sind weniger als sonst“, bemerkt eine Frau im Rentenalter. „Wir waren aber auch noch nie so früh da“, entgegnet ihr Begleiter. Die Uhr zeigt 12.01 Uhr.

Es ist der erste Schulstreik für Klima nach sechs Wochen Pause. Vor 16 Tagen standen Fridays for Future vor dem Siemensgebäude. Vergebens, vergebens. Der Konzern hält an dem umstrittenen Kohleförderprojekt Adani in Australien fest. Vielleicht ist das einer der Gründe, wieso sich nur so wenige DemonstrantInnen am Invalidenplatz versammelt haben. Weil die Luft gerade einfach raus ist.

Und man kann sie verstehen. Seit über einem Jahr gehen die SchülerInnen auf die Straße und fordern eine drastische Wende in der Klimapolitik. Was sie bekommen, ist ein schwaches Klimapaket und einen Aufschub des Kohleausstiegs.

Deshalb wollen die Berliner AktivistInnen jetzt ihre Strategie ändern: Protestiert werden soll vor allem vor großen Konzernen und in den Kiezen, nicht mehr jede Woche im Invalidenpark gegen die Bundesregierung. Die AktivistInnen wollen lieber in einzelne Bezirke gehen, sich lokalpolitisch besser einsetzen. Das müssen sie auch. Denn dass das Konzept Demonstration nicht ewig funktionieren wird, zeigt auch das Geschehen im Invalidenpark.

Es fehlt ein „How dare you?“

Dort verliest eine Rednerin aktuelle Zahlen zur Lebensmittelverschwendung. Dann prangert sie das Verbot an, von Supermärkten weggeworfene Lebensmittel zu „containern“, alle jubeln, danach ein paar Sprechchöre. Auf der Bühne steht die Band Brass Riot, die die Schülerproteste schon seit einem Jahr immer wieder musikalisch einheizt. Doch es fehlt an neuen Inhalten, es fehlt an mitreißendem „How dare you?“

Es bleibt abzuwarten, ob die AktivistInnen ihre Ziele mit der neuen Strategie erreichen können. Dafür müssten sie erst einmal ihre eigenen Leute überzeugen. Doch im Invalidenpark wissen viele TeilnehmerInnen gar nichts davon. Andere sind skeptisch.

„Ich finde das ein bisschen unsinnig“, sagt Milla Weber (13). „Wenn wir nicht mehr regelmäßig zusammen streiken, ändert sich auf keinen Fall was. Dann sind wir auch weniger. Viele Leute in unserer Schule kommen nur zu den großen Demos.“ Ihre Freundin Milanka Bubenik (13) fügt hinzu: „Die wollen ja, dass wir in die Schule gehen. Wir fordern die Veränderung. Wenn wir nicht mehr alle jede Woche streiken, geben wir nach.“

„Die wollen ja, dass wir in die Schule gehen“

Jörg Finus (53) begleitet die Demonstration als Ordner. Er fürchtet, dass die neue Strategie zu regional sein könnte. „Einerseits ist es wichtig, dass die Fridays in Schulen gehen und dort Arbeit leisten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass wir als Bewegung noch weniger wahrgenommen werden.“

Um 12.30 Uhr schätzt die Polizei die Zahl der DemonstrantInnen auf 200 bis 300. Der Platz ist ein bisschen voller geworden. Vor einem Jahr waren es 10.000 TeilnehmerInnen beim Großstreik, bei der letzten Demonstration 2019, als die Bewegung ihr einjähriges Jubiläum feierte, immerhin 500. Verständlich, dass die Bewegung nach einer neuen Strategie sucht. „Wir streiken, bis ihr handelt“ funktioniert nicht mehr.

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13 Kommentare

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  • @taz: ihr seid übrigens mitschuldig daran, dass die Proteste abnehmen (aus meiner Sicht).

