Freundschaften im Videochat: Verschieden erwachsen geworden

Erwachsenwerden sieht bei jedem anders aus, das merke ich im Zoom-Gespräch mit alten Freundinnen. Wo ist die Zeit nur hin?

Tiefkühlpizza in Folie verschweißt

Manche Vorlieben verändern sich mit dem Erwachsenwerden – ob das auch bei Pizza der Fall ist? Foto: imago

Letzten Samstagabend habe ich mit zwei Freundinnen gezoomt: A. und J. Wir drei haben uns vor fast zehn Jahren bei der Arbeit kennengelernt und uns von Anfang an gemocht. Wir gingen betrunken aus Bars und verkatert ins Büro. Wir verbrachten unzählige Raucherpausen damit, uns zu trösten und zu lästern. Wir sind zusammen verreist (okay, es war ein Wochenendausflug nach Potsdam), haben Geburtstage, Beförderungen und Verlobungen gefeiert.

Mit den beiden und ihren Partnern habe ich sogar gerne „Pärchenabende“ verbracht. Obwohl ich dafür ungefähr so viel übrig habe wie für achtminütige Sprachnachrichten oder Menschen, die sich selbst Sneakerheads nennen. Es gab, glaub ich, auch einen Zeitpunkt, zu dem wir alle drei gleichzeitig verlobt waren.

Irgendwann bekam A. zwei Kinder, sie heiratete und zog nach Nordamerika. J. wurde auch schwanger und zog mit ihrem Verlobten nach Australien. Ich löste meine Verlobung auf, blieb in Berlin, stieg von Aperol Spritz auf Hennessy um und entdeckte Tinder. Ich ging seltener verkatert ins Büro, hatte einen Steuerberater und sagte Dinge wie: „Schmeckt super, nicht zu süß.“ Ich war also auch erwachsen geworden, aber nicht wie A. und J.

In diesen Coronazeiten höre ich oft die Frage, ob es nicht schrecklich sei, single zu sein. Bisher konnte ich aber nicht wirklich klagen. ­Memes, meine Schwestern und Spinat­tiefkühlpizza sind alles, was ich brauche. Ich habe mich auch noch nie so direkt mit meinen Freundinnen verglichen. Aber irgendwas an diesem Gespräch war anders.

Wodka oder Wasser

Und das lag nicht nur daran, dass J. ihre zweite Schwangerschaft verkündete. Wir sprachen über tausend Dinge, aber viele der Neuigkeiten unserer gemeinsamen Freunde waren entweder Schwangerschaften oder Verlobungen oder Hochzeiten. Während wir also sprachen, schminkte ich mich und trank Wodka-Apfelsaft (die meisten trinken es auf Studentenpartys in irgendwelchen Kellern, ich trinke es samstagabends, wenn nichts anderes im Haus ist). Ich wollte nämlich noch zwei Freunde treffen. Meine Freundinnen tranken Tee und Wasser. Letzteres aus diesen Metallflaschen für die man früher in der Schule gemobbt wurde, die aber jetzt in Prenzlauer Berg so viel kosten wie ein gebrauchtes Fahrrad.

Klar, die Wahl der Getränke hatte außer mit Schwangerschaft sicher auch mit den unterschiedlichen Zeitzonen zu tun, in denen wir uns befanden. Aber ich muss sagen, mir war der Unterschied zwischen unseren Leben noch nie so deutlich geworden. Nach zwei Stunden (bei mir war es mittlerweile ein Uhr morgens) beendeten wir unser Gespräch, und ich machte mich leicht angetrunken auf den Weg zu meiner Verabredung.

Dabei hatte ich kurz einen melancholischen Moment, aber als ich dann den „Savage Remix“ mit Beyoncé und Meghan Thee Stallion hörte, war wieder alles gut. Und richtig gut ging es mir, als ich am nächsten Tag so lange schlafen konnte, wie ich wollte.

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Journalistin, Speakerin und freie Kreative. Kolumne: "Bei aller Liebe". Foto: Pako Quijada

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