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„Fridays for Future“ auf dem KirchentagEnergisches Kopfnicken

Um Klimaschutz geht es auf dem Kirchentag in diesem Jahr natürlich auch. Miteinander reden tun aber oft nur die, die sich ohnehin schon einig sind.

Stieß auf dem Kirchentag in Sachen Klimaschutz auf breite Zustimmung: Luisa Neubauer Foto: imago-images/epd

Dortmund taz | „Die Menschen, die am wenigsten dazu beigetragen haben, sind die ersten Opfer des Klimawandels“, sagt Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Und fügt an: „Ein Teil der Menschheit lebt auf Kosten des anderen Teils. Das muss aufhören.“ Großer Applaus in der vollbesetzten Messehalle in Dortmund.

Auf dem Evangelischen Kirchentag widmen sich im Jahr von Fridays for Future gleich mehrere Veranstaltungen den Themen Klimawandel und Umweltschutz. Moderatorin Ines Pohl fragt den selbstkritischen Bischof: „Sollte die Kirche nicht auch zivilen Widerstand leisten?“ Wie der aussehen solle, will Bedford-Strohm wissen.

Das aber zeigt seit einigen Jahren das Bündnis Ende Gelände. Parallel zum Kirchentag im Ruhrgebiet wollen Tausende junge Aktivist*innen im benachbarten Rheinland an diesem Wochenende das fünfte Jahr in Folge die Infrastruktur von Braunkohletagebauen stören.

Erneut adressiert die Massenaktion die Tagebaue des Energieriesen RWE, der im vergangenen Jahr mit der geplanten Rodung des letzten Restes des Hambacher Forsts massiv in die Kritik geraten war. Klimaschutz muss jetzt passieren, die Zeit drängt und die politischen Entscheidungen sind zu langsam, heißt es sowohl bei Ende Gelände als auch in mehreren Redebeiträgen auf dem Kirchentag. Das sind die Schnittstellen, an denen Christen und Klimaaktivist*innen einander begegnen.

Lobende Worte vom Bundespräsidenten

Den Schulterschluss zu Ende Gelände machen an diesem Wochenende auch die Schüler*innenproteste von Fridays for Future. Sie planen einen großen Protest am Rande der Tagebaukante Garzweiler. Mitorganisatorin Luisa Neubauer legte vorher noch einen Zwischenstopp auf dem Kirchentag ein – zur „Taskforce Hope“, wie sie in ihrem Zwischenruf auf dem Panel „Umwelt, Klima und Gerechtigkeit – heute handeln“, sagte.

Sie forderte die Kirchentagsbesucher*innen nachdrücklich auf, mit für den Klimaschutz zu streiken – „es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass die Kirche an einer Revolution beteiligt ist. Ich zähle auf euch“ – breites Lächeln, minutenlanger Applaus und Standing Ovations für die Studentin, die Kirchentagsbesucher*innen sind Fans. Neben Luisa Neubauer stand Eckart von Hirschhausen, einer der Prominenten, der sich wissenschaftlich mit der Initiative Scientists for Future für Klimaschutz engagiert.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Kirche an einer Revolution beteiligt ist

Luisa Neubauer

Wer beim Podium mit Neubauer, Hirschhausen und Bedford-Strohm dagegen fehlte, waren die Politiker*innen. Beim Eröffnungsgottesdienst fand Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zwar noch lobende Worte für die Schüler*innenproteste, eine echte Auseinandersetzung mit den Aktivist*innen sollte aber nicht folgen. Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet kam, um die Kirchentagsbesucher*innen in Dortmund zu begrüßen. Einige seiner ersten Worte aber: Strukturwandel, Kohle, Arbeitsplätze. Na klar, schließlich sei man hier in Dortmund, im Ruhrgebiet.

Tatsächlich vertrat Laschet in der Diskussion um einen schnellen Braunkohleausstieg in der Vergangenheit wiederholt das wirtschaftliche Interesse des Energiekonzerns RWE, verurteilte Aktive aus der Besetzung des Hambacher Forsts und äußerte sich kritisch zur Fridays-for-Future-Bewegung.

Was es braucht? Eine mutige Politik!

Also kam auch er nicht zum Panel mit Neubauer und den anderen, die sich im Grunde schon vorher einig waren. So hörten die Kirchentagsbesucher*innen ein eindrückliches Statement vom schwedischen Wissenschaftler Professor Johan Rockström vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, wie drängend der Klimaschutz ist und welche Möglichkeiten es im Bereich erneuerbare Energien geben würde, wäre der politisch Wille da.

taz beim Kirchentag

Kirchentage unter evangelischen ChristInnen heißt: Ernst zu nehmen, was dort verhandelt, erörtert, begrübelt und was direkt zur Sprache gebracht wird.

In Dortmund stehen Themen wie Migration, Feminismus, Klima und Umwelt im Mittelpunkt. Typische taz-Themen also.

Deshalb begleiten wir den Kirchentag auch: vor Ort und mit vier täglichen Sonderseiten in der Zeitung. Die taz Panter Stiftung hat dafür 9 junge JournalistInnen ins Ruhrgebiet geschickt.

Und wie steht es abseits des Podiums um das Thema Nachhaltigkeit auf dem Kirchentag? Größtenteils stehen Bio-Cateringstände vor der Westfalenhalle, es gibt weniger Wegwerfgeschirr als auf anderen Großveranstaltungen, und das Kirchentagsticket ermöglicht die Nutzung des Nahverkehrs, sodass Autos möglichst stehen bleiben. Dafür, dass für Klimaschutz auch eine klare Reduktion des Fleischkonsums sinnvoll wäre, schafft der Kirchentag aber kein ausreichendes Bewusstsein. Ein Großteil des Essensangebot sind Grillstände, überall beißen Menschen in Würstchen.

Der lange Applaus, energisches Kopfnicken und das Gemurmel im Saal am Ende des Podiums zeigen: Die teilnehmenden Christen und die jungen Klimaschützer*innen sind sich bereits einig – was für den Klimaschutz fehlt: eine mutige Politik – und die braucht mutige Po­liti­ker*innen.

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