    Ihr fokussiert euch immer mehr auf die prominenten Personen (Thunberg und Neubauer) - so wie alle Medien. Wie soll man so als Demonstrant noch motiviert sein, mitzumachen? Dreht sich doch eh alles um Luisa Neubauer. Ich habe langsam keinen Bock mehr auf die Straße zu gehen, wenn wir alle zum Rückhalt für 1 Menschen werden sollen und immer seltener selbst gesehen werden.

    Ihr habt hier dutzende Artikel über Neubauer und immer weniger Artikel über FFF. Ihr setzt FFF mit Neubauer gleich. Das ist das Mega-Problem.

    Dieser Personenkult wird langsam zur Plage. FFF ist eine Graswurzelbewegung. Da wäre Demokratie angesagt. Tatsächlich ist Luisa Neubauer nie gewählt worden. Ihr Kurs schreckt zudem mittlerweile viele bei FFF ab.

    Bei FFF passiert gerade das, was in der Politik passiert: Verdruss, weil man keine Wirkungsmacht mehr spürt. Das liegt nicht nur an der Politik. Es liegt auch an Luisa Neubauer, die mit ihrer Wortwahl diesen Verdruss herftig befeuert. Sie suggeriert ständig, wir hätten GAR nichts erreicht. Aber die Konsequenz (Antikapitalismus) will sie auch nicht ziehen.

    FFF wird sterben, wenn keine Demokratie in der Bewegung eingeführt wird.

    • @Kakaobutter:

      Man kann die Berichterstattung kritisieren, gewiss.



      Ich würde aber raten, nicht nur anderen die Schuld zu geben, sondern mit der Kritik immer zuerst bei sich selbst anzufangen: Fridays for Future in Deutschland und Berlin hat selbst zugelassen, dass z. B. Neubauer nun im Rampenlicht steht. Ich bin selbst fast jede Woche bei den Protesten in Berlin zugegen. Ich weiß, dass durchaus Manches Missfallen erregt (es geht ja nicht nur um große Fragen wie irgendwelche Taktiken oder irgendeine Ausrichtung der Bewegung, sondern auch etwa darum, wer reden darf und wer nicht, wie viel Zeit es für Reden und viel viel fürs Hüpfen gibt usw., aber eben auch z. B. darum, dass immer wieder dieselben vor den Kameras sprechen), nur bleibt es eben meist bei diesem persönlichen Missfallen, dass dann höchstens noch mit den Freunden geteilt wird. Fridays for Future, wenigstens hier, ist, dafür, dass es sich doch um eine Protestbewegung handelt und dass man immerhin die Schule schwänzt, unheimlich brav. Das zeigt sich im Umgang mit der eigenen selbsternannten Führung, aber auch nach außen hin (ich weiß noch, auf einer der ersten Demonstrationen, die ich besuchte, wurde über diesen münchener Schulleiter gesprochen, der Bußgelder verhängen wollte, und man rief ganz selbstverständlich auf, Geld zu sammeln, damit die Betroffenen die Bußgelder bezahlen können - sich dieser schändlichen Strafe nicht zu fügen, vielleicht lieber Geld zu sammeln, damit die Betroffenen sich Anwälte nehmen können, derlei kam gar nicht in den Sinn). Hier gilt es, nicht bloß Thunberg das nachzumachen, was sie vorgemacht hat (wie den Schulstreik), sondern mutig zu sein und wahrhaft mehr wie sie zu werden - also ggf. auch mal selbst voranzugehen, wenn es noch kein anderer getan hat, was ja gerade ihre große Tat war.



      Ich bin ganz bei dir, dass Fridays for Future nicht bloß dazu da sein sollte, Neubauers Stimme mehr Gewicht zu geben, aber hier wie überall sollten sich die Protestierenden eben zunächst einmal selbst aufklären

  • FFF Berlin macht viele Fehler.

    Der größte ist aber der, der im Artikel anklingt: "Doch im Invalidenpark wissen viele TeilnehmerInnen gar nichts davon."

    FFF Berlin kommuniziert eindimensional. Die DemonstrantInnen werden nicht gehört. Die Organisation ist undemokratisch. Alles tanzt m.E. nach der Pfeife von Luisa Neubauer, die in dieser OG ist.

    Der 2. große Fehler ist, dass man weiter die Kapitalismuskritik aus den eigenen Reihen totschweigt. Immer mehr Ortsgruppen in Deutschland werden antikapitalistisch. Aber Berlin nicht. Denn Luisa Neubauer mag sowas nicht.

    Auch Medien berichten lieber über harmlose Schülerdemos als über antikapitalistische Schülerdemos.

    • @Kakaobutter:

      Was aber die Kapitalismuskritik angeht: Also ich höre oft wen auf der Bühne was von Kapitalismus schimpfen. Freilich, das ist oberflächlich und bleibt folgenlos. Aber das ist doch keine Überraschung. Was "Kapitalismus" überhaupt ist, wie das funktioniert, was eine Alternative wäre, das weiß doch der gemeine Linke nicht. Es ist eben ein leerer Kampfbegriff, man hat mal gehört, dass das was Böses ist und weg muss.



      Auch hier kann ich nur raten, sich mehr von Greta Thunberg abzuschauen: Die ist viel radikaler, als es den meisten bewusst ist und als es die meisten bei Fridays for Future sind. Die hat richtig erkannt: ALLE Ideologien haben versagt, das schließt irgendwie linke oder sozialistisch angehauchte mit ein.



      Die Schüler bei Fridays for Future sollten mehr Mut haben, neue Wege zu gehen: Sie sollten nicht bloß die Welt der Ausgewachsenen kopieren und deren verstaubte Rezepte neu auflegen, sondern erkennen, dass diese Welt doch gerade die Krise geschaffen hat.



      "Antikaptalismus" ist seit Jahren und Jahrzehnten ein bedeutungsleeres linkes Schlagwort. Es wäre der Tod von Fridays for Future, eine weitere linke Gruppe unter vielen zu werden (auch wenn fleißig daran gearbeitet wird). Die Stärke von Thunberg und von den Schülern war und ist es gerade, dass es endlich einmal ganz um die Sache ging, statt wie sonst nur um ideologische Grabenkämpfe.



      Wohlverstanden: Soll es besser werden (nicht nur beim Klima), wird sich unsere Lebensweise und damit auch unser Wirtschaften grundsätzlich ändern müssen. Aber da lenkt das Schlagwort Kapitalismus mehr ab, als zu helfen. Da müssen die Menschen selbst sich ändern, da braucht es Aufklärung. Der Kapitalismus ist mehr Symptom als Ursache, seine vermeintlichen Alternativen sind meist nur andere Symptome, die mit ihm noch immer dieselbe Wurzel teilen. Ändern die Menschen ihre Haltung, werden Wirtschaft und Politik sich ganz notwendig wandeln, bleiben die Menschen, wie sie sind, dann bleiben auch die Übel, Kapitalismus hin oder her.

    • @Kakaobutter:

      Die Gesprächskultur des berliner Orgaanisatorenteams ist in der Tat mit "nicht vorhanden" am freundlichsten umschrieben. Es wird zwar manches Mal davon geredet, man sei ja basisdemokratisch und es seien ja alle gleich, aber ich kann mich nicht erinnern, dass die Teilnehmer wirklich gefragt wurden, welche Taktik sie wünschen, oder z. B. welche Redeinhalte erwünscht oder unerwünscht sind. Da entscheidet die Führung und es ist wie bei allen Menschen, die überzeugt sind, zu den Guten zu gehören: Was man tut, muss notwendig richtig sein, denn man ist ja gut, man meint es gut, man kann also auch nur Gutes tun. Andererseits gibt es zwar formal viele Möglichkeiten, Kritik zu üben, ich weiß aber von vielen, die die Organisatoren angeschrieben haben, dass sie mit den immergleichen vorgefertigten Phrasen abgewimmelt wurden bzw. öfter und bei besonders kritischen Bemerkungen auch mal ganz ignoriert wurden. Man verhält sich hier nicht anders als die Pressestelle jeder beliebigen Partei und merkt nicht, dass man damit eine Haltung lebt, die gerade schuld ist am Klimawandel und die gerade zu verschwinden hat.

  • Wenn man immer nur die selben 20 bis 25% der Bevölkerung ansprechen will dann ist die Luft halt irgendwann raus. Und wenn man sich nix traut kommt auch keine Dynamik.



    Dem Mainstrem gefallen zu wollen ist auch eine Schwäche. Zumindest wenn man ihn nicht mobilisieren sondern nur nicht verschrecken will.

    • @Oskar:

      Absolute Zustimmung. Ich bin jedes Mal mit FFF Berlin auf der Straße. Und Sie haben es erfasst.

      Schreiben Sie doch mal an FFF Berlin. Die brauchen ne klare Ansage. Ich hab das Gefühl, dass ich der einzige bin, der sie ständig kritisiert.

  • Die Tn-Zahl bei Großdemos ist das eine - aber sowas kann es auch nicht ständig geben - also parallel in Großstädten mit starken FfF-Gruppen UND mit Schwerpunkten bei den Hauptansprechpartnern = Produktion/Handel/Verkehr etc. , untereinander abgestimmt. Dazu mit TV das Muster Ringschaltung - wie beim BundesligaSonntag - verabreden.



    Dann hat man die plausible Zielsetzung für die Teilnehmenden UND die zentrale Medienpräsenz - in thematisch interessanter Vielfalt.

    • @Dieter HEINRICH:

      Es wäre ein fataler Fehler, die Industrie als "Hauptansprechpartner" auszuwählen.

      Offenbar versucht das FFF Berlin aber.

      Die Industrie zu attackieren, ist eine unfassbar ineffiziente Art. Die Politik macht die Regeln. 1 Maßnahme der Politik ist stärker als 100 Maßnahmen der Industrie. Wir brauchen einen Systemwandel und kein Make-Up für den Kapitalismus.

      • @Kakaobutter:

        Habe schon verstanden - das gesamte Wirtschaftssystem sollte angegangen werden - und das POLITISCH. Ok, da ist eine Menge dran - aber erstens denke ich da nicht antikapitalistisch, sondern straff reguliert-kapitalistisch. Und zweitens schert sich der KlimaUmschwung einen Dreck um unsere Händel über sowas - er wurde lsgetreten, und jetzt geht er voran - nach seinen eigenen Regeln.



        DDaran können die Neubauers und all die anderen FfF-Aktiven NICHTS ändern.



        Was sie aber sehr gut machen, ist Leuten wie Ihnen oder Oskar oder sehr Vielen den ERNST der Lage vor die Füsse zu packen.



        STOPP mit KlimagasEmissionen - weltweit, damit nicht alles noch sehr viel brutaler wird. Und nachhaltige Vorbereitung auf die heftigen >Begleiterscheinungen

        • @Dieter HEINRICH:

          Der Klimaumschwung schert sich einen Dreck um meine Meinung?

          Ich bin TEIL dieses Umschwungs. Ich bestimme mit, was FFF ist. Und wenn ich will, dass FFF antikapitalistischer wird, dann erhebe ich meine Stimme dafür.

          Innerhalb der Bewegung (auf der Straße) und außerhalb der Bewegung (hier).

          • @Kakaobutter:

            Oh gerne - alles, Nicklas - nur hat es keinerlei nennenswerten Einfluss darauf, den Klimaumschwung irgendwie aufhalten zu können.



            Für den Umgang mit seinen Folgen - und erst recht für die Zeit des Wiederaufbaues danach, ist es durchaus wichtig, welches Wirtschaftssystem mit dem absoluten Vorrang der Ökologie am besten funktionieren kann.



            Nur bis dahin warten die Wetterkatastrophen, der Anstieg des Meeeresspiegels, das Versiegen der Meeresströmungen, das Auftauen der Permafrostböden nicht. Das alles geschieht - und erfordert jede nur denkbare Anstrengung.

  • "Vielleicht ist das einer der Gründe, wieso sich nur so wenige DemonstrantInnen am Invalidenplatz versammelt haben."

    Vielleicht. Ein anderer Grund ist aber auch das Wetter.

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